Sommer in Orange

Sommer in Orange

Sommer in Orange

Originaltitel: Sommer in Orange – Regie: Marcus H. Rosenmüller – Drehbuch: Ursula Gruber – Kamera: Stefan Biebl – Schnitt: Georg Söring – Musik: Gerd Baumann – Darsteller: Amber Bongard, Petra Schmidt-Schaller, Georg Friedrich, Thomas Loibl, Oliver Korittke, Florian Karlheim, Daniela Holtz, Heinz-Josef Braun, Bettina Mittendorfer, Brigitte Hobmeier, Gundi Ellert, Béla Baumann, Wiebke Puls, Daniel Zillmann, Chiem van Houweninge u.a. – 2011; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Als der Bhagwan-Jünger Siddharta einen Bauernhof erbt, zieht er im Sommer 1980 mit der ganzen Kommune, in der er lebt, von Berlin-Kreuzberg ins oberbayrische Dorf Talbichl, um dort ein Therapiezentrum einzurichten. Lili, die elfjährige Tochter der Kommunardin Amrita, leidet darunter, im Dorf und in der Schule als Außenseiterin zu gelten, aber ihre Mutter ist mit der Suche nach sich selbst beschäftigt und merkt nichts davon ...
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Kritik

"Sommer in Orange" ist eine etwas zu lang geratene Culture-Clash-Komödie. Ursula Gruber und Marcus H. Rosenmüller setzen auf Klamauk, und bei den Figuren handelt es sich mehr um überzeichnete Karikaturen als um Charaktere.
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Als der aus Österreich stammende Bhagwan-Jünger Siddharta (Georg Friedrich) einen Bauernhof erbt, zieht er im Sommer 1980 mit der ganzen Kommune, in der er lebt, von Berlin-Kreuzberg ins oberbayrische Dorf Talbichl, um dort ein Therapiezentrum einzurichten. Die Einheimischen beobachten die orange gekleideten „Zuagroasten“ argwöhnisch, zumal diese gar nicht daran denken, sich zu integrieren und beispielsweise nackt im Freien tanzen. Wiltrud Hase (Ulla Geiger) beobachtet es von ihrem Balkon aus. Während die Dorfbevölkerung nach der Sonntagsmesse vom Pfarrer (Butz Ulrich Buse) vor der Kirche verabschiedet wird, dröhnen vom Bauernhof der Kommune spirituelle Gesänge herüber, und Wiltrud Hase drängt den Bürgermeister (Heinz-Josef Braun), etwas zu unternehmen. In der Metzgerei fällt die Ähnlichkeit Siddhartas mit einem der gesuchten RAF-Terroristen auf einem Fahndungsplakat auf.

Zur Kommune gehört auch Amrita (Petra Schmidt-Schaller) mit ihrer elfjährigen Tochter Lili (Amber Bongard) und dem zwei Jahre jüngeren Sohn Fabian (Béla Baumann). Der Vater (Gerd Baumann) der Kinder sei als Ökoaktivist auf der „Rainbow Warrior“ unterwegs, heißt es. Amrita schläft jetzt mit Siddharta. Sie ist voll damit beschäftigt, sich selbst zu suchen und merkt nicht, was der Umzug von Berlin nach Talbichl für Lili bedeutet: In der Schulklasse gilt sie als Außenseiterin, und sie legt sich auch mit der Lehrerin (Gundi Ellert) an, weil sie es nicht gewohnt ist, sich strengen Regeln zu unterwerfen. Als ihr der Metzger (Ferdinand Dörfler) ein Wiener Würstl schenken will, lehnt sie es ab und sagt, was sie gelernt hat: „Wir essen keine toten Tiere.“

Kurz darauf findet die schwäbische Bhagwan-Jüngerin Brigitte (Daniela Holtz) die versteckten Würstel, die Siddharta sich heimlich beim Metzger besorgt hat. Aufgebracht stellt sie Siddharta zur Rede, aber der Kommunarde leugnet die Verfehlung und versucht den Verdacht auf Lili zu lenken.

