Joy Fielding : Die Haushälterin

Die Haushälterin
The Housekeeper Ballantine Books, New York 2022 Die Haushälterin Übersetzung: Kristian Lutze Wilhelm Goldmann Verlag, München 2022 ISBN 978-3-442-31576-5, 443 Seiten 978-3-641-26280-8 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Immobilienmaklerin Jodi Bishop, die den Lebensunterhalt für die vierköpfige Familie verdient, weil ihr Ehemann seit Jahren an einem Roman arbeitet, kann ihren 79-jährigen Vater nicht dazu bewegen, mit der schwerkranken Mutter vom dreistöckigen alten Haus in eine Wohnung umzuziehen. Immerhin lässt er sie schließlich eine zweifache Witwe als Pflegerin und Haushälterin einstellen. Aber nach einigen Monaten fragt sich Jodi, ob sie nicht eine Verbrecherin ins Elternhaus geholt hat ...
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Kritik

Einfallsreich inszeniert Joy Fielding in "Die Haushälterin" eine farbige und spannende Geschichte mit überraschenden Wendungen. Die markant dargestellten Figuren sind nicht ganz frei von klischeehaften Zügen, aber sehr lebendig, und ihr Verhalten lässt sich gut nachvollziehen. Das gilt vor allem für die nachdenkliche Ich-Erzählerin Jodi Bishop mit ihren Selbstzweifeln, die im Nachhinein zu verstehen versucht, wie das Verhängnis seinen Lauf nehmen konnte.
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Jodi Bishop

Die 43-jährige Jodi Bishop und ihr Ehemann Harrison Bishop leben in Toronto. Sie haben zwei Kinder: den achtjährigen Sohn Samuel („Sam“) und die drei Jahre alte Tochter Daphne. Harrison debütierte vor zehn Jahren mit dem Roman „Der Weg des Träumers“. Bei einer Lesung lernten er und Jodi sich damals kennen. Seit fünf Jahren arbeitet Harrison an seinem zweiten Roman – und Jodi verdient den Lebensunterhalt für die Familie als Immobilienmaklerin in der von ihrem Vater Victor („Vic“) Dundas gegründeten Agentur Dundas Real Estate.

Harrison sitzt tagelang vor dem Laptop, ohne dass ihm etwas einfällt. Immer wieder beschwert er sich darüber, dass Jodis Termine Vorrang haben.

„Du saust los, sobald ein Kunde ruft. Du gehst davon aus, dass ich das, was ich gerade mache, stehen und liegen lasse, um mich um die Kinder zu kümmern.“

Eigentlich wollte Jodi Tänzerin werden, aber der Vater redete es ihr aus; sie habe kein Talent, meinte er. Als sie daraufhin beabsichtigte, Innenarchitektur zu studieren, brachte der Vater sie auch davon ab. Anders als ihre ältere Schwester Tracy Dundas konnte Jodi es ihm nie rechtmachen.

Während Jodi schüchtern und voller Selbstzweifel ist, lebt ihre inzwischen 47 Jahre alte unverheiratete, ebenso extravertierte wie egozentrische Schwester sorglos auf großem Stil und kauft unbekümmert mit einer vom Vater zur Verfügung gestellten Kreditkarte in exklusiven Geschäften ein.

Vic und Audrey Dundas

Vic und Audrey Dundas wohnen in einem 1932 gebauten Haus mit 450 Quadratmetern Wohnfläche in Toronto-Rosedale, das sie vor einem halben Jahrhundert – kurz nach der Eheschließung – erworben haben. Vor zehn Jahren wurde bei Audrey Parkinson diagnostiziert. Zwei Jahre später gab Vic seine Berufstätigkeit auf, um sie pflegen zu können. Inzwischen ist Audrey auf einen Rollstuhl angewiesen und wird nicht mehr lange leben.

Jodi legte ihren Eltern mehrmals einen Umzug in eine Eigentumswohnung oder in einen Bungalow ohne Treppen nahe, aber davon will ihr Vater nichts wissen.

Schließlich gelingt es Jodi, den 79-Jährigen zu überreden, eine Haushälterin zu akzeptieren. Jodi entscheidet sich für die 62 Jahre alte zweifache Witwe Elyse Woodley.

