Kreuzzüge

Vorgeschichte

Das bis dahin nomadisierende Turkvolk der Ogusen ließ sich im 8. Jahrhundert am Aralsee nieder. Etwa zur Jahrtausendwende eröffnete der Ogusenhäuptling Seldschuk die nach ihm benannte Dynastie und als Greis bekannte er sich zum Islam. 1055 zogen die Seldschuken als Sieger in Bagdad ein; ihr Führer legte sich den den Titel eines Sultans zu, und wie die Mameluken und Bujiden vor ihnen ließen sich auch die Seldschuken-Sultane durch den (Schatten-)Kalifen legitimieren.

Die Seldschuken begannen, Byzanz zu attackieren. 1071 besiegten sie die Byzantiner bei Mantzikert in Armenien. Zum ersten Mal musste daraufhin der Goldgehalt des 324 von Konstantin dem Großen eingeführten Goldsolidus herabgesetzt werden. Suleiman I., ein Urenkel Seldschuks, gründete 1077 das Rum-Sultanat in Kleinasien. Als Kaiser Manuel I. Komnenos (1143 – 1180) auf dem Höhepunkt seiner Macht versuchte, Kleinasien zurückzuerobern, schlugen ihn die Türken vernichtend (Schlacht von Myriokephalon, 1176). Mit der byzantinischen Großmacht war es vorbei.

Das fatimidische Ägypten eroberten die Seldschuken zwar nicht, aber sie drangen in den Siebzigerjahren des 11. Jahrhunderts nach Syrien und Palästina vor.

Zur selben Zeit, als die Seldschuken von Osten her expandierten, schuf im Westen die Berber-Dynastie der Almoraviden ein Reich: 1062 eroberten die Almoraviden Marokko, 1082 hatten sie die Fatimiden aus dem Maghreb verdrängt, 1086 setzten sie auf die Iberische Halbinsel über, und wenige Jahrzehnte später war ihre Dynastie auch im maurischen Spanien allgemein anerkannt. Im 12. Jahrhundert wurden sie von den Almohaden gestürzt.

Nachdem die Römer den Bar-Kochba-Aufstand (132 – 135) niedergeworfen hatten, verboten sie es den Juden, Jerusalem (Aelia Capitolina) zu betreten. Konstantin der Große baute über dem vermeintlichen Grab Jesu (Heiliges Grab) die Grabeskirche, wodurch Jerusalem sich zu einem der bedeutendsten christlichen Wallfahrtsorte entwickelte. 638 eroberten die Araber die Stadt. Kalif Abd Al Malik errichtete 688 bis 691 über dem Felsen, auf dem Abraham bereit gewesen sein soll, Isaak zu opfern, den (inzwischen mehrmals restaurierten) Felsendom, der nach der Kaaba zum zweitwichtigsten islamischen Heiligtum wurde – wodurch Jerusalem für die Muslime eine besondere Bedeutung gewann. 1071 entrissen die Seldschuken Jerusalem den Fatimiden, die dort seit 969 geherrscht hatten und die Stadt 1098 zurückeroberten. Im Jahr darauf erstürmten die Kreuzfahrer Jerusalem.

Der 1. Kreuzzug

Als Alexios I. Komnenos 1081 den byzantinischen Thron bestieg, sah er sich im Norden von den Petschenegen, im Westen von den Normannen und im Osten von den Seldschuken bedrängt. 1095 sandte er eine Abordnung zur Synode von Piacenza, die den Papst um Hilfe gegen die Seldschuken bat. Die Bitte wurde erfüllt – allerdings so, wie es die Byzantiner nicht im Traum erwartet hätten! Sie dachten wohl nur an Söldnertruppen; tatsächlich löste ihr Anliegen den ersten Kreuzzug aus.

