Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde – Originaltitel: Intouchables – Regie: Olivier Nakache, Eric Toledano – Drehbuch: Olivier Nakache, Eric Toledano – Kamera: Mathieu Vadepied – Schnitt: Dorian Rigal-Ansous – Musik: Ludovico Einaudi – Darsteller: François Cluzet, Omar Sy, Anne Le Ny, Audrey Fleurot, Clotilde Mollet, Alba Gaïa Kraghede Bellugi, Cyril Mendy, Christian Ameri, Grégoire Oestermann, Joséphine de Meaux, Dominique Daguier, François Caron, Thomas Solivéres, Dorothée Brière Méritte u.a. – 2011; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Der bei einer Tante in einer Pariser Vorstadt aufgewachsene Senegalese Driss bewirbt sich nach der Verbüßung einer Haftstrafe als Pfleger beim querschnittgelähmten Besitzer eines Palais in Paris. Eigentlich will er nur eine schriftliche Ablehnung, die er beim Arbeitsamt vorlegen kann, aber Philippe gefällt der nassforsche Afrikaner, der keine falsche Rücksicht auf seine Behinderung nimmt. Trotz des Risikos stellt er den vorbestraften Migranten ein ...
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Kritik

Sehenswert ist die Tragikomödie "Ziemlich beste Freunde" v.a. wegen der unterhaltsam verpackten Denkanstöße für den Umgang mit Behinderten und der schauspielerischen Leistungen von François Cluzet und Omar Sy.
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Der junge Senegalese Driss (Omar Sy), der im Alter von acht Jahren nach Frankreich kam und bei einer Tante und einem Onkel in einer Pariser Vorstadt aufwuchs, wird nach der Verbüßung einer sechsmonatigen Haftstrafe wegen eines Raubüberfalls auf ein Juweliergeschäft freigelassen. Um Arbeitslosengeld zu bekommen, bewirbt er sich in einem Pariser Palais um die ausgeschriebene Stelle eines Pflegers. Er ist nicht der einzige Bewerber, sondern sitzt neben anderen Männern in einem prunkvollen Vorraum. Als ihm die Wartezeit zu lang wird, drängt er sich vor. Er beabsichtigt ohnehin nicht, ein Vorstellungsgespräch zu führen, sondern will sich nur durch die Unterschrift auf einem Schein des Arbeitsamtes eine erfolglose Bewerbung bestätigen lassen. Das ist jedoch schwieriger als Driss dachte, denn die Privatsekretärin Magalie (Audrey Fleurot) hat angeblich keine Befugnis, eine Bescheinigung zu unterschreiben, und Philippe (François Cluzet), der Besitzer des Stadtpalais, kann seine Hände nicht bewegen, weil er seit einem Absturz mit einem Paraglider vom Hals abwärts gelähmt ist. Philippe, dem es gefällt, dass der nassforsche Schwarze keinerlei Rücksicht auf seine Behinderung nimmt, fordert ihn auf, am nächsten Morgen wiederzukommen.

Driss geht nach Hause. In der kleinen Wohnung in einer Mietskaserne wird er von einem halben Dutzend Kindern seiner verwitweten Tante begrüßt. Die Afrikanerin kommt erst spätabends vom Putzen nach Hause. Driss schenkt ihr ein Fabergé-Ei, das er in Philippes Stadtpalais stahl. Aber die Tante, die Driss für verkommen hält, ohne etwas von der Haftstrafe zu wissen, lässt sich nicht besänftigen. Sie wirft ihn hinaus. Er treibt sich auf der Straße herum und fährt im Morgengrauen mit dem Vorortszug nach Paris, um sich die Bescheinigung fürs Arbeitsamt abzuholen.

In Philippes Stadtpalais wird er von dessen Hausdame Yvonne (Anne Le Ny) empfangen. Zu seiner Verwunderung führt sie ihn herum und zeigt ihm das Zimmer und das dazugehörige Bad, in dem er untergebracht werden soll. Driss kann es kaum fassen: Die beiden Räume sind nicht nur viel größer als die Wohnung seiner Tante, sondern auch noch luxuriös eingerichtet. Er beschließt, erst einmal zu bleiben und sich von Yvonne in seine Tätigkeit als Pfleger einweisen zu lassen.

Philippe stellt Driss auf Probe ein. Obwohl ihm ein Freund (Dominique Daguier) dringend davon abrät, den wegen eines Raubüberfalls vorbestraften Afrikaner in seiner teuer eingerichteten Villa zu beschäftigen, wagt Philippe das Experiment. Er hat genug von den duckmäuserischen Pflegern, die ihn durch ihr verbal und nonverbal gezeigtes Mitleid ständig auf seine Behinderung hinweisen und ihn zwischendurch durch gedankenlose Äußerungen ärgern, etwa wenn sie sagen, er sei wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden. Driss ist anders. Er bedauert Philippe nicht, sondern hilft ihm einfach, wenn es erforderlich ist. Es kommt allerdings auch vor, dass er Philippe ein klingelndes Telefon hinhält, weil er gerade nicht daran denkt, dass der Gelähmte seine Arme nicht bewegen kann. Driss macht sogar unbekümmert Witze auf Kosten des Behinderten, etwa wenn dieser um Schokolade bittet. „Keine Arme, keine Schokolade!“, dröhnt Driss da, lacht schallend und fährt fort: „Schwarzer Humor!“

Mit seiner Lebensfreude reißt Driss den Querschnittgelähmten aus der Trübsal. Wenn Philippe nachts nicht schlafen kann, schiebt er ihn mit dem Rollstuhl durch Paris, raucht mit ihm einen Joint und sucht mit ihm Prostituierte auf, die Philipps Ohren liebkosen, die einzigen erogenen Zonen, die dem Mann geblieben sind. Ohne es selbst zu merken, übernimmt Driss allmählich Verantwortung.

