Slow West
Slow West
Inhaltsangabe
Kritik
Die Handlung spielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zunächst in Schottland.
Jay Cavendish (Kodi Smit-McPhee), ein bei seinem Onkel Rupert Cavendish (Alex Macqueen) aufwachsender schottischer Junge aus der Aristokratie, verliebt sich in die ein paar Jahre ältere Bauerntochter Rose Ross (Caren Pistorius). Als sie ihm sagt, er sei wie ein kleiner Bruder für sie, ist er schwer enttäuscht. Eines Abends holt ihn sein Onkel aus der Hütte der Kleinbauern und ermahnt ihn, sich nicht mit diesen gewöhnlichen Leuten abzugeben. Trotzig stellt Jay sich neben Rose. Der Onkel ohrfeigt daraufhin nicht ihn, sondern Rose. Deren Vater John Ross (Rory McCann) stößt ihn zurück – und Rupert Cavendish stürzt so unglücklich, dass er sofort tot ist. Um nicht in Schottland am Galgen zu enden, flieht John Ross mit seiner Tochter Rose nach Nordamerika.
Der 17 Jahre alte Jay Cavendish, der sich schuldig fühlt, reist seiner großen Liebe nach. An der Ostküste angekommen, reitet er in seiner Unbedarftheit allein nach Westen. Kurz nachdem er durch ein noch rauchendes niedergebranntes Indianerdorf gekommen ist, stößt er auf drei Weiße, die einen Indianer jagen. Während zwei von ihnen weiterlaufen und schließlich ein Schuss zu hören ist, hält der dritte, eine Offiziersjacke tragende Mann Jay mit einem Revolver in Schach. Aber bevor er den Jungen ausrauben kann, pirscht sich ein Outlaw an, erschießt ihn und plündert die Taschen des Toten.
Bei dem Gesetzlosen handelt es sich um einen Kopfgeldjäger. Er heißt Silas Selleck (Michael Fassbender). Für 100 Dollar, die Hälfte davon sofort, bietet der illusionslose Zyniker Jay an, ihm bei der Suche nach Rose Ross zu helfen und ihn während des Ritts nach Westen zu beschützen.
Nach ein paar Tagen steigen sie bei einem abgelegenen Handelsposten ab. Während Jay die Pferde anbindet, entdeckt Silas den Namen Rose Ross auf einem Steckbrief. Auf sie und ihren Vater John ist ein Kopfgeld von 2000 Dollar ausgesetzt – tot oder lebendig. Ohne Jay etwas zu sagen, reißt Silas den Steckbrief von der Wand und steckt ihn ein. Seine Begegnung mit dem schottischen Jungen könnte lukrativer werden, als zunächst erwartet!
Während Jay und Silas in der Hütte einkaufen, stürmt ein armselig gekleidetes schwedisches Siedlerpaar herein. Die Frau (Brooke Williams) erinnert ihren Mann (Karl Willetts) aufgeregt daran, was er zu tun habe. Augenscheinlich handelt es sich um einen Überfall aus Not. Der junge Schwede bringt es nicht fertig, den Händler zu erschießen, aber seine verzweifelt keifende Frau bringt ihn dazu, ihn wenigstens niederzuschlagen. Der Ladenbesitzer kommt rasch wieder zu sich, erschießt den Räuber – und wird daraufhin von der Frau erschossen. Erst jetzt bemerkt die inzwischen hyperventilierende Raubmörderin Silas in einer Ecke der Hütte und bedroht ihn mit ihrer Waffe. Jay schleicht sich von hinten an und schießt ihr aus kurzer Distanz in den Rücken. Sie bricht tot zusammen. Silas und Jay packen ein, was sie benötigen und verlassen die Hütte. Draußen stehen die beiden kleinen Kinder des toten schwedischen Paars (Evie Simon, George Simon), die zwar die Schüsse gehört haben, sich aber nicht vorstellen können, dass die Eltern nicht mehr herauskommen.
Weil Jay seinem wortkargen Begleiter misstraut, schleicht er sich eines Morgens vom Lagerfeuer weg und reitet allein weiter. Mitten in der Prärie stößt er auf einen Mann und eine Kutsche ohne Pferd. Der Deutsche, der sich Werner (Andrew Robertt) nennt, gibt vor, ein anthropolisches Buch über die Ausrottung der indigenen Bevölkerung zu schreiben und lädt Jay ein, bei ihm zu übernachten. Als der Junge am nächsten Morgen aufwacht, ist Werner mitsamt dem Karren und Jays Pferd fort. Er hat seinem Gast nur ein Hühnerei zum Frühstück hinterlassen. Zu Fuß setzt Jay seinen Weg nach Westen fort.
Silas holt ihn schließlich ein und bringt ihm auch sein Pferd mit. Er habe Werner nicht getötet, versichert er. „Wozu auch?“
Sie sitzen am Lagerfeuer, als ein Kerl im Fellmantel auftaucht. Es handelt sich um Payne (Ben Mendelsohn), den Anführer der Bande, die Silas vor einiger Zeit verließ, um als Einzelgänger weiterzumachen. Payne bringt Absinth und Gläser mit. Er weiß von dem Steckbrief, durchschaut Silas‘ Vorhaben und hofft, über ihn und Jay die beiden Gesuchten zu finden, um das Kopfgeld kassieren zu können. Bald sind Jay und Silas betrunken.
Jay entfernt sich ein Stück, um zu urinieren. Als er zurückkommt, scheinen statt Silas und Payne andere Leute am Lagerfeuer zu sitzen. Einer der Männer erzählt eine Anekdote aus seinem Leben. Schließlich merkt Jay, dass er sich in der Richtung geirrt hat und kehrt zu Silas und Payne zurück.
