Helen, Fred und Ted

Helen, Fred und Ted

Helen, Fred und Ted

Originaltitel: Helen, Fred und Ted – Regie: Sherry Hormann – Drehbuch: Gabriela Sperl, Kathrin Richter – Kamera: Hanno Lentz – Schnitt: Clara Fabry – Musik: Sefan Hansen, Dirk Reichardt, Max Berghaus – Darsteller: Friedrich von Thun, Christian Berkel, Andrea Sawatzki, Gisela Schneeberger, Corinna Harfouch, Nina Kronjäger, Laura Sonntag, Johannes Silberschneider, Julia Schmalbrock, Astrid Meyerfeldt, Thorsten Merten, August Zirner, Charly Hübner, Jürgen Tonkel, Hans Kremer, Lukas Eichhammer, Ferenc Graefe u.a. - 2006; 180 Minuten

Inhaltsangabe

Der Psychotherapeut Prof. Dr. Fred Czerny will sich zur Ruhe setzen und überlässt seine Praxis einem Jüngeren: Ted Fröhlich. Traudel Nitsche, die seit 30 Jahren als Sekretärin in der Praxis arbeitet, muss sich erst an den neuen Chef gewöhnen. Bevor ihr das gelungen ist, taucht Dr. Helen Cordes auf, eine Psychiaterin, die ihre Klinikanstellung aus Protest gegen Behandlungen mit Psychopharmaka gekündigt hat und nun Teds Räume mit benutzt. Fred ändert schließlich seine Pläne und kehrt in die Praxis zurück ...
mehr erfahren

Kritik

Ganz undramatisch, aber mit einem Gespür für Komik wird in "Helen, Fred und Ted" von verdrängten Ängsten, unerfüllten Träumen, Familienkonflikten und den daraus entstandenen neurotischen Verhaltensweisen erzählt.
mehr erfahren

Helen, Fred und Ted. (1) Was ist schon normal

Seit sieben Jahren ist Biggi Schwarz (Corinna Harfouch) Patientin bei dem Münchner Psychoanalytiker Prof. Dr. Frederick („Fred“) Czerny (Friedrich von Thun). Eines Tages überrascht er sie mit der Feststellung, sie sei austherapiert. Das versetzt sie in Angst, denn sie geht seit fünfzehn Jahren regelmäßig zur Psychotherapie und kann sich gar nicht mehr vorstellen, wie sie ohne die regelmäßigen Therapiestunden leben sollte. Fred geht jedoch in den Ruhestand und hat deshalb bereits einen jüngeren Psychologen aus Frankfurt am Main als Partner gewonnen: Eduard („Ted“) Fröhlich (Christian Berkel).

Biggi bleibt nichts anderes übrig, als Traudel Nitsche (Gisela Schneeberger), die seit dreißig Jahren als Sekretärin in der Praxis arbeitet, um einen Termin für Ted Fröhlich zu bitten. Der konfrontiert sie in der ersten Stunde mit der Aufforderung, sich neue Fragen auszudenken, wenn sie nicht immer wieder die gleichen Antworten bekommen wolle. Die Erkenntnis, selbst jede Veränderung verhindert zu haben, lässt Biggi noch nicht an sich heran; deshalb wirft sie Ted die 80 Euro für die Stunde aufgebracht hin und verlässt weinend die Praxis.

Endlich hat Fred Zeit für sich selbst und seine Freundin Lilo Hillebrand (Astrid Meyerfeldt). Aber er ist unruhig, weiß nicht recht, was er sonst tun soll und besorgt sich deshalb einen Hund.

Auf einer Hundeausstellung lernen Fred und Ted Dr. Helen Cordes (Andrea Sawatzki) kennen.

Die allein erziehende Mutter von zwei halbwüchsigen Töchtern arbeitet als Fachärztin in einer psychiatrischen Klinik und gerät dort immer häufiger mit ihrem Chef und Geliebten Heiner Sauer (Thorsten Merten) in Streit, weil sie Behandlungen mit Psychopharmaka nach Möglichkeit vermeiden will. Als das Ehepaar Bäumer seine magersüchtige Tochter Lilly (Julia Schmalbrock) besucht, konstatiert Helen unumwunden, das Mädchen brauche keine psychiatrische Behandlung; stattdessen müsse die ganze Familie sich in einer Psychotherapie unterziehen, um die Ursachen für Lillys Magersucht herauszufinden. Wegen dieser „Überforderung der Eltern“ wird Helen von Heiner scharf kritisiert. Daraufhin kündigt sie.

Ted bringt Traudel Nitsche dazu, ihre Gefühle zu äußern: Die penible Frau, die außer ihrem Wellensittich niemanden hat, dem sie etwas sagen kann, ist frustriert darüber, dass Fred nach dreißig Jahren Zusammenarbeit zum Abschied nicht einmal ein Glas Wein mit ihr trinken will, geschweige denn, dass er sie zum Essen einlädt und sich bei ihr bedankt. Das Menschliche sei dabei zu kurz gekommen, meint sie. Ted fordert sie auf, Fred zu spielen, und in dieser Rolle versteht sie den Professor, der seit fünfzehn Jahren aufhören möchte, aber nicht loslassen kann und deshalb den Abschied wie der Teufel das Weihwasser meidet.

