Anna von Österreich


Als der französische König Heinrich IV. 1610 ermordet wurde, übernahm dessen Witwe Maria von Medici für ihren achtjährigen Sohn Ludwig XIII. die Regentschaft. 1615 setzte sie eine Doppelhochzeit durch: König Ludwig XIII. wurde am 25. November mit der spanischen Infantin Anna von Österreich (1601 – 1666) vermählt, und seine Schwester Elisabeth (1602 – 1644) mit dem ältesten Sohn des spanischen Königs. Nach der Hochzeitsfeier wollte Ludwig sich in seine Gemächer zurückziehen, aber man legte ihn ins Bett seiner Frau, und seine Mutter achtete darauf, dass die beiden die Ehe vollzogen. Das Erlebnis der Hochzeitsnacht scheint nicht berauschend gewesen zu sein, denn danach dauerte es Jahre, bis Ludwig sich seiner Frau wieder näherte.

Mit fünfzehn beschloss Ludwig XIII., sich von der Bevormundung seiner Mutter zu befreien und ordnete an, den Marquis d’Ancre zu verhaften beziehungsweise im Fall seiner Gegenwehr zu töten. Tatsächlich erschossen königliche Gardisten den Marquis am 24. April 1617 beim Versuch der Festnahme. Leonora wurde am 8. Juli hingerichtet. Maria von Medici versuchte alles, um von Ludwig empfangen zu werden, doch er wusste um ihre Ausstrahlung und verbannte sie nach Blois. Von dort gelang ihr am 22. Februar 1619 die Flucht.

Armand Jean du Plessis, Kardinal von Richelieu (1585 – 1642), der seine politische Karriere nicht zuletzt der Königinmutter verdankte, vermittelte zwischen den beiden und stellte einen vorübergehenden Frieden zwischen ihnen her. In dieser Zeit teilten sich der König, Maria von Medici und Richelieu als leitender Minister die Macht.

Der König glaubte, er brauche seine Mutter, um ruhig regieren zu können, Richelieu brauchte Maria, solange er nicht das uneingeschränkte Vertrauen des Königs besaß, und Maria war zu Unrecht überzeugt, dass sie niemanden brauchte. (Seite 188)

Als Maria von Medici im November 1630 versuchte, Richelieu zu verdrängen, hielt der König zu seinem Minister. Darüber kam es zum endgültigen Bruch zwischen Mutter und Sohn. Maria von Medici floh im Juli 1631 in die spanischen Niederlande. Die Mutter des französischen Königs sowie der englischen und der spanischen Königin starb am 3. Juli 1642 vereinsamt und missachtet in Köln.

Nach zweiundzwanzig Ehejahren und vier Fehlgeburten kam Anna von Österreich am 5. September 1638 mit einem Stammhalter nieder: Ludwig XIV. Zwei Jahre später gebar sie einen zweiten Sohn, der auf den Namen Philipp getauft wurde (1640 – 1701). Das Verhältnis des Königspaars verbesserte sich dadurch zwar nicht, aber aus der kinderlosen, leicht angreifbaren Spanierin mit ungewisser Zukunft war die Mutter des zukünftigen französischen Königs geworden, und das festigte ihre Stellung ungemein. Anders als bei den Beziehungen Katharinas zu ihren Kindern oder gar Marias zu ihrem Sohn entwickelte sich zwischen Anna und dem kleinen Ludwig ein inniges Mutter-Kind-Verhältnis. Im Gegensatz zu Katharina und Maria von Medici war die spanische Königstochter allerdings auch selbst in einer harmonischen Familie aufgewachsen. Ausdrücklich riet Anna den Erziehern, das Kind nur im äußersten Notfall auszupeitschen und dann darauf zu achten, dass es keine anderen Zeugen gab, um es nicht unnötig zu beschämen. Tatsächlich war Hausarrest die schlimmste in der Erziehung des Dauphins jemals angewandte Strafe, und Anna zog es ohnehin vor, ihn durch gutes Zureden und vernünftige Erklärungen zu überzeugen.

