Germaine de Staël


Germaine de Staël beeindruckte Männer weniger mit ihrem Aussehen als durch Klugheit und Gewandtheit in der Argumentation. Ohne sich um das Gerede der Leute zu kümmern, wählte sie ihre Liebhaber aus den Reihen zahlreicher Bewunderer. August Wilhelm Schlegel war der exzentrischen Intellektuellen bis zur Selbstaufgabe ergeben. Napoleon hingegen hasste sie und verbannte seine einflussreiche Widersacherin, die sogar mit dem russischen Zaren gegen ihn konspirierte und mit dazu beitrug, dass sich eine übermächtige Allianz in Europa bildete, die ihn schließlich militärisch besiegte und politisch vernichtete.

Ttabellarische Biografie: Germaine de Staël


Germaine de Staël: »Ein Leben hemmungsloser Intensität«

Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. Elf Porträts
Piper Verlag, München 2013

Germaine de Staël reiste Anfang März 1804 von Weimar über Leipzig nach Berlin, wo Königin Luise am 10. März ihren 28. Geburtstag feierte. Zu dem aus diesem Anlass veranstalteten Ball wurde sie als Ehrengast eingeladen, und vier Tage später saß sie bei einem Kostümfest am Tisch der preußischen Königin. Zu einem Eklat kam es, als Germaines sechsjährige Tochter Albertine den zwei Jahre älteren Kronprinzen Friedrich Wilhelm ohrfeigte. König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise nahmen die Ungehörigkeit jedoch nicht weiter ernst.

In einer Gesellschaft wurde ihr Johann Gottlieb Fichte vorgestellt, einer der bedeutendsten Vertreter des Idealismus, über dessen Grundzüge Madame de Staël in Weimar von einem jungen in Jena studierenden Engländer unterrichtet worden war, dem gegenüber sie geprahlt hatte: »Ich verstehe alles, was verdient, verstanden zu werden; was ich nicht verstehe, bedeutet auch nichts.« Ohne auf Fichtes Schwierigkeiten mit der französischen Sprache Rücksicht zu nehmen,

Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. © Piper Verlag 2013

forderte sie ihn auf, ihr kurz seine philosophischen Ansichten zu erläutern. Nach gerade mal zehn Minuten verlor sie die Geduld. »Ah! Das reicht, ich verstehe, ich verstehe Sie sehr gut, Monsieur Fischt.«

Die berühmte Salonière Henriette Herz erinnerte sich später an Germaine de Staëls Besuch in Berlin: »Es ist nicht möglich, sich eine lebendigere und geistreichere Unterhaltung zu denken als die ihre. Allerdings […] wurde man von ihr fast bis zum Übermaß mit Geistesblitzen überschüttet. Und nicht minder lebhaft als im Antworten war sie im Fragen, ja ihre Fragen folgten einander mit solcher Schnelligkeit, dass es kaum möglich war, ihr genügend zu entgegnen. Ihr unersättlicher Durst nach Vermehrung ihrer Kenntnisse ließ ihr keine Ruhe, aber ihre Sucht, den subtilsten Geist welcher aus den Tiefen der Wissenschaft aufsteigt im Fluge von der Oberfläche wegzuhaschen, war schon bei ihrer Anwesenheit in Berlin Gegenstand leichten Spottes.« Rahel Varnhagen fügte hinzu: »Verstand hat sie genug, aber keine horchende Seele; nie ist es still in ihr.« Das bestätigte auch Wilhelm von Humboldt: »Sie hat keine Stille im Gemüt.«

Leseprobe aus Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. Elf Porträts

© Piper Verlag, München 2013
Quellenangaben und Fußnoten wurden in dieser Leseprobe weggelassen,
sind jedoch im Buch zu finden.

Germaine de Staël (tabellarische Biografie)

Doris Lessing - Das fünfte Kind
In dem Familiendrama "Das fünfte Kind" entwickelt Doris Lessing ein auswegloses Horrorszenario mit einem Kind, das ältere Schichten der Menschheitsgeschichte zu personifizieren scheint.
Das fünfte Kind

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.