Shame

Shame

Shame

Shame – Originaltitel: Shame – Regie: Steve McQueen – Drehbuch: Steve McQueen, Abi Morgan – Kamera: Sean Bobbitt – Schnitt: Joe Walker – Musik: Harry Escott – Darsteller: Michael Fassbender, Carey Mulligan, James Badge Dale, Nicole Beharie, Hannah Ware u.a. – 2011; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Der Yuppie Brandon verfügt äußerlich über alle Freiheiten, die New York zu bieten hat, beraubt sich jedoch durch seine Sexbesessen­heit – also paradoxerweise gerade durch ein Übermaß an Freizügigkeit – selbst der Möglichkeit zu selbstbestimmtem Handeln. Als er versucht, sich auf eine dauerhafte Liebesbeziehung einzulassen, scheitert er. Die mit der Obsession einhergehende Einsamkeit und Gefühllosigkeit bringen ihn zur Verzweiflung ...
mehr erfahren

Kritik

"Shame" ist zwar ein Psychodrama, aber Steve McQueen fragt nicht nach Ursachen, sondern beschränkt sich auf das – unterkühlt inszenierte – Porträt eines von Michael Fassbender eindrucksvoll dargestellten psychisch Kranken.
mehr erfahren

Brandon (Michael Fassbender) ist ein New Yorker Yuppie. Mit seinem Gehalt als Büroangestellter in der Werbebranche kann sich der Single ein Loft in einem Apartmenthaus in Manhattan leisten. Diese Wohnung ist allerdings völlig unpersönlich eingerichtet.

Im Job funktioniert Brandon. Wenn er mit seinem verheirateten Chef David (James Badge Dale) ausgeht, müht dieser sich zumeist vergeblich ab, Frauen aufzureißen, aber Brandon braucht sie nur anzusehen, um sie in seinen Bann zu ziehen. In der U-Bahn geschieht dies mit einer Frau (Lucy Walters), die einen Ehering trägt und ihm gegenüber sitzt. Sie flirten miteinander, und als die Frau aufsteht, um auszusteigen, folgt Brandon ihr. Plötzlich besinnt sie sich und flüchtet. Im Gedränge verliert er sie aus den Augen.

Niemand ahnt, dass Brandon in seiner Freizeit kaum etwas tut, als sich sexuell zu betätigen. Als sein Büro-Laptop wegen eines Virenbefalls repariert wird, stellt sich heraus, dass die Festplatte voller Pornos ist, aber David kommt gar nicht auf die Idee, Brandon könne etwas damit zu tun haben, sondern nimmt stattdessen an, dass ein Praktikant die Dateien aus dem Internet herunterlud. Brandon masturbiert nicht nur, sondern nutzt auch jede Gelegenheit für einen One-Night-Stand und lässt außerdem Prostituierte kommen. Seine Hypersexualität ist in keiner Weise lustvoll, sondern zwanghaft und selbstzerstörerisch.

Immer wieder ruft seine psychisch labile Schwester Sissy (Carey Mulligan) an und spricht auf seinen Anrufbeantworter, aber statt abzuheben, kommuniziert Brandon lieber im Live Chat mit einer Frau, die sich gegen Bezahlung vor einer Internet-Kamera auszieht.

Eines Abends, als er nach Hause kommt, hört er Geräusche aus dem Bad seines Apartments. Nachdem er sich mit einem Baseballschläger bewaffnet hat, reißt er die Türe auf – und erschreckt seine nackte Schwester in der Wanne zu Tode. Offenbar hat sie nach der Trennung von einem Liebhaber keine Bleibe und möchte zumindest ein paar Tage bei ihm bleiben. Widerwillig erlaubt er ihr, auf einem Sofa zu übernachten.

