E. T. A. Hoffmann


Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann wurde am 24. Januar 1776 in Königsberg als drittes Kind des Rechtsanwalts Christoph Ludwig Hoffmann (1736 – 1797) geboren, der sich zwei Jahre später von seiner Frau Lovisa Albertina (1748 – 1796) scheiden ließ. Unter der Vormundschaft seines Onkels Johann Ludwig Doerffer lebte Ernst Hoffmann von da an mit seiner Mutter bei seiner Großmutter. Die Freundschaft, die er in der Schule mit Theodor Gottlieb Hippel schloss, hielt ein Leben lang.

Aus Verehrung für Wolfgang Amadeus Mozart tauschte er später den Vornamen Wilhelm gegen Amadeus aus und nannte sich E. T. A. Hoffmann.

Während des Jurastudium in Königsberg (1792 – 1795) verliebte er sich in die neun Jahre ältere Dora („Cora“) Hatt, eine unglücklich verheiratete Frau, die während der Affäre mit E. T. A. Hoffmann ihr sechstes Kind gebar. Nach dem zweiten Staatsexamen am 20. Juni 1798 und seiner Aufnahme in den Staatsdienst verlobte er sich mit seiner Cousine Minna Dörffer in Glogau, aber nach vier Jahren löste er die Verlobung und heiratete am 26. Juli 1802 Maria Thekla Michalina („Mischa“) Rorer-Trzynska, die Tochter eines polnischen Stadtschreibers. Zwei Jahre später wurde er in Warschau zum Regierungsrat ernannt. Als die Franzosen 1806 in Preußen einmarschierten und im Jahr darauf Warschau besetzten [mehr dazu], verlor E. T. A. Hoffmann seine Stellung, denn er verweigerte ihnen den Ergebenheitseid. Acht Jahre lang schlug er sich in Warschau, Bamberg, Dresden und Leipzig als Musiklehrer und Kapellmeister, Theaterkomponist und Bühnenbildner durch. In Bamberg verliebte sich der Vierunddreißigjährige in die dreizehnjährige Gesangsschülerin Julia Mark, die jedoch zwei Jahre später, im Dezember 1812, den Hamburger Kaufmann Georg Groepel heiratete. (Diese Episode steht im Mittelpunkt des Romans „Hoffmann oder Die vielfältige Liebe“ von Peter Härtling.)

Es ist freilich unwahrscheinlich, dass Hoffmann dem um zwanzig Jahre jüngeren Mädchen je seine Liebe gestand; ja es ist sogar unwahrscheinlich, dass er jemals ernsthaft an eine Verbindung mit ihr gedacht hat. Denn noch während seines Umgangs mit ihr begann er, das erotische Begehren zu verdrängen, begann er, Julia zu einem ästhetischen Idol zu verflüchtigen, demgegenüber lediglich eine geistige, in der Kunst manifest werdende Liebe angemessen sei, wohingegen körperlicher Besitz seinen Bildzauber zerstören würde. Die „Liebe des Künstlers“, zu der sich Hoffmann durchrang, vergleicht sich mit der höfischen Minne und dem Marienkult. Sie vermag auf die Gegenwart der Geliebten zu verzichten, weil sie die Geliebte nur als inneren Besitz erstrebt. Sie ist keiner Enttäuschung, keiner profanen Erfahrung zugänglich, weil sie sich ihr nicht aussetzt.
(Gerhard Schneider im Nachwort zu E. T. A. Hoffmann. Werke in einem Band. Die Bibliothek deutscher Klassiker, Band 24. Aufbau-Verlag, Berlin / Weimar 1979)

E. T. A. Hoffmann wurde 1816 – zwei Jahre nach seiner Rückkehr in den preußischen Staatsdienst in Berlin – zum Kammergerichtsrat ernannt, im Oktober 1819 in die „Immediat-Commission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe“ und 1821 in den Oberappellationssenat am Kammergericht berufen. Doch seine liberale Gesinnung machte ihn verdächtig, und als er sich in seiner Märchenerzählung „Meister Floh“ über den Polizeidirektor Carl Albert von Kamptz lustig machte, wurde nicht nur das Manuskript 1822 beschlagnahmt und zensiert, sondern auch ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet.

Am 25. Juni 1822 starb E. T. A. Hoffmann im Alter von 46 Jahren an einer Erkrankung des Rückenmarks.