Tatsächlich schaut Fred jeden Tag in der Praxis vorbei. Er teilt sich mit seinem Partner die Therapie von Beate Christensen (Nina Kronjäger), die unter Migräne leidet und ihrem dreizehnjährigen Sohn Konstantin (Lukas Eichhammer), der wieder angefangen hat, sein Bett einzunässen. Ted lässt Konstantin Stühle aufstellen, auf denen in der Vorstellung die Familienmitglieder sitzen: Vater, Mutter , Konstantin und dessen sechs Jahre älterer Bruder David. Auf diese Weise verhilft er Konstantin zu der Erkenntnis, dass der Junge seine von den Familienkonflikten überforderte Mutter unterstützen wolle, aber dazu nicht in der Lage sei, und das – so erklärt Ted – sei völlig normal, denn kein Dreizehnjähriger könne diese Aufgabe erfüllen. Währenddessen beschäftigt Fred sich nebenan mit Konstantins Mutter, die ihn immer wieder an seine geschiedene Frau erinnert, die er zuletzt mehrmals mit einem jüngeren Mann gesehen hat. Das irritiert ihn so, dass er der Patientin brutal erklärt, ihre Migräne sei ein Symptom sexueller Frustration; der Orgasmus finde bei ihr gewissermaßen im Kopf statt. Der Schock versetzt Beate Christensen in die Lage, erstmals mit ihrem Mann darüber zu sprechen, dass sie seit einem Jahr keinen Sex mehr hatten. Berthold Christensen (Jürgen Tonkel) hat sich vom Automechaniker zum Besitzer eines Autohandelshauses hochgearbeitet, aber die Geschäfte laufen schlecht, und er hat Existenzsorgen. Deshalb ahnt er auch nicht, dass Konstantin Bettnässer ist und David jede Woche mit bis zu vier verschiedenen Mädchen schläft. Und für Sexspiele mit seiner Frau ist er zu erschöpft.

Unerwartet bekommt Ted Besuch von seiner Freundin Marie aus Frankfurt. Sie hat mit seinem Vater telefoniert und ihm erzählt, dass Ted jetzt eine Praxis in München habe, aber der alte Herr meinte, sein Sohn werde es nie zu etwas bringen, weil ihm der Ehrgeiz fehle.

Helen, Fred und Ted. (2) Drei ist einer zuviel

Nachdem Frau Bäumer bereit ist, mit ihrer magersüchtigen Tochter Lilly zur Psychotherapie zu kommen, überredet Helen Ted, ihr dafür einen Praxisraum zur Verfügung zu stellen. Lillys Vater ist inzwischen mit einer anderen Frau zusammen. Das Mädchen leidet darunter, dass es seiner Mutter nichts recht machen kann. Tatsächlich projiziert Frau Bäumer ihre nicht realisierten Träume auf Lilly und ist frustriert, weil ihre Tochter andere Vorstellunen hat. Sie wisse genau, was Lilly wolle, behauptet sie. Als Helen versucht, ihr die Augen zu öffnen, läuft sie aufgebracht davon. Bald darauf wird Lilly wieder ins Krankenhaus eingeliefert.

Helen hat jedoch auch selbst Probleme mit ihrer Tochter Julia (Laura Sonntag), die sich darüber beschwert, dass ihre ehrgeizige Mutter kaum Zeit für sie hat, sondern selbst in den wenigen Stunden, die sie zu Hause ist, ständig telefoniert. Trotz ihrer psychiatrischen Ausbildung fragt Helen bei der Auswahl eines Kleiderstoffes für Julia nicht, was ihre Tochter möchte, sondern lässt sich davon leiten, was ihr selbst in ihrer Jugend gefallen hätte.

Ein Mann namens Peter Kowalski (August Zirner) kommt gehetzt in die Praxis und fragt nach Prof. Dr. Frederick Czerny; sein Hausarzt, Dr. Stein, habe ihn empfohlen. Da Fred nicht da ist, verweist Traudl ihn an Ted. Psychisch brauche er keine Hilfe, betont Kowalski. Sein Hausarzt habe ihm nur geraten, sich wegen einiger körperlichen Symptome von einem Psychologen durchchecken zu lassen. Nach zwei Minuten zieht Kowalski Teds fachliche Kompetenz in Zweifel und schimpft über die Zeitverschwendung. Er erwartet von dem Therapeuten einen strukturierten Aktionsplan. Wütend bricht Ted die Sitzung ab.