Sissy möchte Sängerin werden. Brandon lässt sich zu einem Besuch in dem Nachtklub überreden, in dem sie auftritt und nimmt dazu David mit. Sissy interpretiert „New York, New York“, aber nicht wie Frank Sinatra, sondern gedehnt, mit Synkopen und in Fragmente zerlegt. Da begreift Brandon, wie sehr sie unter ihrer Einsamkeit leidet und dass es ihm ebenso geht. Als sie anschließend nach seiner Meinung fragt, äußert er sich zurückhaltend, aber David verrät Sissy, dass Brandons Augen während ihres Auftritts feucht glänzten. Er selbst überhäuft Sissy mit Lob, begleitet sie und ihren Bruder nach Hause und schläft dort mit ihr. Aufgewühlt und verärgert zieht Brandon sich um und joggt durch die nächtlichen Straßen.

Er lädt seine geschiedene Arbeitskollegin Marianne (Nicole Beharie) in ein Restaurant ein. Sie ist überrascht, als er zugibt, dass keine seiner Liebes­beziehungen länger als vier Monate dauerte. Er wäre gern ein Musiker in den Sechzigerjahren, sagt er. Marianne zieht es stattdessen vor, im Hier und Jetzt zu leben. Nach dem Essen bringt Brandon sie zur nächsten U-Bahn-Station und verabschiedet sich dort von ihr, ohne auch nur den Versuch gemacht zu haben, sie zu küssen. Aber er freut sich auf einen weiteren Abend mit ihr.

Als Sissy seinen Laptop aufklappt und sogleich von einer nackten Frau (Charisse Bellante alias Charisse Merman) angesprochen wird, ist sie entsetzt. Brandon packt daraufhin seine Pornohefte und -videos samt dem Laptop in Müllsäcke und wirft alles weg.

Am nächsten Tag im Büro zieht Brandon Marianne in einen Nebenraum und küsst sie stürmisch. Er strebt wie sie eine dauerhafte Beziehung an. Noch während der Arbeitszeit fährt er mit ihr zu einem Hotel und nimmt ein Zimmer, aber im Bett versagt er: Die gefühlsmäßige Nähe macht es ihm unmöglich, mit Marianne zu kopulieren. Sex hat er nur mit Frauen, die er auf Distanz halten kann. Frustriert bleibt er sitzen, während Marianne sich enttäuscht anzieht und geht. Gleich darauf lässt er eine Prostituierte (Amy Hargreaves) kommen und treibt es mit ihr im Stehen am bodentiefen Fenster.

Seine in Selbsthass umgeschlagene Frustration lässt er an seiner Schwester aus: Er fordert sie auf, sein Apartment zu verlassen.

Am Tresen einer Bar spricht er eine Frau namens Carly (Anna Rose Hopkins) an und verspricht ihr unverblümt, sie mit der Zunge zum Orgasmus zu bringen. Als Carlys Freund (Chazz Menendez) dazukommt, provoziert Brandon ihn, indem er noch einmal von Cunnilingus und Analverkehr mit Carly schwärmt. Wie zu erwarten, schlägt ihr Freund ihn zusammen. Nachdem ihm dann der Türsteher eines Klubs den Zutritt verweigert hat, geht Brandon in eine Schwulenbar und lässt sich dort oral befriedigen. Anschließend treibt er es in einem Hotelzimmer mit zwei Prostituierten (Calamity Chang, DeeDee Luxe) zugleich.

Sissy wählt mehrmals die Nummer seines Handys, erreicht jedoch immer nur die Mailbox. „Wir sind keine schlechten Menschen, wir kommen nur von einem schlechten Ort“, sagt sie einmal. Nach dem flotten Dreier macht Brandon sich plötzlich Sorgen um seine Schwester, und als sie das Telefon nicht abnimmt, rennt er nach Hause. Wie befürchtet, hat Sissy sich die Pulsadern aufgeschnitten [Suizid]. Brandon kann nur noch den Notarzt rufen.

Als Sissy im Krankenhaus zu sich kommt und ihn am Bett sitzen sieht, flüstert sie: „Scheißkerl!“

Nach dem Besuch bei ihr bricht Brandon am Hudson-Ufer schluchzend zusammen.

