Tote schlafen fest

Tote schlafen fest

Tote schlafen fest

Tote schlafen fest - Originaltitel: The Big Sleep - Regie: Howard Hawks - Buch: William Faulkner, Leigh Brackett und Jules Furthman, nach dem Roman "The Big Sleep" von Raymond Chandler - Kamera: Sidney Hickox - Schnitt: Christian Nyby - Musik: Max Steiner - Darsteller: Humphrey Bogart, Lauren Bacall, John Ridgely, Martha Vickers, Dorothy Malone, Peggy Knudsen, Regis Toomey, Charles Waldron, Charles D. Brown, Bob Steele, Elisha Cook jr., Louis Jean Heydt u.a. - 1946; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Der Privatdetektiv Philip Marlowe wird von General Sternwood beauftragt, einen Erpressungsversuch abzuwehren. Der Erpresser wird kurze Zeit später erschossen, als er ein Nacktfoto von Carmen, der jüngeren Tochter Sternwoods, macht. Mit dem Foto versucht dann jemand anderes, Carmens ältere Schwester Vivian zu erpressen. – Immer tiefer gerät Philip Marlowe in ein Labyrinth krimineller Machenschaften ...

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Kritik

"Tote schlafen fest" ist ein spannender, unterhaltsamer Klassiker des film noir. Howard Hawks setzte auf die düstere Atmosphäre, die Wirkung der Bilder, effektvolle Dialoge und das erotische Knistern zwischen Humphrey Bogart und Lauren Bacall.
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Der Privatdetektiv Philip Marlowe (Humphrey Bogart) wird zu dem alten, gelähmten General Sternwood (Charles Waldron) gerufen, der sich in die Wärme seines Gewächshauses zurückgezogen hat und von seinem Butler Norris (Charles D. Brown) versorgt wird. Der schwer kranke Witwer hat zwei erwachsene Töchter: Vivian (Lauren Bacall) und Carmen (Martha Vickers). Seit Vivians Ehe gescheitert ist, lebt auch sie wieder bei ihm. Vivian Rutledge ist eine kluge Frau, aber ihrer jüngere Schwester Carmen verhält sich infantil und nymphomanisch. General Sternwood hat gerade ein ganzes Päckchen mit von Carmen unterschriebenen Schuldscheinen von einem Buchhändler namens Arthur Gwynn Geiger (Theodore von Eltz) geschickt bekommen. Angeblich handelt es sich um Spielschulden, aber es sieht eher nach einem Erpressungsversuch aus. Marlowe soll sich darum kümmern.

Vivian versucht herauszufinden, welchen Auftrag Philip Marlowe von ihrem Vater erhalten hat. Soll er Shawn Regan suchen, einen Angestellten, den ihr Vater wie einen Sohn behandelt hatte, der jedoch vor einem Monat verschwand, ohne sich zu verabschieden und mit Mona (Peggy Knudsen) zusammen sein soll, der Ehefrau des zwielichtigen Spielkasino-Besitzers Eddie Mars (John Ridgely)? Marlowe fühlt sich von der schönen und intelligenten Frau angezogen – ohne ihr deshalb etwas zu verraten.

Zunächst sucht er die Buchhandlung Geiger auf und benimmt sich dabei wie ein schusseliger Professor. Als er die Angestellte, die ihn bedient, nach zwei nicht existierenden Editionen fragt, stellt er fest, dass sie von Büchern nichts versteht. Während er mit ihr spricht, kommt ein Mann herein und schleicht sich wortlos durch den Laden in einen Nebenraum, wo es pornografische Hefte zu kaufen gibt. Marlowe behauptet, gleich einen Vortrag über argentinische Keramik halten zu müssen und verlässt das Geschäft. Er überquert allerdings nur die Straße und betritt auf der anderen Seite eine zweite Buchhandlung. Während er wartet, bis Geiger von seinem Chauffeur Carl Lundgren (Tommy Rafferty) abgeholt wird, leistet ihm die charmante Buchhändlerin (Dorothy Malone) Gesellschaft …