Papst Urban II. griff das byzantinische Hilfsgesuch auf. Er verknüpfte das Ziel, die Heiden zu bekämpfen, mit der Absicht, Jerusalem von den Muslimen zu befreien und mit der Idee friedlicher Pilgerfahrten. Begeistert wurde seine Predigt am 27. November 1095 auf der Synode von Clermont aufgenommen („Gott will es!“). Die Idee des Kreuzzuges zündete. Noch im Winter brach der Volksprediger Peter von Amiens mit den ersten Horden von Kreuzfahrern auf („Kreuzzug der Armen“). In mehreren deutschen Städten drangsalierten sie die Juden. Soweit diese Pulks Kleinasien überhaupt erreichten, wurden sie dort von den Seldschuken aufgerieben. Gottfried IV. von Bouillon, der Herzog von Niederlothringen, verpfändete seinen Besitz, um das Kreuz nehmen und die Kosten bestreiten zu können. Die Ritterheere, die sich unter seiner und anderer Fürsten Leitung 1096 auf den Weg machten, waren weitaus besser gerüstet und vorbereitet als die chaotischen Haufen des Vorjahres (1. Kreuzzug, 1096 – 1099). Nach einmonatiger Belagerung nahm Gottfried von Bouillon am 15. Juli 1099 Jerusalem ein.

Die Kreuzfahrer raubten und mordeten. Einen Monat später kehrten die meisten der überlebenden Kreuzfahrer in die Heimat zurück. Als Herrscher von Jerusalem titulierte sich Gottfried von Bouillon: „Beschützer des Heiligen Grabes“ (Advocatus sancti Sepulehri). Sein Bruder und Nachfolger Balduin I. (1100 – 1118) legte sich den Königstitel zu. Kreuzfahrerstaaten entstanden außerdem in Edessa (1098 – 1144) und Antiochia (1098 – 1268).

Der 2. Kreuzzug

1144/45 eroberte der Emir von Mosul den Kreuzfahrerstaat Edessa. Das veranlasste Bernhard von Clairvaux, zum 2. Kreuzzug (1147 – 1149) aufzurufen. König Konrad III. und König Ludwig VII. von Frankreich führten das Unternehmen, das schon auf dem Anmarsch scheiterte. Edessa blieb verloren.

Der 3. Kreuzzug

1187 nahm Sultan Saladin Jerusalem und Akkon ein. Saladin hatte 1169 die Fatimiden gestürzt und im Vorderen Orient die Aijubiden-Dynastie (1171 – 1250) an die Macht gebracht. Kaiser Friedrich I. Barbarossa, König Philipp II. August von Frankreich und König Richard I. Löwenherz von England nahmen das Kreuz (3. Kreuzzug, 1189 – 1192), um das Heilige Grab zurückzugewinnen. Barbarossa ertrank im Saleph. Einziger Erfolg des 3. Kreuzzuges war die Rückeroberung von Akkon (1190) und ein Friedensvertrag (1192) mit dem wegen seiner Großzügigkeit berühmten Sultan Saladin, der es christlichen Pilgern erlaubte, Jerusalem zu besuchen.

Akkon (am Nordende der Bucht von Haifa) war von 1104 bis 1187 eine der Hauptbasen der Kreuzfahrer gewesen. In den hundert Jahren von der Rückgewinnung durch die Christen bis zur Zerstörung durch die Mameluken (1190 – 1291) war Akkon der bedeutendste Stützpunkt der Kreuzfahrer und – von 1191 bis 1229 und von 1244 bis 1291 – die Hauptstadt des Königreichs Jerusalem. Hier residierten auch die drei bedeutendsten Ritterorden: Der Deutsche Orden, die Johanniter und die Templer. Die während der Kreuzzüge gegründeten Ritterorden verbanden das mönchische mit dem ritterlichen, das asketische mit dem kämpferischen, das wohltätige mit dem beschützenden Ideal. Durch Schenkungen und Exemptionen (Befreiung vom Zehnten) sammelten die Orden – vor allem die Templer – riesige Vermögen an. Die Tracht übernahmen sie von den Muslimen und versahen ihn zur Unterscheidung der Orden mit Kreuzen verschiedener Formen und Farben.