Vermutlich war Ludwig XIII. homosexuell. Henri Coëffier de Guzé, Marquis de Cinq-Mars (1620 – 1642) scheint die Veranlagung des Königs zu seinem eigenen Vorteil genutzt zu haben, obwohl er ihn abstoßend fand und Frauen bevorzugte. Als der Marquis merkte, dass Richelieu ihn durchschaute, versuchte er den König zur Ermordung des Kardinals anzustiften. Mit Hilfe Annas fand Richelieu schließlich Beweismaterial dafür, dass der Marquis de Cinq-Mars mit dem Staatsfeind Spanien konspirierte, also Landesverrat beging.

Obwohl Richelieu unter schmerzhaften Abszessen litt, ließ er sich in einer Sänfte von Paris nach Béziers tragen, um dort den König über die Rolle seines Günstlings aufzuklären. Da Ludwig XIII. gerade von Hämorrhoiden gepeinigt wurde, lagen die beiden Männer während der vierstündigen Unterredung am 28. Juni 1642 im Bett. Anschließend reiste der König nach Paris, während der Leitende Minister in Südfrankreich blieb und dafür sorgte, dass der Marquis de Cinq-Mars am 12. September enthauptet wurde. Dann kehrte auch er nach Fontainebleau zurück. Obwohl er schlimme Schmerzen und Erstickungsanfälle erdulden musste, arbeitete er weiter, denn vor seinem Tod wollte er unbedingt noch durchsetzen, dass der König die Gefolgsleute des Landesverräters verbannte und Jules Mazarin (1602 – 1661) als Nachfolger im Amt des Ersten Ministers akzeptierte. Tatsächlich gelang ihm das, bevor er am 4. Dezember 1642 verschied.

Ein halbes Jahr später, am 14. Mai 1643 – auf den Tag genau 33 Jahre nach seinem Vater –, starb König Ludwig XIII., und sein vierjähriger Sohn Ludwig XIV. folgte ihm auf den Thron. Die Königinmutter Anna von Österreich ernannte am 18. Mai Mazarin zum Mitglied des Kronrats. Zu dem Kardinal, den sie seit 1632 kannte und der jahrelang der wichtigste Berater Richelieus gewesen war, hatte sie ein unverbrüchliches Vertrauen. Obwohl Mazarin und Anna von Österreich die eigentlichen Machthaber waren, zeigten sie selbst im Familienkreis, dass sie Ludwig XIV. als Monarchen respektierten. Am 7. September 1651 wurde er für großjährig erklärt.

Unter dem Eindruck der englischen Revolution hatte sich 1648/49 das Parlament in Paris gegen den Absolutismus erhoben. 1652/53 schloss sich ein von Spanien unterstützter Aufstand des Adels an. Nach der militärischen Niederwerfung dieser „Fronde“ war der Weg frei für das „Sonnenkönigtum“.

Erst als Ludwig sich 1659 in Maria Mancini, eine Nichte Mazarins, verliebte, und ihm seine Mutter klarzumachen versuchte, dass er es seinem Amt schuldig sei, seine Braut nicht nach Gefühlen, sondern nach der Staatsräson auszusuchen, wurde der Einundzwanzigjährige erstmals widerspenstig. Uneigennützig setzte auch Mazarin sich dafür ein, dass der König nicht seine Nichte, sondern die Infantin heiratete. Schließlich nahm Ludwig Vernunft an und vermählte sich mit Maria Theresia (1638 – 1683), der ältesten Tochter des spanischen Königs Philipp IV. Allerdings vergnügte er sich auch weiterhin mit zahlreichen anderen Frauen und zeugte eine Reihe illegitimer Kinder.

Nach dem Tod Mazarins am 9. März 1661 übernahm König Ludwig XIV. persönlich das Amt des Ersten Ministers. Seine Mutter hatte bereits in den Jahren zuvor Schritt für Schritt auf ihre politische Einflussnahme verzichtet.

Im Mai 1664 wurden bei Anna von Österreich Knoten in einer Brust festgestellt. Krebs war damals unheilbar. Nach einem längeren Siechtum starb sie am 20. Januar 1666.

© Dieter Wunderlich 2005

Anka Muhlstein: Königinnen auf Zeit

Jean-Patrick Manchette - Nada
Kalt und sachlich schildert Jean-Patrick Manchette in "Nada" das Geschehen. Dabei beschränkt er sich auf das Wesentliche und hält auch die Dialoge kurz. Mit dieser reduzierten Form begründete er den néo polar.
Nada