Sie war alles, was ich mir erhofft hatte, und mehr: eine wunderbare Köchin, eine ausgezeichnete Haushälterin, eine großartige Gesellschafterin. Sie war geduldig, gütig und fürsorglich. Keine Pflicht war zu beschwerlich, nichts war ihr zu viel.

Es entgeht Jodi nicht, wie ihr Vater die Haushälterin anstarrt. Sie weiß, dass Vic untreu war und es deshalb heftige Auseinandersetzungen in der Ehe gab. Als Kind beobachtete sie einmal, wie er die Mutter zu Boden schlug.

Audrey schläft auch tagsüber immer mehr und ist kaum noch ansprechbar.

Affären

Eines Morgens findet Jodi ihre Mutter auf halber Strecke zum Treppenlift auf dem Boden liegend vor. Sie rufe seit Stunden nach Vic, klagt Audrey. Jodi schaut ins Schlafzimmer ihres Vaters. Das Bett ist unbenutzt. Vic kommt aus dem Zimmer der Haushälterin. Augenscheinlich haben die beiden eine Affäre.

Wie in jedem Sommer hält Harrison an der University of Toronto Kurse in Kreativem Schreiben. Die Studentin Wren Peterson, deren Eltern ein Ferienhaus in Prince Edward County haben, vermittelt ihm dort einen Autoren-Workshop. Jodi argwöhnt, dass er eine Affäre mit Wren haben könnte, aber Harrison tut den Verdacht als blinde, unbegründete Eifersucht ab.

Roger McAdams meldet sich bei Dundas Real Estate. Er sei Anfang 40, arbeite als Vermögensverwalter und sei nach seiner Scheidung vor vier Monaten von Detroit nach Toronto versetzt worden, erklärt er Jodi. Nun suche er eine Eigentumswohnung. Nach einem Besichtigungstermin lässt Jodi sich von ihm zum Essen einladen. Anders als Harrison hört er zu und geht verständnisvoll auf sie ein. Die Nacht verbringen sie im King Edward Hotel. Am anderen Morgen fühlt Jodi sich mies. Wie konnte sie nur zur Ehebrecherin werden?

Die Haushälterin

Zwei Monate später ist ihre Mutter tot. Ein Treppensturz.

Die ebenfalls bei Dundas Real Estate beschäftigte Maklerin Stephanie Pickering berichtet Jodi, dass sie einen Interessenten für Vics Haus habe, der bereit sei, mehr als den Marktwert dafür zu bezahlen. Aber als Jodi ihren Vater darauf anspricht, lehnt er den Gedanken an einen Verkauf des Hauses brüsk ab. Das komme für ihn nicht in Frage, erklärt er.

Vier Monate nach Audreys Tod heiratet der Witwer die Haushälterin Elyse Woodley in Niagara Falls. Jodi und Tracy erfahren es erst im Nachhinein – und sind entsetzt, Tracy weil sie um ihr Erbe fürchtet, Jodi, weil sie sich Sorgen darüber macht, dass es sich bei Elyse um eine Betrügerin handeln und ihr Vater in Gefahr sein könnte.

Jodi will nochmals Elyses Referenzen überprüfen. Als sie damals mit Ken Billings und Jack Robertson telefonierte, äußerten diese sich euphorisch über die Haushälterin. Weil beide Telefonnummern abgeschaltet sind, fährt Jodi zu den Billings. Angela Billings, deren im letzten Jahr an Krebs gestorbener Schwiegervater Thomas Billings von Elyse Woodley gepflegt worden war, beteuert, dass die Telefonnummer seit zwei Jahrzehnten unverändert sei. Die Haushälterin habe den alten Mann überredet, sein Testament zu ändern und dann 50.000 Dollar geerbt, behauptet sie. Susan Robertsons Mutter Alice Kernohan lebt inzwischen in einem Pflegeheim. Jodi kann nur mit dem Hausverwalter reden, und der berichtet, dass die Familie entsetzt gewesen sei, weil sich Elyse Woodley einen größeren Geldbetrag von der Greisin habe schenken lassen.