1190, bei der Belagerung von Akkon, war der Deutsche Orden als Bruderschaft zur Krankenpflege gestiftet und mit einem Zelthospital aus Segeln Bremer und Lübecker Handelsschiffe ausgestattet worden. Der Deutsche Orden – 1198 in einen Ritterorden umgewandelt – wich nach der Zerstörung Akkons nach Zypern und Venedig aus und ließ sich 1309 in Marienburg nieder. Der Johanniterorden hatte sich im 11./12. Jahrhundert aus einem Pilgerhospital in Jerusalem entwickelt und zog 1291 zunächst nach Zypern, 1308 nach Rhodos. Der 1119 gegründete Templerorden, der sein Statut Bernhard von Clairvaux verdankte, schlug 1191 sein Hauptquartier in Akkon auf und nach dessen Verwüstung auf Zypern.

Der 4. Kreuzzug

828 wurden die legendären Reliquien des Evangelisten Markus aus Alexandria nach Venedig gebracht. Um sie aufzunehmen, errichteten die Venezianer im 9. Jahrhundert eine Kirche, die nach einem Stadtbrand vom 11. Jahrhundert an neu gebaut wurde: San Marco. Im 9. und 10. Jahrhundert blühte der Handel der sich gegenüber Byzanz verselbständigenden Stadt mit der Balkanhalbinsel und der Levante auf, und vor allem im Verlauf der Kreuzzüge – in denen die Markusrepublik gegen Bezahlung und die Einräumung von Handelsprivilegien Schiffe stellte – wurde Venedig reich und mächtig. 1122/23 und 1171/72 bekriegten sich das aufstrebende Venedig und das niedergehende Byzanz. Dieser Konflikt bestimmte den 4. Kreuzzug (1202 – 1204).

Seit 1201 sammelten sich Kreuzfahrer in Venedig und charterten Schiffe. Da aber viele Ritter sich selbst um ihre Überfahrt kümmerten, kamen halb so viele Teilnehmer für die Charter-Schiffe zusammen wie erwartet. Da die Venezianer dennoch die volle vereinbarte Summe für die Flotte verlangten, überstiegen die Kosten die Möglichkeiten der Kreuzritter. Der Doge Enrico Dandolo, ein verschlagener blinder Greis, veranlasste die Ritter, für Venedig Zadar von Ungarn zurückzuerobern, um ihre Schulden bezahlen zu können. Als Kreuzzug konnte das Unternehmen gegen die katholische dalmatinische Küstenstadt nicht ausgegeben werden, da der ungarische König selbst das Kreuz genommen hatte. Tatsächlich bannte der Papst das Kreuzfahrerheer.

In Byzanz hatte Isaak II. Angelos den rechtmäßigen Basileios (Andronikos I. Komnenos) gestürzt und dessen beide Söhne geblendet. Nach zehnjähriger Regierungszeit war er im Juni 1195 selbst durch seinen Bruder Alexios III. Angelos entmachtet und geblendet worden. Im Herbst 1201 gelang es dem Sohn des entthronten Kaisers, Alexios (IV.), der Gefangenschaft seines Onkels zu entfliehen. Er suchte seinen Schwager auf, König Philipp von Schwaben, der ihn an Graf Bonifaz von Montferrat verwies, der maßgeblich an der Führung des vierten Kreuzzuges beteiligt war. (Philipp von Schwaben konnte selbst durch seine Ehe mit Irene/Maria – der Tochter des gestürzten Kaisers Isaak II. Angelos –, Ansprüche auf den byzantinischen Thron geltend machen, und Bonifaz von Montferrat war ein treuer Lehnsmann des Stauferkönigs.) Alexios versprach den Kreuzfahrern, dem Papst die Ostkirche zu unterstellen, sich selbst dem Kreuzzug mit zehntausend Rittern anzuschließen, zeitlebens fünfhundert Ritter für den Kampf gegen die Heiden in Palästina zu stellen und den Kreuzfahrern eine unvorstellbare Summe Geldes zu zahlen – für den Fall, dass sie ihm den byzantinischen Thron verschafften.