Amrita und Prakasch (Chiem van Houweninge) fahren für ein paar Tage zu einer Gruppentherapie des Bhagwan-Jüngers Prem Bramana (Thomas Loibl). Begeistert und mit einem Stein der Erleuchtung kehren sie zurück. Amrita, die offenbar mit Prem Bramana intim war, schwärmt beim Koitus mit Siddharta von der ungeheuren Energieübertragung und davon, dass sie Prem Bramana in sich spüre. Da springt Siddharta eifersüchtig auf und läuft hinaus.

Weil die Sannyasin alle mit ihren Neurosen und spirituellen Übungen beschäftigt sind, vergessen sie, den Kühlschrank aufzufüllen. Hungrig läuft Lili zur Frau des Bürgermeisters (Bettina Mittendorfer) und bittet um etwas Brot und Butter.

Lili, die inzwischen auch schon mal eine Leberkäs-Semmel vom Metzger isst, würde sich gern in die Dorfgemeinschaft einfügen, aber um beim geplanten Dorffest mitmachen zu dürfen, müsste sie einem der Vereine angehören. Der Mitschüler Franz (Thomas Wittmann) und sein Freund Max (Daniel Brunner), der Sohn des Bürgermeisters, bieten Lili ihre Hilfe an, aber als Vor- und Gegenleistung will Franz erst einmal Lilis Brüste sehen. Statt sich auszuziehen, ohrfeigt Lili ihn und kann nun nicht mehr auf die Unterstützung der beiden Jungen hoffen. Vergeblich zieht sie mit ihrem Bruder Fabian durchs Dorf und bittet um Aufnahme in die verschiedenen Vereine. Nach dem Fehlschlag überredet die Kommunardin Leela (Brigitte Hobmeier) den Postboten Rudi (Florian Karlheim), der ein Auge auf sie geworfen hat, etwas für die Kinder zu tun, und er nimmt sie in die von ihm geleitete Kapelle auf, die fleißig für das anstehende Dorffest übt.

Als Leela nach dem Koitus mit Rudi in Hochstimmung zu den anderen Kommunarden kommt, die ihre Lustschreie gehört haben, fängt der eifersüchtige Berliner Gopal (Oliver Korittke) Streit mit ihr an, obwohl er selbst immer predigte, dass Liebe nur in völliger Freiheit und Ungebundenheit möglich sei.

Prem Bramana besucht die Kommune in Talbichl und wird von den Kommunarden überschwänglich empfangen. Als er während einer Meditationsübung Blasmusik hört, erkundigt er sich danach und erfährt, dass im Dorf ein Fest gefeiert wird. Daran will er teilnehmen. Also wandern alle in orangefarbigen Gewändern auf den Dorfplatz, wo der Bürgermeister soeben seine Eröffnungsrede beendet. Als Amrita ihre Kinder in Trachtenkleidung entdeckt, fängt sie zu keifen an. Der Mutter-Tochter-Konflikt wirkt wie ein Zünder: Der Streit löst eine Rauferei zwischen den Dorfbewohnern und den Bhagwan-Jüngern aus. Siddharta nutzt die Gelegenheit, um seinen Nebenbuhler Prem Bramana niederzuschlagen.

Amrita beabsichtigt, ihre Kinder in einer Kinderkommune in England unterzubringen und mit Prem Bramana nach Oregon zu ziehen. Frustriert läuft Lili davon. Sie möchte zu ihrem Vater nach Hamburg trampen. Die Frau des Bürgermeisters liest sie von der Straße auf und nimmt sie mit nach Hause.

Als ihr Mann nach Hause kommt und Lili hinauswerfen will, behauptet das Kind, dass in der Kommune Drogen konsumiert würden und es Beziehungen zur RAF gebe. Da wird der konservative Bürgermeister hellhörig. Kurz darauf fährt ein Großaufgebot der Polizei vor und verhaftet die Sannyasin. Wiltrud Hase schaut von ihrem Balkon aus zu, und weil sie sich zu weit über das Geländer beugt, damit ihr nichts entgeht, stürzt sie in den Tod.

Entsetzt über die Folgen ihrer zornigen Lügen, rennt Lili in den Wald. Dort glaubt sie den Bhagwan (Ercan Karacayli) über dem Stein der Erleuchtung schweben zu sehen. Lachend gesteht er ihr, dass er den Weg selbst nicht kenne.

