Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben - Originaltitel: Dr. Strangelove or How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb - Regie: Stanley Kubrick - Drehbuch: Stanley Kubrick, Terry Southern und Peter George, nach dem Roman "Red Alert" von Peter George - Kamera: Gilbert Taylor - Schnitt: Anthony Harvey - Musik: Laurie Johnson - Darsteller: Peter Sellers, George C. Scott, Sterling Hayden, Slim Pickens, Peter Bull, Keenan Wynn, Frank Berry u.a. - 1963; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Ein US-General, der die Welt durch die Kommunisten für bedroht hält, setzt eine Flotte von Atombombern gegen die UdSSR in Marsch. Niemand vermag ihn aufzuhalten. Dabei droht im Fall eines Angriffs auf die Sowjetunion ein vernichtender Gegenschlag.

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Kritik

"Dr. Seltsam ..." ist eine albtraumhafte Groteske über die Gefahr eines durch einen verrückten Einzelnen ausgelösten Atomkriegs. Auf zynische Weise führt Kubrick vor, wie störanfällig das Gleichgewicht des Schreckens in der Zeit des Kalten Krieges war.
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General Jack D. Ripper (Sterling Hayden), der Kommandeur eines US-Luftgeschwaders, hält die Welt durch die Kommunisten für bedroht. Er argwöhnt, dass die Russen bereits Trinkwasser in den USA „fluoridiert“ haben und dabei sind, auch Fruchtsäfte und Speiseeis zu verseuchen. Nicht umsonst trinke kein Russe jemals etwas anderes als Wodka! Eines Tages ordnet er von seinem Stützpunkt aus „Plan R“ an und setzt eine Flotte von 34 B-52-Atombombern in Marsch. Ziel ist die UdSSR.

Die Bomberbesatzungen glauben zunächst an einen schlechten Scherz oder einen Irrtum, doch als der Angriffsplan bestätigt wird, holen sie die Unterlagen über „Plan R“ aus den Tresoren. Eine der darin vorgeschriebenen Maßnahmen besteht darin, dass sie ihren Funkverkehr absichern, indem sie nur noch Nachrichten empfangen, die mit einem aus drei Buchstaben bestehenden Geheimcode beginnen.

General „Buck“ Turgidson (George C. Scott) sitzt gerade auf der Toilette, als jemand aus dem Pentagon in seiner Wohnung anruft. Seine Sekretärin steht von der Sonnenbank auf, um den Hörer abzunehmen. Sie arbeite gerade „Papierkram“ mit ihrem Chef durch, behauptet sie. Endlich kann General Turgidson selbst an den Apparat kommen. Man habe einen Funkspruch an die 843. Bomberstaffel aufgefangen, mit dem „Plan R“ ausgelöst worden sei. Turgidson zieht sich an und vertröstet seine Geliebte: „Ich schau mal rasch einen Sprung im Pentagon vorbei.“

Als General Rippers Executive Officer, der britische Austauschoffizier Group Captain Lionel Mandrake (Peter Sellers), befehlsgemäß die Rundfunkgeräte am Stützpunkt einsammelt, stellt er fest, dass alle amerikanischen Sender Tanzmusik ausstrahlen. Da sei es doch äußerst unwahrscheinlich, dass Moskau einen atomaren Angriff auf die USA durchgeführt habe. Also gebe es auch keinen Anlass für „Plan R“. Jack Ripper lässt sich nicht irritieren. Mandrake hält es für seine Pflicht, den Rückholcode gegen den Willen des Kommandanten auf eigene Verantwortung durchzugeben, doch mit einem Knopfdruck verriegelt General Ripper vom Schreibtisch aus die Türen seines Büros.

Frei nach Georges Clemenceau meint er: „Der Krieg ist viel zu wichtig, um ihn den Politikern zu überlassen!“ Über Lautsprecher hält er eine Ansprache an die Soldaten auf seinem Stützpunkt, an dessen Außenmauer riesige Buchstaben verkünden: „Peace is Our Profession“. General Ripper warnt vor einem kommunistischen Angriff. Es könne sein, dass sich die „Russkis“ als amerikanische Soldaten tarnten. Auf diese List dürfe niemand hereinfallen. „Im Zweifel zuerst schießen, dann fragen!“

Inzwischen beginnt die Krisensitzung mit US-Präsident Merkin Muffley (Peter Sellers) im Pentagon. Der Präsident, der glaubt, nur er selbst sei berechtigt, einen atomaren Angriff auszulösen, verlangt Aufklärung über die Ereignisse. General Turgidson erinnert ihn an eine von ihm selbst getragene Entscheidung, derzufolge im einem Notfall auch ein untergeordneter Offizier die Befehlskette durchbrechen und einen Atomschlag anordnen könne. Bei „Plan R“ handele es sich genau um diesen Notstandsplan.