Während Silas und Jay ihren Rausch ausschlafen, ertrinken sie beinahe, denn ein Unwetter ließ einen Strom entstehen, der das Lager weggerissen hat. Um ihre nasse Kleidung zu trocknen, spannen sie zwischen den beiden Pferden eine Wäscheleine und reiten weiter.
Plötzlich durchbohrt ein Pfeil Jays Hand. Zwei Indianer überfallen ihn und Silas, springen auf die Pferde und galoppieren los, aber sie kommen nicht weit, weil sich die Leine zwischen den Tieren an einem Baum verfängt: In hohem Bogen werden die Indianer von den Pferderücken geschleudert.
Auf dem weiteren Weg kommen Jay und Silas an einem toten Holzfäller vorbei, der mit ausgebreiteten Armen und Beinen unter einem gefällten Baumstamm liegt.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Endlich nähern sie sich dem in einem ausgedehnten Kornfeld stehenden Blockhaus, in dem John Ross mit seiner Tochter Rose und ihrem Lebensgefährten, dem Indianer Kotori (Kalani Queypo), lebt. In einiger Entfernung fesselt Silas den lebensfremden schottischen Aristokraten zu dessen eigenen Schutz an einen Baum und reitet dann allein weiter.
Wie von ihm befürchtet, ist er nicht der erste Kopfgeldjäger, der das Blockhaus gefunden hat. Während er noch hinreitet, wird John Ross bei der Arbeit am Zaun von einem als Reverend verkleideten Scharfschützen getötet. Payne und seine Bande reiten an Jay vorbei, ohne ihn zu beachten. Payne erschießt John Ross‘ Mörder und eröffnet dann mit seinen Männern das Feuer auf das Blockhaus. Silas, der es bereits erreicht hat, wird von zwei Projektilen getroffen, geht zu Boden und lehnt sich fatalistisch gegen eine Außenwand. Als ein Bandenmitglied unmittelbar neben ihm erschossen wird, wird er mit Blut bespritzt. Rose und Kotori wehren sich und schießen durch Fenster auf die Angreifer.
Inzwischen hat Jay die Fesseln am Baumstamm durchgescheuert. Er rennt zum Blockhaus. Als er die Tür aufreißt und hineinstürmt, schießt Rose ihn nieder, ohne zunächst weiter auf ihn zu achten. Über dem Sterbenden zerbirst ein Salzfass durch einen Schuss, und das Salz rieselt in Jays Wunde. Erst nach einer Weile erkennt Rose den Sterbenden.
Am Ende leben nur noch Rose und Silas.
Sie holen die beiden schwedischen Waisenkinder zu sich und gründen eine Familie.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Der Western ist tot, zumindest als romantische Heldensaga von ebenso einsamen, freien und eigenständigen wie moralisch integeren Siedlern, die sich mutig schurkischen Revolverhelden in den Weg stellen, um im fairen Zweikampf für Gerechtigkeit zu sorgen. Aber es gibt das Genre noch in einer Variante: als Dekonstruktion bzw. Abgesang auf die Mythen und Legenden des Westerns. Beispiele dafür sind „Django Unchained“ (2012), „The Homesman“ (2014) – und nun auch „Slow West“.
Die Geschichte, die John Maclean in „Slow West“ erzählt, ist simpel und märchenhaft. Während ein unbedarfter junger Aristokrat aus Schottland im Wilden Westen auf skrupellose Kopfgeldjäger trifft und ehemalige Offiziere Indianerdörfer niederbrennen, erwacht das Gewissen eines Outlaws, der schließlich eine Familie gründet. Keine Angst, „Slow West“ ist alles andere als kitschig. Alles ist ironisch gebrochen und mit originellen, urkomischen Einfällen gespickt. John Maclean übernimmt zwar die gewohnte Dramaturgie des Western-Genres, führt sie jedoch in „Slow West“ ad absurdum. Das gilt sowohl für den Plot als solchen und das Resultat des Showdowns als auch für groteske Einlagen wie zum Beispiel drei Schwarze (Joseph Passi, Sam Manzanza, Tawanda Manyimo), die irgendwo in der Prärie sitzen und singen. Wenn beim Showdown alle Handlungsstränge zusammenlaufen, sind Grausamkeit und zynische Komik so verschmolzen, wie wir das von Quentin Tarantino und den Coen-Brüdern kennen, etwa wenn ein Salzfass im Kugelhagel zerbirst und das Salz in die Schusswunde eines Sterbenden rieselt.
Romantik und Fairness gibt es in „Slow West“ nicht. John Maclean entwickelt die Handlung bedächtig („slow“), lakonisch und mit einer Fülle schräger Ideen fast ausschließlich aus Jays Perspektive. Die in Schottland spielende Vorgeschichte wird geschickt in Rückblenden nachgetragen.
Die herrlichen Landschaftsaufnahmen könnten aus einem klassischen Western stammen. Aber selbst der Ritt durch eine atemberaubend schöne Schlucht wird ironisch gebrochen: Jay und Silas müssen absteigen und ein gewaltiges Skelett aus dem Weg räumen. Außerdem entstanden die Bilder nicht, wie in vielen anderen Western, im Monument Valley, sondern in Neuseeland.
„Slow West“ ist das originelle Filmdebüt (Regie und Drehbuch) des mit dem Hauptdarsteller Michael Fassbender befreundeten australischen Musikers John Maclean (Musikgruppen „The Beta Band“: 1996 bis 2004, „The Aliens“: seit 2005).
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015