E. T. A. Hoffmann war Dichter und Komponist, Musikkritiker, Karikaturist, Maler und Zeichner. Sein literarisches Schaffen ist der Hochromantik zuzuordnen, aber er orientierte sich auch am trivialen Schauerroman und interessierte sich für Geisteskrankheiten. Charakteristisch für E. T. A. Hoffmann ist die Dichotomie zwischen Normalität und Wahn, Realität und Fantasiewelt, Bürgerlichkeit und Exzentrik. „Quälendes Ungenügen an der alltäglichen Wirklichkeit, der Welt des Philisters, weckte ihn im die Sehnsucht nach einem höheren Sein. Er beschwört den Zauber einer anderen Wirklichkeit, die er als seelisches Korrelat auch in Ahnungen und Träumen, in der Tiefe des Unbewussten aufspürt. Jedoch erweist sich jenes Andere in seiner Dichtung als ambivalent: Nicht nur als erlösend, sondern auch als bedrohlich und dämonisch. Hoffmanns Neigung zum Unheimlichen, Fantastischen, seine virtuose, aber nicht immer wählerische Handhabung aller Mittel der Schauerromantik ließen das Klischee vom Gespenster-Hoffmann entstehen.“ (Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Dortmund 1989, Band 3, Seite 1358)

Jacques Offenbach setzte dem vielseitigen Künstler E. T. A. Hoffmann in seiner Oper „Hoffmanns Erzählungen“ ein Denkmal („Les contes d’Hoffmann“, Libretto: Jules Barbier, Uraufführung: Paris 1881). Das so genannte Nachtstück „Der Sandmann“ von E. T. A. Hoffmann inspirierte Léo Delibes zum Ballett „Coppélia“ (1870). Peter Tschaikowskij verwendete das Märchen „Nussknacker und Mausekönig“ als literarische Vorlage für das Ballett „Der Nussknacker“ (1892). 1921 bildete sich in Petrograd (St. Petersburg) eine Gruppe sowjetischer Schriftsteller, die sich nach dem Erzählzyklus „Die Serapionsbrüder“ (1819 – 1821) von E. T. A. Hoffmann nannten und eine von ideologischen und politischen Tendenzen freie Literatur anstrebten. Peter Härtling beschäftigt sich in seinem Roman „Hoffmann oder Die vielfältige Liebe“ mit E. T. A. Hoffmanns Aufenthalt 1808 bis 1813 in Bamberg.

E. T. A. Hoffmann: Bibliografie (Auswahl)

  • Ritter Gluck (Erzählung, 1809)
  • Fantasiestücke in Callot’s Manier (1815; darunter „Der goldene Topf“, „Berganza“)
  • Undine (Oper, 1816; Libretto: Friedrich de la Motte Fouqué)
  • Die Elixiere des Teufels (Roman, 1815/16)
  • Nachtstücke (1816/17; darunter „Der Sandmann“, „Das steinerne Herz“)
  • Das Fräulein von Scudéri (1818)
  • Klein Zaches, genannt Zinnover (Märchen, 1819)
  • Die Serapions-Brüder (1819 – 1821): Rat Krespel
  • Lebens-Ansichten des Katers Murr (Roman, 1819 – 1821)
  • Meister Floh (Märchen, 1822)
  • Des Vetters Eckfenster (Erzählung, 1822)

Literatur über E. T. A. Hoffmann:

  • André Barz: Kennst du E. T. A. Hoffmann? Weimar 2006
  • Peter Braun: E. T. A. Hoffmann. Dichter, Zeichner, Musiker. Düsseldorf u. a. 2004
  • Klaus Deterding: E. T. A. Hoffmanns Dichtung und Weltbild.
    Magie des poetischen Raums. Heidelberg 1999
  • Klaus Deterding: E. T. A. Hoffmanns Dichtung und Weltbild.
    Das allerwunderbarste Märchen. Würzburg 2003
  • Klaus Deterding: E. T. A. Hoffmanns Dichtung und Weltbild.
    Hoffmanns Poetischer Kosmos. Würzburg 2003
  • Ronald Fricke: Hoffmanns letzte Erzählung (Roman). Berlin 2000
  • Susanne Gröble: E. T. A. Hoffmann. Stuttgart 2000
  • Detlef Kremer: E. T. A. Hoffmann zur Einführung. Hamburg 1998
  • Rainer Lewandowski: E. T. A. Hoffmann und Bamberg. Fiktion und Realität. Über eine Beziehung zwischen Leben und Literatur. Bamberg 1995
  • Magdolna Orosz: Identität, Differenz, Ambivalenz. Erzählstrukturen und Erzählstrategien bei E. T. A. Hoffmann. Frankfurt/M u. a. 2001
  • Stefan Ringel: Realität und Einbildungskraft im Werk E. T. A. Hoffmanns. Köln u. a. 1997
  • Rüdiger Safranski: E. T. A. Hoffmann. Das Leben eines skeptischen Phantasten. Frankfurt/M 2000
  • Hartmut Steinecke: Die Kunst der Fantasie. E. T. A. Hoffmanns Leben und Werk. Frankfurt/M 2004
  • Hartmut Steinecke (Hg.): E. T. A. Hoffmann. Darmstadt 2006
  • Barbara Sternthal: Juristen als Schriftsteller. Porträts dichtender Rechtsgelehrter.
    Wien 2006
  • Odila Triebel: Staatsgespenster. Fiktionen des Politischen bei E. T. A. Hoffmann.
    Köln u. a. 2003

© Dieter Wunderlich 2006

E. T. A. Hoffmann: Rat Krespel
Peter Härtling: Hoffmann oder Die vielfältige Liebe

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