Da will der Präsident, dass die Bomber sofort zurückgerufen werden. Aber Turgidson klärt ihn darüber auf, dass die Funkgeräte aufgrund von „Plan R“ so eingestellt seien, dass man sie ohne den vorangestellten Geheimcode nicht erreichen könne. Die Telefonleitungen zu General Jack D. Ripper sind unterbrochen. Der Präsident befiehlt deshalb einer US-Einheit, den Kommandeur der 843. Bomberstaffel erforderlichenfalls mit Waffengewalt ans Telefon zu holen. Vergeblich warnt Turgidson vor den bei einem Angriff auf den Stützpunkt zu erwartenden hohen Verlusten.

General Turgidson ist peinlich berührt, als mitten in der Krisensitzung seine Geliebte anruft und fragt, wo er so lange bleibe.

Dann hat er eine Idee: Da man die Atombomber ohnehin nicht mehr zurückholen könne, sollte man alle verfügbaren Kräfte aufbieten, um den Angriff zu verstärken. So könne man 90 Prozent der sowjetischen Militärmacht zerstören. Dabei müsse man mit nicht mehr als 25 Millionen zivilen Toten rechnen; das sei akzeptabel.

Präsident Muffley, der nicht als schlimmster Massenmörder seit Adolf Hitler in die Geschichte eingehen möchte, hat jedoch bereits den sowjetischen Botschafter ins Pentagon bestellt. Muffley klärt ihn kurz auf und schlägt vor, den sowjetischen Staats- und Regierungschef Dimitri Kissov anzurufen. Über das rote Telefon ist er nicht zu erreichen. Der Premier sei ein Mann des Volkes, gibt der Botschafter zu bedenken, aber auch ein Mann! Als Kissov endlich am anderen Ende der Leitung ist, wirkt er betrunken, und Muffley muss ihn bitten, die Musik leiser zu drehen. Zuerst tauschen die beiden Staatsmänner Höflichkeitsfloskeln aus, dann versucht Merkin Muffley den sowjetischen Regierungschef vorsichtig darüber zu unterrichten, dass sein Land gerade mit 34 Atombombern angegriffen wird. Immer wieder muss er „Dimitri“ beschwichtigen, weil dieser misstrauisch bleibt — aber nicht so sehr wegen des atomaren Angriffs, sondern weil er belanglose Formulierungen des amerikanischen Präsidenten missversteht und sich dadurch beleidigt fühlt.

Während die beiden Staatsmänner telefonieren, greift die dazu abkommandierte US-Einheit den Stützpunkt von General Jack D. Ripper an. Wie befürchtet, halten Ripper und seine Männer die amerikanischen Uniformen der Angreifer für eine List der Kommunisten und verteidigen sich mit allen Mitteln.

Schließlich erklärt sich der US-Präsident bereit, Moskau alle Details über die angreifenden Bomber und ihre Ziele mitzuteilen. Dimitri Kissov verweist ihn an die sowjetische Luftabwehr. Die Telefonnummer? Die könne Muffley von der Auskunft erfahren.

Der sowjetische Botschafter klärt die Versammelten darüber auf, dass sein Land seit kurzem über eine Weltvernichtungsmaschine verfüge, die durch einen atomaren Angriff automatisch in Gang gesetzt werde. Die Detonation einer gewaltigen Kobalt-Thorium-G-Bombe hülle die Erde dann 93 Jahre lang in eine tödliche Wolke ein. Die Maschine sei so konstruiert, dass niemand sie abstellen könne. Der geringste Versuch, sie zu entschärfen, leite die vernichtende Explosion ein. Auf diese Weise habe man bewusst jeden menschlichen Einfluss ausgeschlossen. Muffley fragt den aus Deutschland stammenden Wissenschaftler Dr. Seltsam (Peter Sellers), nach seiner Meinung über die sowjetische Weltvernichtungsmaschine. Der Experte, der vor seiner Einbürgerung Merkwürdig hieß, hält die Ausführungen des Botschafters für glaubwürdig, wundert sich aber darüber, wieso Moskau die Existenz dieser neuen Waffe nicht bekannt gegeben habe, denn ihr Wert beruhe doch auf der Abschreckung. Der Botschafter erwidert, dass sein Regierungschef die Welt auf dem Parteitag am Montag mit der Neuigkeit überraschen wollte.

Von seinem Büro aus, in dem er sich mit Group Captain Lionel Mandrake verschanzt hat, beobachtet General Jack D. Ripper, dass sich seine Leute ergeben. Man werde ihn foltern, um ihn zur Nennung des geheimen Rückholcodes zu zwingen, befürchtet er. Ob er der Folter widerstehen könne? Da ist er nicht so sicher. Um kein Risiko einzugehen, geht Ripper ins Badezimmer und erschießt sich. Damit ist der einzige Mensch tot, der den Rückholcode kannte. Nur er hätte „Plan R“ abbrechen können.

