Erster Weltkrieg: Kontroversen im Deutschen Reich, 1917

Die staatliche Führung in Berlin war zu Beginn des Ersten Weltkrieges überzeugt gewesen, einen notwendigen Verteidigungskrieg zu führen. Nachdem Millionen von Soldaten gefallen waren, verbreitete sich jedoch die Auffassung, dass es Frieden nur dann geben dürfe, wenn die gewaltigen Opfer durch entsprechende Entschädigungen und Annexionen gerechtfertigt werden könnten (Kreuznacher Programm, Frühjahr 1917).

Heftig protestierte die USPD gegen die Fortsetzung des Krieges und die Vorstellungen von einem „Siegfrieden“.

Die – von Hugo Haase (1863 – 1919) und Wilhelm Dittmann (1874 – 1954) geführte – Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands hatte sich im April 1917 konstituiert (Tagung in Gotha, 6. – 8. April 1917). Initiiert worden war die Parteigründung von achtzehn ehemaligen SPD-Abgeordneten, die am 24. März des Vorjahres eine eigene Reichstagsfraktion („Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“) gebildet hatten, weil sie nicht länger für die Bewilligung der geforderten Kriegskredite votieren wollten.

Sozialistische Parteien hatten im September 1915 auf einem internationalen Treffen in Zimmerwald bei Bern beschlossen, in ihren Heimatländern gegen den Krieg zu protestieren, und bei einer weiteren Zusammenkunft im April 1916 in Kiental bei Bern waren die Sozialisten für Friedensverträge ohne Annexionen und Kontributionen eingetreten.

Angesichts der Opfer und Anstrengungen aller Gesellschaftsschichten sah Kaiser Wilhelm II. ein, dass das preußische Dreiklassenwahlrecht nicht mehr unverändert beibehalten werden konnte. In seiner Osterbotschaft vom 7. April 1917 versprach er deshalb, nach dem Krieg das preußische Wahlrecht zu reformieren. Die halbherzige kaiserliche Osterbotschaft konnte jedoch nicht verhindern, dass die Kriegsunlust der Bevölkerung weiter zunahm. Am 16. und 17. April 1917 streikten Hunderttausende von Arbeitern im Deutschen Reich, um für den Frieden zu demonstrieren.

Gegen den erklärten Willen der Reichsregierung verabschiedete der Reichstag am 19. Juli 1917 eine Resolution, in der er sich für einen Verständigungsfrieden aussprach und Annexionen und Kontributionen verwarf.

In einer offiziellen Note bot Papst Benedikt XV. am 1. August 1917 an, zwischen den Krieg führenden Mächten zu vermitteln. Seine Bemühungen scheiterten jedoch, weil die Entente auf Gebietsforderungen gegenüber den Mittelmächten nicht verzichten wollte und das Deutsche Reich nicht bereit war, die Wiederherstellung eines unabhängigen belgischen Staates vorab zu garantieren.

Am 2. August gingen in Wilhelmshaven Matrosen der „Prinzregent Luitpold“ unerlaubt von Bord ihres Schiffes, um eine Protestversammlung gegen die Weiterführung des Kriegs zu veranstalten. Als Rädelsführer wurden die beiden Heizer Albin Köbis (1892 – 1917) und Max Reichpietsch (1894 – 1917) am 5. September standrechtlich erschossen.

Um mit Plakaten und Flugblättern, auf Versammlungen und Kundgebungen gegen einen Frieden ohne deutsche Annexionen („Verzichtfrieden“) zu agitieren, wurde am 3. September 1917 die „Deutsche Vaterlandspartei“ gegründet.

Die Auseinandersetzung über die Frage, ob der Krieg so rasch wie möglich zu beenden oder fortzusetzen sei, verschärfte sich und führte auch dazu, dass innerhalb eines halben Jahres zweimal der Reichskanzler ausgewechselt wurde: Am 14. Juli 1917 nahm Theobald von Bethmann-Hollweg seinen Abschied, und sein Nachfolger Georg Michaelis machte am 1. November Platz für Georg Graf von Hertling.

Fortsetzung

© Dieter Wunderlich 2006

Erster Weltkrieg: Inhaltsverzeichnis

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Julian Barnes überlässt in "Die einzige Geschichte" dem Protagonisten Paul das Wort. Der blickt als 70-Jähriger zurück auf die Beziehung mit Susan, die ein halbes Jahrhundert zuvor begann. Im ersten Teil verwendet er die Ich-Form, in der Mitte des Buches wechselt er zum Du, und im dritten Teil spricht er von sich in der dritten Person Singular, also noch distanzierter.
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