Hell

Hell

Hell

Originaltitel: Hell – Regie: Tim Fehlbaum – Drehbuch: Tim Fehlbaum, Thomas Wöbke, Oliver Kahl – Kamera: Markus Förderer, Tim Fehlbaum – Schnitt: Andreas Menn – Musik: Lorenz Dangel – Darsteller: Hannah Herzsprung, Stipe Erceg, Angela Winkler, Lisa Vicari, Lars Eidinger u.a. – 2011; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Durch eine Klimakatastrophe ist die Welt 2016 nahezu unbewohnbar geworden. Den wenigen Menschen, die noch leben, fällt es schwer, Wasser und Nahrung zu beschaffen. Phillip, Marie und Leonie sind in einem alten Auto unterwegs zu den Bergen im Norden, wo sie noch ein wenig Wasser vermuten. Als sie auf der Suche nach Benzinresten an einer verlassenen Tankstelle halten, stoßen sie auf den Mechaniker Tom, der sich ihnen anschließt. Auf einer Passstraße wird Leonie entführt und das Auto geraubt ...
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Kritik

"Hell" ist eine originelle Mischung aus dystopischer Science Fiction, Road Movie, Thriller und Backwood Horror. Mit einfachen Mitteln gelingt es Tim Fehlbaum, eine klar aufgebaute Geschichte stringent, schnörkellos und überzeugend zu erzählen.

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Durch eine Klimakatastrophe ist die Welt 2016 zur Wüste geworden. Der fehlende Regen ließ die Flüsse versiegen und die Seen austrocknen. Äcker und Felder verödeten, von Fauna und Flora ist kaum noch etwas übrig. Den wenigen Menschen, die noch leben, fällt es schwer, Wasser und Nahrung zu beschaffen. Im Freien können sie sich tagsüber nur aufhalten, wenn sie dunkle Brillen tragen und jeden Bereich der Haut bedecken, denn die Ozonschicht hat sich aufgelöst und die ultraviolette Strahlung der Sonne trifft ungefiltert auf die Erde.

Marie (Hannah Herzsprung) und ihre jüngere Schwester Leonie (Lisa Vicari) haben ihre Eltern verloren. Sie sind mit Phillip (Lars Eidinger) in einem alten Auto unterwegs zu den Bergen im Norden, wo sie noch ein wenig Wasser vermuten. Die Scheiben haben sie bis auf schmale Streifen an der Windschutzscheibe abgeklebt. Leonie kann Phillip nicht ausstehen, aber Marie weist sie darauf hin, dass sie ohne ihn und seinen Wagen kaum eine Chance hätten, die vielleicht rettenden Berge zu erreichen.

Auf ihrer Fahrt sehen sie keinen anderen Menschen. In der Hoffnung, Benzinreste zu finden, halten sie an einer verlassenen Tankstelle. Während Phillip mit einem Gefäß Treibstoff aus dem unterirdischen Tank schöpft, öffnet Leonie auf der Suche nach Wasser den Spülkasten der Toilette und schraubt die Zuleitung eines Heizkörpers auf. Den beiden Frauen fällt eine notdürftig eingerichtete Schlafstelle auf. Kurz darauf sehen sie durchs Fenster, wie jemand Proviant aus dem Kofferraum stiehlt. Schreiend machen sie Phillip darauf aufmerksam. Die Männer prügeln sich, aber als Phillip herausfindet, dass es sich bei dem Fremden um einen Kfz-Mechaniker handelt, schlägt er ihm vor, den in der Hitze brüchig gewordenen Keilriemen zu wechseln und sich der Gruppe dann anzuschließen. Der undurchschaubare Mitfahrer heißt Tom (Stipe Erceg).

Auf einer durch verbrannte Wälder führenden Passstraße bringt Phillip den Wagen im letzten Augenblick vor einem quer über die Straße liegenden Strommast zum Stehen. Mit dem Abschleppseil gelingt es ihnen, das Hindernis wegzuziehen. Ein Teil der Leitplanke wurde offenbar von einem Auto abgerissen, das nicht mehr rechtzeitig gebremst werden konnte und den Abhang hinunterstürzte. Die beiden Männer klettern hin, um in dem Wrack nach Brauchbarem zu suchen. Es sieht so aus, als seien die Insassen mit ihrem Wasser und Proviant zu Fuß weitergezogen. Allerdings ist noch Benzin im Tank. Während Marie einen leeren Kanister zum Wrack bringt, rauben einige Männer Phillips Auto und entführen Leonie.