Marlowe folgt dem Wagen zu Geigers Haus und bleibt davor in seinem Auto sitzen. Bald darauf kommt ein weiteres Fahrzeug. In dem Haus fällt ein Schuss. Zwei Männer laufen heraus und fahren nacheinander weg. Marlowe dringt in das Haus ein. Ein Toter liegt auf dem Boden: Arthur G. Geiger. Und Carmen Sternwood sitzt volltrunken kichernd herum. Marlowe stößt auf eine versteckte Kamera, aber der Film wurde bereits herausgenommen. Er bringt Carmen zu ihrer Schwester und kehrt dann nochmals in Geigers Haus zurück, wo er sich darüber wundert, dass die Leiche inzwischen verschwunden ist.

Um 2 Uhr nachts taucht Chief Inspector Bernie Ohls (Regis Toomey) von der Mordkommission bei seinem Freund Philip Marlowe auf. Die Polizei hat einen den Sternwoods gehörenden Wagen aus dem Wasser gezogen und darin den Chauffeur Owen Taylor (Dan Wallace) mit gebrochenem Genick gefunden.

Am nächsten Morgen kommt Vivian zu Marlowe ins Büro. Soeben erhielt sie mit der Post ein Nacktfoto ihrer Schwester und soll nun 5000 Dollar für das Negativ bezahlen. Das Foto sei nicht nur nur kompromittierend, sondern beweise auch Carmens Verwicklung in einen Mordfall, heißt es. Vergeblich bemüht Vivian sich, von Marlowe herauszubekommen, was er darüber weiß.

Noch einmal fährt Marlowe zu Geigers Haus – und trifft dort erneut Carmen an, die wohl nach dem Foto sucht. Kurz nachdem sie das Haus betreten haben, fährt Eddie Mars mit zwei Leibwächtern vor. Das Anwesen gehöre ihm, teilt er Marlowe mit, Geiger habe es von ihm gemietet.

Abends ruft Vivian bei Marlowe an und behauptet, die Erpresser hätten sich nicht mehr gemeldet. Der Privatdetektiv glaubt ihr nicht und überrascht sie in einem Apartment mit einem Mann namens Joe Brody (Louis Jean Heydt) und der Angestellten aus Geigers Buchhandlung: Agnes Lowzier (Sonia Darrin). Die beiden versuchten, Vivian zu erpressen. Plötzlich steht Carmen mit einer Pistole in der Tür und verlangt das Negativ des Nacktfotos. Marlowe bringt Brody dazu, zu erzählen, was geschehen ist: An dem Abend, als Marlowe Geiger zu dessen Haus gefolgt war, hatte auch Brody den Buchhändler observiert. Dabei bekam er mit, wie Geiger Carmen heimlich fotografierte und dann von Owen Taylor erschossen wurde. Brody verfolgte Taylor, hielt ihn unterwegs an, indem er sich als Polizist ausgab, schlug ihn nieder, nahm ihm den Film ab und ließ ihn bewusstlos in seinem Auto sitzen. – Es läutet. Brody öffnet die Wohnungstür einen Spalt und wird sofort erschossen. Marlowe verfolgt den Mörder und stellt ihn. Es ist Carl Lundgren. „Sie haben den Falschen erschossen“, erklärt Marlowe. „Joe Brody hat Geiger nicht erschossen.“ Lundgren wird verhaftet.

Vivian überreicht Marlowe einen Scheck und meint, der Fall sei jetzt abgeschlossen: Geiger ist tot, und der zweite Erpressungsversuch durch Joe Brody und Agnes Lowzier schlug fehl. Zuerst behauptet Vivian, im Auftrag ihres Vaters zu handeln, aber als Marlowe das bezweifelt, gibt sie zu, den Scheck eigenmächtig ausgestellt zu haben. Warum ist Vivian Rutledge so daran interessiert, dass er sich nicht weiter mit dem Fall beschäftigt, fragt Marlowe sich.