Jodi ahnt, dass sie vor der Einstellung der Haushälterin weder mit Ken Billings und Jack Robertson, sondern mit einem Komplizen telefonierte. Sie unterrichtet Tracy über ihre neuen Erkenntnisse, und die beiden wenden sich an Ronald Miller, den langjährigen Rechtsanwalt ihres Vaters. Dessen gleichnamiger Sohn, der ihn inzwischen abgelöst hat, erklärt ihnen, dass er nichts für sie tun könne, weil Victor Dundas noch immer ein Mandant der Kanzlei sei und er deshalb in einen Interessenkonflikt geraten würde.

Am selben Tag stellt Tracy fest, dass die Kreditkarte, die ihr der Vater zur Verfügung gestellt hat, gesperrt ist. Aufgebracht fährt sie mit Jodi zu ihm und stellt ihn zur Rede. Vic erklärt ihr ungerührt, Elyse und er seien zu der Auffassung gelangt, dass Tracy aus der sie infantilisierenden finanziellen Abhängigkeit befreit werden müsse. Zornig beschuldigt Tracy ihre Stiefmutter, eine Betrügerin zu sein und fordert ihre Schwester auf, zu berichten, was diese herausfand. Elyse bleibt ruhig und meint, Angela Billings habe sie nie leiden können und der Hausverwalter sei ihr gegenüber im Lift sexuell übergriffig geworden. Vic glaubt ihr und beschwert sich darüber, dass seine Töchter beim Rechtsanwalt waren. Ronald Miller rief ihn an, um ihn darüber zu informieren.


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Überraschungsgast

Kurz darauf ruft Elyse Jodi an, beteuert, sie wolle den Familienfrieden wiederherstellen und lädt beide Töchter zu einer Party ein. Auch der Rechtsanwalt Ronald Miller und dessen Ehefrau Rachel nehmen daran teil. Elyse stellt schließlich einen Überraschungsgast vor: ihren Sohn Andrew Woodley. Jodi starrt ihn verblüfft an, denn diesen Mann kennt sie unter dem Namen Roger McAdams, und mit dem war sie zweimal im Bett.

Es gelingt ihr, unter vier Augen mit ihm zu sprechen. Er zeigt ihr auf seinem Smartphone ein kompromittierendes Foto, das er im Hotelzimmer heimlich von ihr geknipst hat. Davon brauche Harrison nichts zu erfahren, meint er. Nur, wenn Jodi und ihre Schwester nicht aufhören würden, Elyse Schwierigkeiten zu machen, müsse er davon Gebrauch machen.

Fast ein Jahr nach Elyses Anstellung als Haushälterin erfährt Jodi von ihrer Kollegin Stephanie Pickering, dass ihr Vater das Haus nun doch verkaufen wolle – für fünfeinhalb Millionen Dollar.

Eine Woche vor Vics 80. Geburtstag erhält Jodi einen Anruf des Anwalts Ronald Miller. Nachdem er ihr eingeschärft hat, dass sie niemandem etwas von diesem Telefonat sagen dürfe, berichtet er, dass das Ehepaar Dundas bei ihm in der Kanzlei war. Victor wollte nicht nur sein Testament ändern, sondern seiner Frau auch eine Vertretungsvollmacht erteilen. Dabei machte er einen ausgezehrten, müden und verwirrten Eindruck. Der Rat des Anwalts, so schwer wiegende Schritte noch einmal zu überdenken, kam offenbar bei Elyse nicht gut an, und inzwischen hat Ronald Miller das Mandat an eine andere Kanzlei verloren.

Bei der Feier seines 80. Geburtstags erscheint Vic unrasiert und mit einer fleckigen Hose. Er hat mindestens fünf Kilogramm abgenommen, wirkt erschöpft und desorientiert.

Weinroter Himmel

Harrison beendet seinen neuen Roman – „Weinroter Himmel“ – und kündigt Jodi an, dass er erneut nach Prince Edward County fahren werde, diesmal zu einer Seminarreihe.

Jodi findet nicht nur verliebte Mails von Wren an ihn, sondern auch ein Selfie von einem gemeinsamen Frühstück der beiden im Bett.

Sie berichtet Tracy darüber und verschweigt auch ihren eigenen Seitensprung nicht. Weil Harrison seit Monaten eine Affäre mit einer Studentin hat, braucht Jodi sich vor der Enthüllung ihre eigenen nicht mehr zu fürchten. Der Erpressungsversuch ist dadurch wirkungslos geworden.