Als er mit der U-Bahn nach Hause fährt, begegnet er erneut der jungen verheirateten Frau, mit der er schon einmal in der U-Bahn flirtete. Diesmal scheint sie entschlossen zu sein, sich auf ein sexuelles Abenteuer mit ihm einzulassen. Mit ihrem Blick fordert sie ihn auf, ihr zu folgen und geht zur Tür. Was Brandon tut, erfahren wir nicht, denn bevor der Zug hält, endet der Film.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

In dem ebenfalls von Steve McQueen inszenierten Film „Hunger“ stellt Michael Fassbender den zu 14 Jahren Haft verurteilten IRA-Aktivisten Bobby Sands (1954 – 1981) dar, der aus Protest gegen die Behandlung im Hochsicherheitsgefängnis Maze bei Lisburn in Nordirland einen Hungerstreik initiiert und nach neun Wochen stirbt. Er ist eingesperrt, erlangt aber durch die Instrumentalisierung des Körpers seine innere Freiheit.

Hunger – Originaltitel: Hunger – Regie: Steve McQueen – Drehbuch: Steve McQueen, Enda Walsh – Kamera: Sean Bobbitt – Schnitt: Joe Walker – Musik: Leo Abrahams, David Holmes – Darsteller: Michael Fassbender, Stuart Graham, Liam McMahon, Brian Milligan, Liam Cunningham u.a. – 2008; 90 Minuten

In „Shame“ (deutsch: Scham, Schande) ist es genau umgekehrt: Der Yuppie Brandon verfügt äußerlich über alle Freiheiten, die New York zu bieten hat, beraubt sich jedoch durch seine Sexbesessenheit – also paradoxerweise gerade durch ein Übermaß an Freizügigkeit – selbst der Möglichkeit zu selbstbestimmtem Handeln.

„Shame“ ist ein Psychodrama, aber der Ursache dieser zwanghaften Sexualität des Protagonisten geht Steve McQueen ebenso wenig nach wie der Frage, wodurch Sissy traumatisiert wurde. Wir erfahren nur, dass die beiden zusammen in Jersey aufwuchsen. Mehr nicht. Es geht in „Shame“ nicht um Erklärungen, sondern um das vorurteilsfreie Porträt eines psychisch Kranken, der an seiner Obsession, Einsamkeit und Gefühllosigkeit verzweifelt.

Die beiden Hauptfiguren werden von Michael Fassbender und Carey Mulligan eindrucksvoll verkörpert.

Aber „Shame“ ist alles andere als ein mitreißender Main-Stream-Film, denn Steve McQueen und sein Kameramann Sean Bobbitt zeigen das Geschehen in unter­kühlten und streng komponierten Bildern. Es gibt zwar in „Shame“ keine 17 Minuten lange Plansequenz wie in „Hunger“, aber einige lange Einstellungen mit feststehender, weder schwenken­der noch zoomender Kamera. In krassem Gegensatz zu diesen statischen Einstellungen wechseln sich gleich zu Beginn Szenen einer U-Bahn-Fahrt rasch mit Erinne­rungen Brandons an sexuelle Erlebnisse ab. Eindrucksvoller als dieser Parallelschnitt ist die verschachtelte Struktur einer Episode, die eigentlich damit beginnt, dass Brandon einen Mann in einer Bar provoziert, bis er von ihm zusammengeschlagen wird. Wir sehen den von Schlägen im Gesicht Verletzten nämlich bereits durch New York irren, bevor die Szene in der Bar eskaliert. Diese Abweichung von der Chronologie wirkt wie eine Eruption, und sie markiert denn auch einen der dramatischen Höhepunkte.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Steve McQueen: 12 Years a Slave

Henning Mankell - Wallanders erster Fall
"Wallanders erster Fall" ist die erste von fünf Erzählungen von Henning Mankell über das Leben des Protagonisten seiner Romanreihe über Kurt Wallander in der Zeit, bevor dieser am 8. Januar 1990 im ersten Roman auftritt.
Wallanders erster Fall

 

(Startseite)

 

Nobelpreis für Literatur

 

Literaturagenturen

 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.