Auf gut Glück verabredet er sich mit Eddie Mars im Spielcasino und erlebt bei dieser Gelegenheit, wie Vivian beim Roulette sehr viel Geld gewinnt. Bevor sie das Casino verlässt, versteckt er sich auf dem Parkplatz. Ein Angestellter kommt heraus und duckt sich ebenfalls hinter eines der geparkten Autos. Als Vivian zu ihrem Wagen geht, raubt der Mann ihr mit vorgehaltener Pistole die Handtasche, aber Marlowe schlägt ihn nieder und gibt Vivian die Tasche zurück. Deren Inhalt will sie ihm nicht zeigen, aber er hat bereits durchschaut, dass die Sache mit dem Spielgewinn zwischen ihr und Mars ein Bluff war. Es sollte ihn von dem Verdacht ablenken, Eddie Mars könne die Tochter des Generals aus irgendeinem Grund in der Hand haben.

Angeblich wurde Shawn Regan in Mexiko gesehen, und Vivian will sofort hinreisen. Marlowe glaubt ihr kein Wort.

Auf der Straße schlagen ihn drei Männer brutal zusammen und warnen ihn vor weiteren Nachforschungen. Ein Mann mit Namen Harry Jones (Elisha Cook jr.), der Marlowe bereits einige Zeit gefolgt war, aber nicht in die Schlägerei eingegriffen hatte, hilft ihm hoch. Jones hat sich mit Agnes Lowzier zusammengetan und verlangt 200 Dollar für die Auskunft, wo Mona Mars zu finden ist, die Frau des Spielkasino-Besitzers, die mit Shawn Regan durchgebrannt sein soll.

Als Marlowe mit dem Geld zum Treffpunkt kommt, beobachtet er aus einem Nebenraum, wie Eddie Mars‘ Handlanger Canino (Bob Steele) aus Jones herauszuprügeln versucht, wo er Agnes finden kann, und ihn dann zwingt, ein Glas Wasser mit einem schnell wirkenden Gift zu trinken.

Sobald Canino fort ist, lässt Marlowe sich mit der von Harry Jones genannten Adresse verbinden, um Agnes zu warnen, aber Jones hat Canino offenbar in die Irre geleitet. Gleich darauf ruft Agnes an, um zu erfahren, ob Jones die 200 Dollar bekommen hat. Marlowe berichtet ihr kurz, was passiert ist und erfährt nun von Agnes, wo er Mona Mars finden kann.

Es handelt sich um eine heruntergekommene Autowerkstatt. Marlowe täuscht einen Reifenschaden vor und hämmert gegen die verschlossene Tür. In der Werkstatt trifft er auf Canino und einen anderen Mann namens Art Huck (Trevor Bardette). Die beiden überwältigen und fesseln Marlowe. Nicht nur Mona Mars ist hier, sondern auch Vivian Rutledge! Vivian schneidet Marlowes Fesseln durch, aber wo der Schlüssel für die Handschellen ist, weiß sie nicht. Während sie die Gangster ablenkt, läuft Marlowe unbemerkt zu seinem Auto und holt trotz der Handschellen eine Pistole aus einem Geheimfach. Huck flieht. Canino schiebt Vivian als Geisel vor sich her, aber es gelingt ihr, ihn zu täuschen, sodass Marlowe ihn erschießen kann. Bei der Leiche findet er den Schlüssel für die Handschellen.

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Marlowe fährt mit Vivian zu Geigers Haus und telefoniert von dort mit Eddie Mars, informiert ihn über den Tod seines Handlangers Canino, tut so, als befinde er sich noch in der Werkstatt und verabredet sich mit ihm in Geigers Haus. Zehn Minuten später beobachten Marlowe und Vivian, wie Mars mit drei Leibwächtern eintrifft. Während die Komplizen sich im Freien verstecken, kommt er ins Haus – und trifft dort zu seiner Überraschung auf den bereits anwesenden Privatdetektiv, der ihn mit vorgehaltener Waffe zwingt, die Arme hochzunehmen. Marlowe ahnt, was Mars plante: Der Verbrecher wollte ihn bedrohen und dazu bringen, aus dem Haus zu flüchten. Draußen wäre er dann von den Bodyguards erschossen worden. Deshalb fängt er an, auf Mars‘ Beine zu schießen, immer knapp vorbei, bis dieser vor Angst zur Tür rennt, sie aufreißt, schreit: „Ich bin’s!“ – und im selben Augenblick von den Kugeln seiner eigenen Leute getötet wird.

