Das Massaker von Nanking


Am 18. September 1931 beschädigte eine Explosion eine Brücke der unter japanischer Verwaltung stehenden südmandschurischen Eisenbahn bei Mukden („Mandschurischer Zwischenfall“). Noch in der Nacht besetzten japanische Truppen die Stadt.

Die Chinesen riefen am 21. September den Völkerbund an, doch das internationale Gremium konnte sich nicht auf Sanktionen einigen, obwohl der Aggressor gegen die Völkerbund-Satzung, den Briand-Kellogg-Pakt und das Washingtoner Neunmächte-Abkommen verstoßen hatte. Der Völkerbund – der Japan 1926 aufgenommen hatte – appellierte zwar an die japanische Regierung, die Truppen zurückzuziehen (24. Oktober 1931), aber niemand hinderte das asiatische Kaiserreich ernsthaft daran, die mandschurischen Provinzen Chinas zu besetzen und dort den japanischen Satellitenstaat Mandschukuo zu etablieren (18. Februar 1932).

Am 29. Januar 1932 griffen die Japaner Schanghai an. Beim ersten Flächenbombardement gegen eine Zivilbevölkerung in der Weltgeschichte kamen schätzungsweise 18 000 Menschen ums Leben. Japanische Soldaten besetzten den chinesischen Teil der Stadt (nicht aber die exterritorialen Handelsniederlassungen, die sogenannten Konzessionen). Im Frühjahr 1933 nahmen japanische Truppen auch die chinesische Provinz Jehol ein, und als der Völkerbund das japanische Vorgehen am 24. Februar 1933 endlich anprangerte, trat Japan aus (27. März 1933).

Besonders die nationalistischen Generäle waren es, die in den Zwanziger- und Dreißigerjahren das japanische Volk glauben machten, Asien beherrschen zu müssen, um den eigenen Wohlstand zu mehren.

Gesteigert wurde dieses Denken durch den staatlich geförderten Schintoismus, der an die mythische Vergangenheit Japans erinnerte, die Heiligkeit des Kaisers betonte, durch patriotische Feiern die nationale Solidarität verstärkte und den Glauben an eine Mission Japans wachhielt. Ministerpräsident Giichi Tanaka formulierte 1927 das Programm einer aggressiven Expansionspolitik (Tanaka-Memorandum), und als die japanischen Truppen in der Mandschurei nicht aufgehalten wurden, steigerte sich der glühende Patriotismus japanischer Nationalisten zur imperialistischen Gier.

Am 7. Juli 1937 lieferten sich japanische und chinesische Truppen am Stadtrand von Peking ein kurzes Gefecht („Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke“). Den an sich unbedeutenden Vorfall nutzten die Japaner, um das chinesisch-japanische Waffenstillstandsabkommen vom 31. Mai 1933 (Abkommen von Tangku) zu zerreißen und erneut über China herzufallen. China strebte Verhandlungen an, aber die japanische Regierung brachte sie durch unannehmbare Forderungen absichtlich zum Scheitern. Bis zum Ende des Monats eroberten die Japaner Peking und Tientsin.

Aufgrund des Washingtoner Neunmächte-Abkommens wurde eine Konferenz nach Brüssel einberufen. Unter dem Vorsitz des belgischen Außenministers Paul Henri Spaak suchten die Delegierten vom 3. bis 24. November 1937 nach Möglichkeiten, den neu aufgeflammten chinesisch-japanischen Krieg auf diplomatischem Weg zu beenden. Japan und das Deutsche Reich waren der Einladung allerdings nicht gefolgt, und die Brüsseler Konferenz konnte lediglich zum Frieden mahnen. Davon unbeirrt, setzten die Japaner ihre militärischen Vorstöße fort, auch als bei Luftangriffen auf Schanghai am 23. August 1937 Briten und Amerikaner starben.

Nach einem erbitterten Häuserkampf marschierten die Japaner am 3. Dezember 1937 zum zweiten Mal in Schanghai ein. Fünf Tage später belagerten sie Nanking (auch: Nanjing). Weil die Stadt sich nicht ergab, wurde sie bombardiert, bis die Verteidiger am 12./13. Dezember davonrannten. Chinesische Soldaten raubten bei den eigenen Landsleuten Zivilkleidung. Soldaten und Zivilisten flohen zum Jangtsekiang, wo sie um die wenigen Boote kämpften und viele von ihnen ertranken.

Die Japaner, die Nanking am 13. Dezember übernahmen, töteten 200 000 bis 300 000 Chinesen. Sie erstachen oder köpften die Menschen mit ihren Bajonetten, erschossen sie mit Maschinengewehren oder übergossen sie mit Benzin und verbrannten sie bei lebendigem Leib. Schätzungsweise 20 000 Frauen wurden vor ihrem Tod erst noch vergewaltigt. Sechs bis acht Wochen lang dauerte das Massaker von Nanking. Parallel dazu plünderten die Japaner auch die Wohnungen und setzten Häuser in Brand.

Der deutsche Kaufmann John Rabe, der Vorsitzender des „Internationalen Komitees für die Sicherheit von Nanking“ gewesen war und das Massaker von Nanking miterlebt hatte, versuchte nach seiner Rückkehr ins Deutsche Reich im Februar 1938 Hitler darüber in Kenntnis zu setzen – und wurde deshalb vorübergehend von der Gestapo festgenommen.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg interessierte sich in Europa und den USA kaum jemand für das Massaker von Nanking. Erst als die aus China stammende Amerikanerin Iris Chang 1997 das Buch „The Rape of Nanking. The Forgotten Holocaust of World War II“ veröffentlichte, änderte sich das.

Literatur über das Massaker von Nanking:

  • Iris Chang: Die Vergewaltigung von Nanking. Das Massaker in der chinesischen Hauptstadt am Vorabend des Zweiten Weltkriegs (München 1999)
  • Uwe Makino: Nanking-Massaker 1937/38. Japanische Kriegsverbrechen zwischen Leugnung und Überzeichnung (Norderstedt 2007)
  • Erwin Wickert (Hg.): John Rabe. Der gute Deutsche von Nanking (Stuttgart 1997)

Filme über das Massaker von Nanking:

  • Black Sun. The Nanking Massacre (1995; Regie: Tun Fei Mou)
  • Nanking 1937. Tagebuch eines Massakers. Die Geschichte des Hamburgers John Rabe (2008; Regie: Raymond Ley)
  • John Rabe. Der gute Deutsche von Nanking (Dreharbeiten: 2007/2008; Regie: Florian Gallenberger, Titelrolle: Ulrich Tukur)

© Dieter Wunderlich 2007 / 2008

John Rabe (Kurzbiografie)

Natascha Wodin - Sie kam aus Mariupol
Obwohl sich Natascha Wodin für eine sach­lich-nüchterne Darstellung ent­schieden hat und v. a. die Lebens­geschichte ihrer Tante Lidia rekon­struiert, han­delt es sich bei "Sie kam aus Mariupol" um einen Tat­sachen­roman, nicht um einen Bericht oder eine Dokumentation.
Sie kam aus Mariupol