Tatsächlich steht Kowalski unter Druck. Vom Ehrgeiz seiner Mutter und seiner Rivalität mit dem Vater getrieben, hatte er Karriere gemacht. Nun muss der viel beschäftigte Manager zehn Mitarbeiter aus seiner Abteilung entlassen, darunter seinen Freund Uwe. Dr. Büchner hat ihn schon mehrmals gedrängt, die Kündigungen endlich auszusprechen, aber Kowalski tut sich schwer damit. Außerdem hat seine Frau Miriam sich von ihm getrennt und ist zu ihrer Schwester Rita gezogen. Kowalski leidet unter Herzrasen, Schweißausbrüchen, Übelkeit und Schlafstörungen. Die Diagnose seines Hausarztes lautet: Burn-out-Syndrom. Als Uwe ihm zu einer Psychotherapie riet, meinte Kowalski: „Diese Psychokacke ist was für Loser. Außerdem habe ich dafür keine Zeit.“

In einem Kaufhaus trifft Traudl zufällig einen früheren Patienten Freds wieder: Wolfgang Meyer-Servatius (Johannes Silberschneider). Der schmachtet sie an, hilft ihr beflissen bei den Einkäufen und steigt dabei nach zwanzig Jahren zum ersten Mal wieder in einen Aufzug, weil er in seinem Eifer vergessen hat, dass seine Klaustrophobie trotz jahrelanger Therapie immer noch da ist. Als die Türen geschlossen sind, gerät er in Panik.

Die beiden verabreden sich zum Essen in einem Restaurant. Traudl wagt es dann doch nicht, hinzugehen und lässt ihn vergeblich warten. Ein paar Tische weiter sitzen Ted und Helen. Dann kommt auch noch Fred herein, der für sich und Lilo etwas zum Essen holen möchte – doch als er Ted und Helen erblickt, geht er sofort wieder.

Fred ist eifersüchtig. Er findet Teds neue Kollegin recht interessant und kehrt in die Praxis zurück. Für Traudel bedeutet es eine grundlegende Umstellung, nun gleich für drei Therapeuten mit ganz verschiedenen Charakteren und Auffassungen arbeiten zu müssen, darunter eine Powerfrau, um deren Aufmerksamkeit die beiden Männer buhlen.

Als Kind wollte Fred gern Ritter sein und die Guten vor den Bösen beschützen. Einmal ertappte er seinen Vater mit Tante Lisbeth und erzählte es seiner Mutter. Die starb tags darauf. Sein Vater versicherte ihm zwar später, sie habe von dem Verhältnis gewusst, aber Fred fühlt sich schuldig an ihrem Tod. Als Psychotherapeut achtet er auf Distanz zu den Patienten und vermeidet Gefühle. Traudl hält ihn außerdem für konfliktscheu. Ted arbeitet dagegen gerade mit den Gefühlen der Patienten. Der Quereinsteiger folgt keiner bestimmten Lehrmeinung, sondern fordert die Patienten auf, die Konflikte in ihren Beziehungen durch die Platzierung von Gegenständen – Stühle, Kissen – zu symbolisieren, diese Strukturen dann zu betrachten und sich damit auf der Gefühls- und Verstandesebene auseinanderzusetzen. Helen wiederum lässt nur gelten, was wissenschaftlich nachweisbar ist.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Durch ihre Ausbildung und Erfahrung kennen Helen, Fred und Ted sich mit den psychischen Problemen ihrer Patientinnen und Patienten aus, aber sobald es um ihr eigenes Leben geht, hilft ihnen die Theorie nicht weiter. In dem zweiteiligen Fernsehfilm „Helen, Fred und Ted“ geht es um den alltäglichen Wahnsinn. Ganz undramatisch, aber mit einem Gespür für Komik erzählen Sherry Hormann (Regie), Gabriela Sperl und Kathrin Richter (Drehbuch) von verdrängten Ängsten, unerfüllten Träumen, Familienkonflikten und den daraus entstandenen neurotischen Verhaltensweisen. Dabei geben sie ihre Figuren an keiner Stelle der Lächerlichkeit preis und gleiten auch nicht ins Triviale ab.

Unbefriedigend ist die Dramaturgie: „Helen, Fred und Ted“ besteht aus einer Folge von – zu vielen – Episoden. Hin und wieder treten dabei Spiegelungen, Gegensätze und Resonanzen auf, aber eine geschlossene Handlung entsteht daraus nicht. Die beiden Teile „Was ist schon normal“ und „Drei ist einer zuviel“ sehen eher wie zwei Folgen einer längeren Fernsehserie aus.

Ein paar stilistische Gags wirken aufgesetzt und stören in dieser sonst unspektakulären Inszenierung. Bei dem wilden Zoomen, das Peter Kowalskis Hektik entsprechen soll, dachte ich zuerst, der Fernseher sei kaputt.

Hervorzuheben ist die erstklassige Besetzung.

Gedreht wurde vom 5. April bis 13. Juni 2006.

Andrea Sawatzki (*1963) und Christian Berkel (*1957) sind im richtigen Leben verheiratet und haben zwei Söhne.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

Magersucht (Anorexia nervosa)

Sherry Hormann: Bella Block. Blinde Liebe
Sherry Hormann: Bella Block. Schuld und Liebe

Arno Geiger - Der alte König in seinem Exil
Lesenswert ist "Der alte König in seinem Exil", weil man einen lebendigen Eindruck davon bekommt, wie ein an Demenz bzw. Alzheimer Erkrankter von Angehörigen wahrgenommen wird.
Der alte König in seinem Exil