Zu Fuß machen sich Marie, Tom und Phillip auf die Suche nach dem Mädchen. Nach einiger Zeit entdecken sie ein Feuer. Die Wegelagerer, die offenbar bewusst eine Straßensperre anlegten, haben ein Lager für sich und mehrere Gefangene aufgeschlagen. Als einer der Gefangenen flieht und verfolgt wird, sieht Tom eine Chance, Leonie zu befreien. Phillip hält das für aussichtslos, aber Tom zwingt ihn zum Mitmachen. Weil Phillip im entscheidenden Augenblick versagt, misslingt der Versuch und Tom wird von den Verbrechern überwältigt. Nur Marie und Phillip schaffen es, mit ihrem kurzgeschlossenen Auto wegzukommen.

Phillip, der sich beim Sprung ins Auto am Fuß verletzte, will Tom und Leonie aufgeben, aber Marie lässt ihre Schwester nicht im Stich. Sie packt ihren Rucksack und geht zurück. Schließlich folgt Phillip ihr. Wegen seiner Verletzung muss er allerdings in einem Eisenbahntunnel zurückbleiben, während Marie weitergeht.

Mit letzter Kraft erreicht sie eine kleine Kirche. Erschöpft legt sie sich auf den Fußboden und schläft ein.

Da taucht eine Bäuerin auf, weckt sie und reicht ihr eine Flasche Wasser. Nachdem Marie getrunken hat, erzählt sie Elisabeth (Angela Winkler) – so heißt die Frau –, dass sie und ihre Begleiter von einer Bande überfallen wurden. Elisabeth scheint von den Verbrechern gehört zu haben. Marie will unverzüglich weiter, aber Elisabeth überredet sie, sich bis zum Sonnenuntergang auf ihrem Bauernhof auszuruhen und verspricht ihr die Hilfe eines ihrer Söhne bei der Suche nach der Schwester. Er werde sich auch um den im Eisenbahntunnel wartenden Verletzten kümmern, sagt sie.

Elisabeth lebt auf dem Bauernhof zusammen mit ihren Söhne und einer Familie Brückner.

Marie wacht erst auf, als es bereits dunkel ist. Das Zimmer, in dem sie schlief, ist abgeschlossen. Durch das mit Brettern vernagelte Fenster sieht sie, dass Gefangene über den Hof gebracht werden. Da begreift sie, dass sie sich in der Gewalt der Verbrecherbande befindet und es sich bei der vermeintlichen Wohltäterin um deren Anführerin handelt.


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Elisabeth bringt Leonie zu ihrer Schwester und erklärt den beiden, man werde sie am Leben lassen. Die beiden gesunden jungen Frauen sollen nicht geschlachtet und verzehrt werden wie die übrigen Gefangen, sondern sich mit Elisabeths Söhnen paaren und Nachkommen gebären.

Als Elisabeth und Leonie allein in dem Zimmer im Obergeschoss sind, brechen sie zwei Bretter vom Fenster ab und knüpfen aus Vorhängen und Kleidungsstücken ein Seil. Aber bevor sie es zur Flucht benutzen können, taucht Micha (Yoann Blanc) auf, einer von Elisabeths Söhnen. Den jungen Frauen gelingt es, ihn niederzuschlagen. Leonie klettert aus dem Fenster. Nach ein paar Metern reißt das Behelfsseil, aber das Mädchen verletzt sich bei dem Sturz nicht ernsthaft. Marie fordert ihre Schwester auf, wegzulaufen.

Wegen des gerissenen Seils kann sie ihr nicht folgen. Sie zieht das Kleid an, das Elisabeth ihr hingelegt hat und geht durch die von Micha geöffnete Tür ins Treppenhaus. Im Parterre kommt Elisabeth ihr entgegen. Micha und Leonie kämen auch gleich herunter, lügt Marie und folgt der Bäuerin, die sich zu den anderen an den Tisch setzt, um zu essen. Den Anblick des Menschenfleisches erträgt Marie nicht lang. Sie springt auf und rennt los, wird aber gepackt und überwältigt.

Als sie wieder zu sich kommt, liegt sie gefesselt und geknebelt im Schlachtbereich. Hilflos muss sie zusehen, wie Philipp mit einem Bolzenschussgerät getötet wird. Danach gelingt es ihr, an das Springmesser in seiner Jacke zu kommen und die Fesseln durchzuschneiden. Sie läuft über den Hof und befreit die noch lebenden Gefangenen, darunter Tom.

Die Kannibalen verfolgen die Flüchtenden und töten einige von ihnen. Elisabeth und einer ihrer Söhne finden Leonie und fesseln sie. Marie kommt hinzu und tötet Elisabeth mit dem Bolzenschussgerät, das sie mitnahm. Während sich der Sohn über seine sterbende Mutter beugt, befreit Elisabeth ihre Schwester und rennt mit ihr weiter.

Einige Zeit später erreichen Marie, Leonie und Tom eine Felswand, über die ein wenig Quellwasser rinnt. Sie fangen es mit Tüchern auf und wringen diese über Gefäßen aus.