Stephanie Pickering erzählt Jodi stolz, dass sie deren Elternhaus praktisch verkauft habe. Der Vertragsabschluss soll innerhalb von 30 Tagen erfolgen.

Vic ruft Jodi nachts an und klagt, dass er das Haus nicht verkaufen wolle. Elyse bestehe jedoch darauf und verlange, dass er die Vertretungsvollmacht ebenso wie die Testamentsänderung endlich unterschreibt.

Zehn Tage später ruft Vic erneut an und bittet Jodi, ihm zu Hilfe zu kommen.

Die Haustür ist unverschlossen. Am Fuß der Treppe liegt Elyse mit verdrehtem Hals. Oben sitzt Vic im Pyjama und fragt, ob sie tot sei. Er habe sie gestoßen, gesteht er. Ihm sei nichts anderes übrig geblieben. Als er sie wegen der Medikamente, die sie ihm heimlich verabreicht hatte, zur Rede stellte, drohte sie, zur Polizei zu gehen und ihn als Mörder seiner Frau anzuzeigen. Dabei wäre er doch gar nicht fähig gewesen, Audrey allein zur Treppe zu tragen. Jodi ahnt, wer ihn dazu anstachelte und ihm dabei half.

Epilog

Zwei Jahre später.

Vic starb vor fünf Monaten in einem Pflegeheim an Pankreaskrebs. Am Tag danach kündigte Jodi bei Dundas Real Estate. Das Erbe ermöglicht es ihr, endlich Innenarchitektur zu studieren.

Sie und Harrison sind inzwischen geschieden. Er lebt jetzt mit Wren zusammen.

Andrew Woodley alias Roger McAdams ist spurlos verschwunden.

Während sich Harrison Bishops zweiter Roman schlecht verkauft, hat Tracy Dundas mit ihrem Debüt „Die Haushälterin“ auf Anhieb einen Bestseller geschafft.

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Es ist meine Schuld.
Ich war diejenige, die die Idee als Erste aufgeworfen hat, die sich dafür eingesetzt hat, die den Ball ins Rollen gebracht und letztendlich darauf bestanden hat, die Frau anzustellen.

Am Ende kann ich mir nur selbst die Schuld geben.
Ich bin diejenige, die sie hereingelassen hat.

Gleich zu Beginn ihres Romans „Die Haushälterin“ lässt uns Joy Fielding ahnen, dass die Einstellung der zweifachen Witwe Elyse Woodley als Betreuerin von Jodi Bishops schwerkranker Mutter und Haushaltshilfe für ihren 79-jährigen Vater ein verhängnisvoller Fehler ist.

Tracy behauptet, die Zeichen seien von Anfang an erkennbar gewesen, obwohl sie solche Bedenken damals nie geäußert hat. Sie sagt, was geschehen ist, verfüge über alle Elemente einer guten Kriminalgeschichte: das knarrende alte Haus, die betagte Invalidin und die scheinheilige Haushälterin, die für ihre Pflege engagiert worden war, die subtilen Indizien, falschen Fährten, die Leiche am Fuß der Treppe.

Mit ähnlichen Andeutungen und schließlich Indizien steigert Joy Fielding die Spannung. Ist Jodis Argwohn berechtigt, dass es sich bei der Haushälterin um eine heimtückische Erbschleicherin, vielleicht sogar Mörderin handeln könnte? Oder ist Jodi paranoid?

Einfallsreich inszeniert Joy Fielding in „Die Haushälterin“ eine farbige Geschichte mit überraschenden Wendungen. Die markant dargestellten Figuren sind nicht ganz frei von klischeehaften Zügen, aber sehr lebendig, und ihr Verhalten lässt sich gut nachvollziehen. Das gilt vor allem für die nachdenkliche Ich-Erzählerin Jodi Bishop mit ihren Selbstzweifeln, die im Nachhinein zu verstehen versucht, wie das Verhängnis seinen Lauf nehmen konnte.

Den Roman „Die Haushälterin“ von Joy Fielding gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Ulrike C. Tscharre.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2022
Textauszüge: © Wilhelm Goldmann Verlag

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