Hotel
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Inhaltsangabe
Kritik
Irene (Franziska Weisz) kommt als neue Rezeptionistin in das Hotel „Waldhaus“ irgendwo in der österreichischen Provinz. Es handelt sich um ihre erste Stelle nach der Schule. Weil ihr Elternhaus zu weit entfernt ist, stellt man ihr im Hotel ein kleines Zimmer zur Verfügung. In dem hierarchisch strukturierten Betrieb bekommt Irene zwar ihre Aufgaben zugewiesen, aber sie bleibt einsam und kann nur hin und wieder während der Spätschicht kurz mit ihrer Mutter telefonieren. Wenn Kollegen nachts feiern, geht Irene im Nachthemd hin und bittet darum, die Musik leiser zu drehen, damit sie schlafen kann. Statt sich anderen anzuschließen, erbittet sich Irene die Erlaubnis, das Schwimmbad in den Zeiten benutzen zu dürfen, in denen es für die Hotelgäste geschlossen ist.
Als sie einmal nach dem Schwimmen in die Umkleidekabine zurückkommt, liegt ihre Brille zerbrochen auf dem gekachelten Boden und die abgelegte Halskette – eine Silberkette mit einem Kreuz, das Irene wie ein Amulett trägt – ist nicht mehr da. Statt der kaputten Brille setzt Irene die Brille auf, die sie in einer Schublade ihres Zimmers fand: Sie stammt offenbar von ihrer Vorgängerin Eva, die spurlos verschwunden sein soll. Den Diebstahl der Kette meldet sie der Direktorin, Frau Maschek (Marlene Streeruwitz), die das Personal bei der nächsten Dienstbesprechung ermahnt, für die Rückgabe der gestohlenen Kette zu sorgen. Tatsächlich taucht der Schmuck kurze Zeit später wieder auf, aber Irene erfährt nicht, wo er in der Zwischenzeit war.
Ihre Kollegin Petra (Birgit Minichmayr) zeigt ihr den durch den Wald führenden Weg zur Dorfdisko, wo Irene mit einem jungen Mann namens Erik (Christopher Schärf) tanzt. An einem der nächsten Tage gehen Irene und Erik im Wald spazieren und wagen sich auch in die Grotte der Waldhexe hinein, die hier im 16. Jahrhundert verbrannt wurde. Auf einer Informationstafel liest Irene, dass eine Gruppe Jugendlicher, die in der Grotte übernachten wollte, nie wieder aufgetaucht sei. Verbotenerweise nimmt Irene Erik einmal mit in ihr Zimmer. Als er mitten in der Nacht aufsteht und sich anzieht, drückt er versehentlich auf den Alarmknopf und löst einen Skandal aus.
Petra würde sich gern die Halskette ausleihen, aber Irene gibt sie nicht her. Deshalb schmollt Petra. Einige Zeit später, als Irene sie bittet, den Dienst mit ihr zu tauschen, erklärt sie sich nur damit einverstanden, wenn sie die Kette tragen darf. Irene zögert, sie abzunehmen, doch weil sie es hier nicht mehr aushält und unbedingt einmal für ein Wochenende nach Hause fahren möchte, bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Bedingung zu erfüllen.
Sie hat Petra vorgelogen, ihre Mutter sei krank („irgendetwas im Unterleib“). Der Besuch kommt ihrer überhaupt nicht kranken Mutter an diesem Wochenende ungelegen, aber Irene erklärt ihr, sie könne ihn nicht verschieben.
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In der Nachtschicht vor dem Wochenende hat Irene wie üblich allein Dienst. Zu ihren Pflichten gehört ein Kontrollgang durch die Kellerräume und zum Lieferanteneingang. Im Freien davor raucht Irene jedes Mal eine Zigarette. Kürzlich wunderte sie sich, wie die Tür hinter ihrem Rücken hatte zufallen können. Diesmal findet sie die Tür sogar abgeschlossen vor und kommt nicht mehr ins Gebäude. Da dreht sie sich um und verschwindet im finsteren Wald.
Kurz darauf empfängt der Hotelmanager (Peter Strauß) eine junge Dame (Martina Pöltl), die sich für die vakante Stelle an der Rezeption beworben hat.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Gesprochen wird in „Hotel“ nicht viel. Die Kommunikation des Hotelpersonals beschränkt sich auf das Notwendige und gegenüber Gästen auf Höflichkeitsfloskeln. Das funktional eingerichtete Hotel symbolisiert die Beziehungslosigkeit der Menschen und die Hohlheit ihrer Umgangsformen. Irene ist einsam und isoliert. Dazu passt ihre strenge Frisur. Als sie ihr Haar löst und mit Erik schläft, kommt es zum Skandal. Der Wald, der das Hotel umgibt, wird von dem jungen Mädchen gleichermaßen als Bedrohung und Verlockung empfunden, und beim Eingang der Waldhexen-Grotte denkt man an eine Vagina. Das Verschwinden aus dem Hotel in den Wald könnte auch so etwas wie eine Befreiung bedeuten und damit zu tun haben, dass eine junge Frau sich auf das Abenteuer des Lebens einlässt.
Die österreichische Regisseurin Jessica Hausner spielt zwar in „Hotel“ – ihrem zweiten Kinofilm nach „Lovely Rita“ (2001) – mit Klischees wie dem dunklen Wald, in dem Gestrüpp fehlende Ordnung symbolisiert, aber ihr Film ist ganz und gar unkonventionell, und sie lässt die Erwartungen der Zuschauer immer wieder ins Leere laufen. „Hotel“ ist unheimlich und beklemmend, aber Jessica Hausner verzichtet auf Schockeffekte: Sie inszeniert den Grusel nicht als etwas Kreischendes, sondern versteckt ihn im Nüchternen und Alltäglichen, etwa wenn Irene ihren Kontrollgang macht und dabei immer ein paar Schritte im Dunkeln geht, bis das Neonlicht in dem entsprechenden Abschnitt des Korridors aufflackert. Oder wenn wir sie von hinten im Dunkeln verschwinden sehen. Unheimlich ist das Hotel auch, weil wir es nur ein- oder zweimal als bedrohliche Kulisse von außen sehen und die Handlung ansonsten nur an immer wiederkehrenden Orten spielt, über deren räumliche Anordnung wir nichts erfahren: Rezeption, Aufzug, Keller, Treppe, Schwimmbad, Büro, Personalzimmer, Wald, Grotte und Dorfdisko sind immer nur isoliert zu sehen.
Musik gibt es nur in der Disko, aus dem Kasettenrekorder und – technisch gestört – aus dem Lautsprecher in der Aufzugskabine. Dafür sind die Geräusche überdeutlich zu hören, und häufig handelt es sich dabei um schrillen, alarmierenden Lärm. Ebenso markant setzt Jessica Hausner Licht und Schatten ein. Die Kamera ist oft schon eingestellt, bevor Irene ins Bild kommt; Martin Gschlacht filmt viele Szenen ohne Zoom, Schwenk oder Schnitt und lässt die Kamera noch eine Weile laufen, nachdem Irene bereits wieder verschwunden ist.
Die Rolle der Hoteldirektorin wird übrigens von der Schriftstellerin Marlene Streeruwitz gespielt („Verführungen“, „Nachwelt“).
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008