Carmen hatte Shawn Regan geliebt. Als sie merkte, dass er sie mit Mona Mars betrog, ermordete sie ihn. Eddie Mars, der es herausfand, erpresste Vivian mit der Drohung, ihre Schwester anzuzeigen. Philip Marlowe hofft, dass Carmen in einer psychiatrischen Klinik geheilt werden kann.

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Bei der Verfilmung des 1930 veröffentlichten Romans „The Big Sleep“ (deutsch: „Der große Schlaf“, 1974) von Raymond Chandler (1888 – 1959) wich Howard Hawks mehrfach von der literarischen Vorlage ab, aber die düstere Stimmung übernahm er voll und ganz. So ist es nicht zuletzt die dichte Atmosphäre, die den Film „Tote schlafen fest“ auszeichnet.

Nach dem Erfolg mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall in „Haben und Nichthaben“ setzte Howard Hawks auf das Traumpaar und verstärkte die erotische Wirkung des von Humphrey Bogart gespielten Privatdetektivs zum Beispiel durch die im Roman von Raymond Chandler nicht vorkommende Szene, in der Philip Marlowe eine Stunde bei einer Buchhändlerin verbringt, die eigens ihren Laden schließt, damit sie ungestört bleiben. Sie, eine Bibliothekarin und eine Taxifahrerin, Carmen und besonders Vivian fühlen sich von dem einsamen Wolf betört, der sich fortwährend ans Ohrläppchen fasst. Dabei handelt es sich bei Marlowe keineswegs um einen strahlenden Helden, sondern um einen lakonischen Einzelgänger, der spaßeshalber von sich behauptet, Blondinen in Flaschen zu sammeln. Raymond Chandler hatte sich Cary Grant in der Rolle Philip Marlowes gewünscht, aber Howard Hawks entschied sich für Humphrey Bogart, der einmal von sich sagte: „Ich bin nicht attraktiv, aber ich habe Charakter im Gesicht – was mich sehr viel Whisky gekostet hat.“

Einer Anekdote zufolge soll Humphrey Bogart den Regisseur bei der Uraufführung am 23. August 1946 gefragt haben, wer denn nun eigentlich wen ermordete. Howard Hawks wusste es nicht und erkundigte sich beim Romanautor, aber Raymond Chandler konnte sich nicht mehr daran erinnern. Tatsächlich ist die Handlung verwirrend, und Howard Hawks verzichtet darauf, jedes Detail aufzuklären. (Wer hat zum Beispiel Owen Taylor mit seinem Wagen ins Wasser geschoben?) In einer vorläufigen Version des Films war noch eine Sequenz mit Erläuterungen zu den sechs Morden und drei Erpressungen vorgesehen, aber Howard Hawks verzichtete am Ende darauf. Stattdessen setzte er auf die Atmosphäre, die Wirkung der Bilder, effektvolle Dialoge und das Knistern zwischen Philip Marlowe und Vivian Rutledge. Die Holprigkeiten fallen kaum ins Gewicht, weil die Geschichte aus der subjektiven Perspektive des Privatdetektivs Marlowe erzählt wird, der in dem Labyrinth der kriminellen Machenschaften mitunter auch die Übersicht zu verlieren droht.

„Tote schlafen fest“ ist ein spannender, unterhaltsamer Klassiker des film noir.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

Raymond Chandler: Der große Schlaf

Howard Hawks: Leoparden küsst man nicht
Howard Hawks: Haben und Nichthaben
Howard Hawks: Red River
Howard Hawks: Blondinen bevorzugt
Howard Hawks: Rio Bravo

Wolf Haas - Das ewige Leben
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