Eines Abends lässt Philippe sich von seinem Pfleger in die Oper bringen. Driss, der noch nie klassische Musik gehört hat, lacht lauthals, als ein als Baum verkleideter Sänger zu einer Arie anhebt. Und bei einer Geburtstagsfeier seines Arbeitgebers, bei der ein Streichorchester die „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi spielt, sorgt Driss mit einem MP3-Player und einer flotten Tanzeinlage für ein die Gäste schockierendes, Philippe jedoch amüsierendes Kontrastprogramm.

Als Driss mitbekommt, dass Philippe 42 000 Euro für ein abstraktes Gemälde bezahlt, fängt er zu malen an. Und Philippe gelingt es tatsächlich, das Bild für 11 000 Euro einem Freund anzudrehen.

Philippes Ehefrau starb vor drei Jahren an Krebs. Die pubertierende Adoptivtochter Elisa (Alba Gaïa Kraghede Bellugi) behandelt Driss und die anderen Hausangestellten von oben herab und klopft beispielsweise nicht an, wenn sie deren Zimmer betritt. Über diese Respektlosigkeit beschwert sich Driss beim Hausherrn, und der redet Elisa ins Gewissen. Als Elisa jedoch Liebeskummer hat, knöpft Driss sich ihren Freund Bastien (Thomas Solivéres) vor.

Seit einem halben Jahr unterhält Philippe mit Hilfe seiner Privatsekretärin Magalie eine Brieffreundschaft mit einer jungen Frau namens Eléonore (Dorothée Brière Méritte) in Dünkirchen. Driss wundert sich darüber, denn Frauen assoziiert er mit Sex. Philippe erklärt ihm, Eléonores Aussehen interessiere ihn nicht, es komme ihm auf einen geistigen Austausch an. Vergeblich versucht er Driss davon abzuhalten, die auf Eléonores Briefen angegebene Telefonnummer anzurufen. Als sie sich meldet und Driss ihm das Telefon ans Ohr hält, spricht er jedoch mit ihr und freut sich über ihre angenehme Stimme. Ihrem nächsten Brief legt sie ein Foto bei, und Philippe lässt sich von Driss überreden, auch eines von sich nach Dünkirchen zu schicken.

Einige Zeit später teilt Eléonore mit, dass sie in Paris zu tun habe und verabredet sich mit Philippe in einem Restaurant. Yvonne begleitet ihn. Sie treffen eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit im Restaurant ein. Philippe bekämpft seine Nervosität, indem er mehrere Gläser Whisky hinunterkippt, und als Eléonore sich gerade dem Eingang nähert, verlangt er von Yvonne, dass sie ihn wegbringt.

Enttäuscht über seine eigene Mutlosigkeit ruft Philippe seinen Pfleger an und lässt sich von ihm zum Flughafen fahren. Mit einem Privatjet fliegen sie in die Alpen, wo Philippe dafür sorgt, dass Driss seinem Beispiel folgt und einen Tandem-Gleitschirmflug wagt.

Als Driss‘ jüngerer, wie ein Bruder mit ihm zusammen aufgewachsener Cousin Adama (Cyril Mendy) von der Polizei mit Drogen erwischt wird und in Schwierigkeiten gerät, hält Driss es für seine Pflicht, sich um ihn zu kümmern, und Philippe, der das mitbekommt, schlägt ihm die Kündigung vor. Es fällt beiden schwer, sich zu trennen. Driss hat sein erklärtes Ziel, Magalie ins Bett zu bekommen, nicht erreicht. Erst beim Abschied klärt sie ihn darüber auf, dass sie mit einer lesbischen Freundin zusammen ist.

Während Driss zu seiner Tante zurückkehrt und als Kurierfahrer arbeitet, probiert Philippe neue Pfleger aus, aber keiner von ihnen stellt ihn zufrieden.