In der Hoffnung, eine bewohnbare Gegend zu finden, klettern sie bis zur höchsten Stelle hinauf. Von dort schauen sie ins nächste Tal. Aber dort entdecken sie auch keinerlei Vegetation.

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Trotz der Gefahren hält Marie mutig und unbeirrbar zu ihrer jüngeren Schwester Leonie. Ihre Gegenspielerin ist ebenfalls eine starke Frau: Elisabeth führt einen ganzen Clan an. Die Männer sind eher feig, egoistisch und unzuverlässig wie Phillip, versagen wie Tom oder stehen wie Elisabeths Söhne unter der Fuchtel einer Frau. Andere Gesellschaftsstrukturen als die des Familienclans oder kleiner Notgemeinschaften haben sich auf der verwüsteten und entvölkerten Erde aufgelöst. Mit dem Untergang der Zivilisation brechen die kulturellen Fassaden und moralischen Hemmungen zusammen. Einige Überlebende werden zu Kannibalen.

Der Titel „Hell“ ist im doppelten Sinne zu verstehen, als deutsches Adjektiv und als englisches Wort für Hölle.

Tim Fehlbaum beginnt die gelungene Mischung aus dystopischer Science Fiction, Road Movie, Thriller und Backwood Horror mit einer Szene über ein französisches Paar (Lilo Baur, Marco Calamandrei), das im Auto einen Abhang hinuntergestürzt ist. Der verletzte Fahrer klemmt im Wrack fest. Seine Begleiterin will ihm helfen, aber er hat erkannt, dass es sich bei dem Hindernis auf der Gebirgsstraße um eine Falle handelte und drängt die Frau zu fliehen. „Sie kommen!“, schreit er. Damit baut Tim Fehlbaum gleich zu Beginn eine Atmosphäre der Bedrohung auf, und wir ahnen, dass das verlassene Wrack im weiteren Handlungsverlauf noch eine verhängnisvolle Rolle spielen wird.

Weniger gelungen ist eine Szene in der verlassenen Tankstelle: Marie wundert sich über eine behelfsmäßig eingerichtete Schlafstelle, und weil das im Bild nicht deutlich erkennbar ist, muss sie es Leonie sagen. Nur so begreifen wir als Zuschauer, dass noch jemand im Gebäude ist und befürchten, dass von ihm eine Bedrohung ausgehen könnte. Wirkungsvoller wäre es ohne Worte.

Ansonsten verzichtet Tim Fehlbaum darauf, alles zu erklären. Statt sich damit aufzuhalten, die Klimakatastrophe auf Ursachen zurückzuführen, setzt er sie einfach voraus. Auch über das Vorleben der vor allem von Hannah Herzsprung und Angela Winkler überzeugend dargestellten Figuren erfahren wir kaum etwas. Umso mehr Zeit bleibt für eine differenzierte Darstellung ihrer Beziehungen. Gerade durch die Beschränkung gelingt es Tim Fehlbaum, die Handlung stringent und schnörkellos zu entwickeln. Der klare Aufbau wird nicht durch stilistische Spielereien zerstört. Dennoch ist „Hell“ auch stilistisch außergewöhnlich, denn das (durch Überbelichtungen erzeugte) gleißende Licht wirkt hier ähnlich bedrohlich wie dunkle Schatten in anderen Filmen. Mit einem Bruchteil der Gelder, die man in Hollywood für einen Endzeitthriller einsetzen würde, ist Tim Fehlbaum ein packender Film gelungen. Dass er mit einfachen aber originellen Mitteln eine große Wirkung erzielt, erinnert an „The Blair Witch Project“.

Das ist umso erstaunlicher, als es sich bei Tim Fehlbaum (* 1982) nicht um einen erfahrenen Filmregisseur handelt, sondern um einen Absolventen der Hochschule für Fernsehen und Film München. „Hell“ ist sein Abschlussfilm. Unterstützt wurde Tim Fehlbaum bei dem Projekt von Roland Emmerich (* 1955), der sich mit aufwändig gedrehten Katastrophenfilmen einen Namen gemacht hat.

Die abgebrannten Wälder, in denen ein Teil der Handlung spielt, fand Tim Fehlbaum übrigens auf Korsika.

Erstmals öffentlich zu sehen war „Hell“ am 28. Juni 2011 beim Filmfest München.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

 

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Julian Barnes überlässt in "Die einzige Geschichte" dem Protagonisten Paul das Wort. Der blickt als 70-Jähriger zurück auf die Beziehung mit Susan, die ein halbes Jahrhundert zuvor begann. Im ersten Teil verwendet er die Ich-Form, in der Mitte des Buches wechselt er zum Du, und im dritten Teil spricht er von sich in der dritten Person Singular, also noch distanzierter.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.