Fieberhaft überlegt Mandrake, welches die drei Buchstaben sein könnten. Er hat eine Idee. War nicht „Friede auf Erden“ das Motto des Generals? FAE! Das ist der Code. In diesem Augenblick dringt ein Offizier mit Maschinenpistole in das Büro ein und nimmt Lionel Mandrake gefangen, von dem er annimmt, er habe General Ripper erschossen. Vergeblich weist der Brite darauf hin, er kenne den Code für den Abbruch des atomaren Angriffs auf die Sowjetunion. Davon weiß der US-Offizier nichts. Die Telefone im Büro sind abgeschaltet. Erst in einer Telefonzelle auf dem Korridor findet Mandrake einen funktionierenden Apparat. Aber er hat nicht genügend Münzen dabei, um nach Washington zu telefonieren, und das Fräulein vom Amt ist nicht befugt, ein R-Gespräch zu vermitteln. Aufgeregt bringt Mandrake seinen Bewacher dazu, in einen Getränkeautomaten zu schießen, um an die fehlenden 20 Cents heranzukommen. Der amerikanische Offizier folgt seiner Aufforderung, weist ihn aber darauf hin, dass er sich gegenüber Coca Cola zu verantworten habe.

Der Rückholcode stimmt. 30 Bomberbesatzungen betätigen den Abbruch des Angriffs. Die übrigen vier Maschinen sollen von der sowjetischen Luftabwehr abgeschossen worden sein. Präsident Merkin Muffley atmet auf: Das ist noch einmal gut gegangen!

Da ruft Präsident Dimitri Kissov wutschnaubend an: Muffley habe ihn belogen; einer der Bomber setze den Angriff fort. Es stellt sich heraus, dass die Russen nur drei Flugzeuge abgeschossen haben. Eines wurde nur beschädigt. Gereizt meint der US-Präsident, es werde der sowjetischen Luftabwehr doch wohl gelingen, eine einzelne Maschine abzufangen.

Wenige Meilen vor dem angepeilten Ziel stellt die Besatzung des ramponierten Bombers fest, dass sich der Bombenschacht nicht öffnen lässt. Der Kommandant selbst klettert hinunter und versucht den Schaden zu beheben. Im letzten Augenblick gelingt es ihm. Die Klappe öffnet sich — und er reitet auf der Wasserstoffbombe in die Tiefe.

Währenddessen beraten die Amerikaner über das weitere Vorgehen nach der bevorstehenden Auslösung der sowjetischen Weltvernichtungsmaschine. Dr. Seltsam, der im Rollstuhl sitzt, hin und wieder den US-Präsidenten mit „mein Führer“ anspricht und seinen rechten Arm festhalten muss, damit dieser nicht zum Hitlergruß emporgerissen wird, rät dazu, 100 000 nach Aspekten wie Jugend, Fruchtbarkeit und Intelligenz ausgesuchte Menschen in 100 m tiefe Bergwerke zu bringen. Es sollten zehnmal mehr Frauen als Männer sein. Dieses Opfer müssten die Männer für die Fortpflanzung bringen. Nach 100 Jahren könnten die Menschen dann wieder an die Oberfläche kommen. Plötzlich erhebt er sich aus seinem Rollstuhl und schreit: „Mein Führer, ich kann wieder gehen!“

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Dem Film „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“, liegt der Thriller „Red Alert“ (1958) von Peter George zugrunde. Darin geht es um die Gefahr eines durch eine unglückliche Verkettung banaler Zufälle ungewollt ausgelösten Atomkriegs. Stanley Kubrick beschloss, daraus eine rabenschwarze Satire zu machen. Es wurde eine albtraumhafte Groteske, ein Pandämonium des Irrsinns. Auf zynische Weise führt Kubrick vor, wie störanfällig das Gleichgewicht des Schreckens in der Zeit des Kalten Krieges war. Perfektioniert hatte man nur die Unumkehrbarkeit einmal in Gang gesetzter Angriffspläne und Vernichtungsmaschinen. Zugleich mokiert er sich über den Bürokratismus, soldatische Tugenden, die hysterische Angst vor den Kommunisten in Moskau und einiges mehr.

Peter Sellers ist in drei Rollen zugleich zu sehen: als US-Präsident Merkin Muffley, Dr. Seltsam und Group Captain Lionel Mandrake.

„Oscar“-Nominierungen gab es für den Film selbst, die Regie, das Buch und den Hauptdarsteller Peter Sellers.

Auch nach dem Ende des Kalten Krieges ist „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ unbedingt sehenswert. Ohnehin handelt es sich längst um einen Kultfilm.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002

Françoise Sagan - In einem Monat, in einem Jahr
Françoise Sagan inszeniert diesen un­glücklichen Liebesreigen mit leichter Hand und wechselt dabei fortwährend die Perspektive. "In einem Monat, in einem Jahr" kommt ohne Effekthascherei aus, und die Autorin begnügt sich mit einer ebenso schlichten wie über­zeugenden Komposition.
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