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Yvonne, die das mit Sorge beobachtet, nimmt schließlich Kontakt mit Driss auf, der unverzüglich ins Stadtpalais kommt und Philippe zu einer Spritztour mit dessen Maserati Quattroporte V abholt. Um den Depressiven aus seiner Lethargie zu reißen, gibt Driss richtig Gas. Es dauert nicht lang, bis sie von einem Streifenwagen verfolgt werden. Driss hängt ihn zwar ab, wird aber von einem entgegenkommenden zweiten Streifenwagen gestoppt. Statt in dieser Situation die Nerven zu verlieren, wettet Driss mit Philippe, dass sie gleich mit einer Eskorte weiterrasen werden. Er erklärt den Polizisten, sein querschnittgelähmter Arbeitgeber müsse so rasch wie möglich ins Krankenhaus gebracht werden. Als die Beamten den zusammengeklappten Rollstuhl im Kofferraum sehen und Philippe einen epileptischen Anfall vortäuscht, bilden sie mit ihren beiden Streifenwagen eine Eskorte und begleiten die beiden feixenden Männer mit Blaulicht zur Notaufnahme des nächsten Krankenhauses. Dort verabschieden sich die Polizisten.

„Und wie geht es jetzt weiter?“, fragt Philippe. „Lassen Sie mich machen“, antwortet Driss und fährt zur Verblüffung der Sanitäter, die mit mit einer Trage angerannt kommen, los.

Er bringt Philippe nach Dünkirchen und mietet sich mit ihm in einem Hotel am Strand ein. Dort gibt er ihm auch das gestohlene Fabergé-Ei zurück. Am Abend schiebt er Philippe mit dem Rollstuhl in ein Restaurant, wo er einen Tisch reservieren ließ. Aber er isst nicht mit ihm, sondern verabschiedet sich und beobachtet von draußen durchs Fenster, wie sich Eléonore, die er inzwischen anrief, zu Philippe setzt.

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Am Ende der Tragikomödie „Ziemlich beste Freunde“ sind kurz Philippe Pozzo di Borgo und Abdel Yasmin Sellou zu sehen. Die 2001 unter dem Titel „Le second souffle“ („Ziemlich beste Freunde. Das zweite Leben des Philippe Pozzo di Borgo“) veröffentlichte Autobiografie des querschnittgelähmten französischen Aristokraten Philippe Pozzo di Borgo lieferte die Vorlage für das Drehbuch. Allerdings haben Olivier Nakache und Eric Toledano aus dem Algerier Abdel Yasmin Sellou einen schwarzen Afrikaner aus dem Senegal gemacht.

„Ziemlich beste Freunde“ beginnt mit der Szene, in der Driss den verwahrlosten, bärtigen, depressiven Querschnittgelähmten Philippe im Maserati Quattroporte V durch Paris fährt und wegen überhöhter Geschwindigkeit von zwei Streifenwagen gestoppt wird. Dann drehen Olivier Nakache und Eric Toledano die Zeit zurück und erzählen chronologisch von Driss‘ Bewerbung bis zum Ausflug nach Dünkirchen. Dabei wiederholen sie auch die Anfangsszene in gekürzter Form.

Auf unkonventionelle Weise nähern sich Olivier Nakache und Eric Toledano mit „Ziemlich beste Freunde“ dem Thema Behinderung. Sie erzählen von der Freundschaft eines reichen querschnittgelähmten Aristokraten in einem Palais in Paris und eines vorbestraften Sozialhilfeempfängers mit Migrationshintergrund aus der Banlieue. Der senegalesische Pfleger erinnert seinen Arbeitgeber nicht ständig durch verbale bzw. nonverbale Mitleidsbekundungen an dessen Behinderung, sondern behandelt ihn ohne falsche Rücksichtnahme. So ist „Ziemlich beste Freunde“ ein Plädoyer für einen „pragmatischen“ Umgang mit Behinderten.

Zugleich prallen in dem ebenso ergreifenden wie unterhaltsamen Buddy-Movie gesellschaftliche und kulturelle Gegensätze aufeinander. Dabei bleibt „Ziemlich beste Freunde“ allerdings klischeehaft: Der sexuell aggressive Afrikaner aus dem Prekariat hat zwar beim Tanzen Rhythmus im Blut, versteht jedoch nichts von barocker bzw. klassischer Musik und findet eine Opernaufführung lächerlich. Durch die Begegnung mit einem weißen Europäer entwickelt sich der schwarze Afrikaner zu einem besseren Menschen, löst sich aus der Kriminalität, übernimmt Verantwortung und beginnt zu malen. Das ist rassistisch, auch wenn Olivier Nakache und Eric Toledano es gut gemeint haben.

Auch dramaturgisch ist das Drehbuch nicht ganz überzeugend: Als Driss seine Stellung bei Philippe aufkündigt, damit er sich um Adama kümmern kann, beginnt die Handlung zu holpern.

Sehenswert ist „Ziemlich beste Freunde“ vor allem wegen der unterhaltsam verpackten Denkanstöße für den Umgang mit Behinderten und der schauspielerischen Leistungen von François Cluzet und Omar Sy.

„Ziemlich beste Freunde“ spielte ein Mehrfaches des Budgets ein, das 9,5 Millionen Euro betrug. In Frankreich war „Ziemlich beste Freunde“ 2011 die erfolgreichste Komödie und der dritterfolgreichste Film überhaupt. Fünf Prozent des Gewinns kommen auf Wunsch von Philippe Pozzo di Borgo dem Förderverein für Behinderte Simon de Cyrène zugute.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

Philippe Pozzo di Borgo und Abdel Yasmin Sellou

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