Bei der polizeilichen Durchsuchung des Bauernhofs wird außer zwei Cannabis-Stauden nichts gefunden. Deshalb kehren die Kommunarden am nächsten Morgen zurück.

Sie suchen nach Lili und finden sie im Wald. Das Mädchen gesteht, die Polizeiaktion ausgelöst zu haben.

Prem Bramana hat genug von dem Dorf. Er will abreisen und fordert Amrita auf, mitzukommen. Aber sie hat sich auf ihre Mutterrolle besonnen und erklärt ihm, dass sie mit ihren Kindern in Talbichl bleiben werde.

Am nächsten Morgen bringen der Chor und die Kapelle des Dorfes Lili ein Ständchen zum 12. Geburtstag.

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Die Ethnologin und Dokumentarfilmerin Ursula Gruber und ihr Bruder, der Filmproduzent Georg Gruber, wuchsen in einer Bhagwan-Kommune in Hohenschäftlarn auf. Diese Erfahrung verarbeitete Ursula Gruber in einem Drehbuch, das sie 2008 Marcus H. Rosenmüller zu lesen bat. So kam es schließlich zur Verfilmung.

„Sommer in Orange“ ist eine etwas zu lang geratene Culture-Clash-Komödie mit Anklängen ans Volkstheater und Heimatfilm-Genre. Ursula Gruber und Marcus H. Rosenmüller setzen auf Klamauk, statt den Mutter-Tochter-Konflikt oder den Widerspruch zwischen der Sehnsucht nach Freiheit und Gemeinschaft auszuleuchten. Dass die Kommunarden mit ihren menschlichen Schwächen und ihrer Eifersucht nicht weniger spießig sind als die Bewohner eines oberbayrischen Dorfes bleibt auch nur eine oberflächliche Darstellung ohne Unterbau. An keiner Stelle geht „Sommer in Orange“ in die Tiefe, und bei den Figuren handelt es sich mehr um überzeichnete Karikaturen als um Charaktere. Erzählt wird die aus bunten Episoden zusammengesetzte Geschichte aus der Perspektive der elf- bzw. zwölfjährigen Lili.

Bemerkenswert ist die Farbregie in „Sommer in Orange“: Anfangs kontrastiert das Orange der Sannyasin mit Bildern aus dem Dorf, in denen kühle Farben wie Blau vorherrschen. Im Lauf der Zeit vermischen sich jedoch die Farben.

Das Dorf Talbichl ist fiktiv.

Die Dreharbeiten für „Sommer in Orange“ fanden vom 15. Mai bis 10. Juli 2010 vor allem in Oberbiberg bei München statt. Der Bauernhof, auf dem Innen- und Außenaufnahmen entstanden, befindet sich in der Nähe des Kandlerhofs, in dem Marcus H. Rosenmüller fünf Jahre zuvor seinen Film „Wer früher stirbt ist länger tot“ gedreht hatte. Als Kulisse für die Schule in Talbichl diente die Grundschule im Miesbacher Stadtteil Parsberg. Das Dorffest wurde in Baiernrain inszeniert.

Bei Béla Baumann, dem Darsteller des neunjährigen Fabian, handelt es sich um den Sohn des Komponisten Gerd Baumann, der kurz als Vater von Lili und Fabian zu sehen ist. Das von Gerd Baumann komponierte und getextete Wunderlied wird von Rosalie Eberle gesungen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Marcus H. Rosenmüller (kurze Biografie / Filmografie)

Marcus H. Rosenmüller: Wer früher stirbt, ist länger tot
Marcus H. Rosenmüller: Die Perlmutterfarbe
Marcus H. Rosenmüller: Sommer der Gaukler

Bruno Ernst - Der Zauberspiegel des M. C. Escher
"Escher ist kein Surrealist, der uns in Traumwelten entführt. Er ist ein Konstrukteur unmöglicher Welten, der das real Unmögliche in seinen Bildern streng und gesetzmäßig darstellt."
Der Zauberspiegel des M. C. Escher