1203 tauchte die Kreuzfahrerflotte am Bosporos auf, und am 17. Juli wurde Byzanz gestürmt. Alexios III. entfloh, die Byzantiner holten den geblendeten Isaak II. Angelos aus dem Gefängnis und setzten ihn auf den Thron. Widerstrebend befolgte Isaak II. die Forderungen der Kreuzfahrer, seinen Sohn zu inthronisieren und dessen unrealistische Zusagen zu bestätigen. Am 1. August 1203 wurde Alexios IV. Angelos gekrönt.

Alexios vertröstete die Kreuzfahrer bis zum nächsten Frühjahr, aber allmählich sahen alle ein, dass er seine Versprechungen nicht erfüllen konnte. Im Januar 1204 stürzte ein Schwiegersohn von Alexios III. den blinden Isaak II. und dessen Sohn Alexios IV. und setzte sich selbst als Alexios V. Murtzuphlos auf den Thron.

Daraufhin erstürmten die Kreuzritter Byzanz zum zweiten Mal. Die Stadt wurde geplündert und verwüstet, und Nonnen und Kirchen wurden von den Kreuzfahrern nicht verschont. Bonifaz von Montferrat rechnete damit, zum Kaiser von Byzanz gekürt zu werden, aber Enrico Dandolo setzte den schwächeren Balduin von Flandern durch: am 16. Mai 1204 wurde dieser in der Hagia Sophia von Bischöfen gekrönt. Den Bewohnern des Lateinischen Kaiserreichs (Romania) wurde das römisch-katholische Bekenntnis aufgezwungen. Schon bald wurde das Reich jedoch auf die Stadt Byzanz und ihre nähere Umgebung zurückgedrängt. In Nikaia lebte ein byzantinisches Exilkaiserreich fort, und die griechisch-orthodoxe Kirche nahm dort immer mehr den Charakter eines nationalen Bekenntnisses an. Nikaia eroberte am Ende Konstantinopel, beendete das Lateinische Kaiserreich und stellte das Byzantinische Reich wieder her (1261).

Der Kinderkreuzzug

1212 entartete die Kreuzzugsbewegung im Kinderkreuzzug: Tausende von Kindern aus Frankreich und den Rheinlanden machten sich auf den Weg. Viele kehrten wieder um; andere schifften sich in Genua und in Marseille ein – und wurden zum Teil von betrügerischen Seeleuten in Ägypten und Syrien auf Sklavenmärkten verkauft.

Die letzten Kreuzzüge

1228 löste Kaiser Friedrich II. sein Kreuzzugsgelöbnis ein – obwohl ihn der Papst gebannt hatte. Durch Verhandlungen mit Sultan al-Kâmil gelang es Friedrich 1229, Jerusalem, Bethlehem und Nazareth für zehn Jahre überlassen zu bekommen, wobei den Muslimen freier Zugang zum Felsendom und zur El-Aksa-Moschee vorbehalten blieb.

1244 ging Jerusalem erneut an die Muslime verloren, dieses Mal bis zum 1. Weltkrieg. König Ludwig IX., der Heilige, unternahm noch einmal zwei Kreuzzüge (6. Kreuzzug, 1248 – 1254; 7. Kreuzzug, 1270), aber er scheiterte. Mit der Eroberung Akkons durch die Mameluken im Jahr 1291 endete die Geschichte der Kreuzzüge und Kreuzfahrerstaaten.

Die Kreuzzüge hatten erstmals die anwachsenden Kräfte Europas nach außen gelenkt und das römisch-katholische Abendland verhältnismäßig geschlossen handeln lassen. Die lateinischen Kreuzfahrerstaaten hatten auf dem Höhepunkt ihrer Ausdehnung die gesamte syrisch-palästinensische Küste beherrscht. Aber insgesamt ist die Kreuzzugsbewegung gescheitert.

© Dieter Wunderlich 2005

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"Girl on the Train" beginnt als Charak­terstudie, Vorstadt- und Beziehungs­drama, mutiert dann aber zum Psycho­thriller. Paula Hawkins lässt abwechselnd drei Ich-Erzählerinnen auftreten und spielt virtuos mit der Widersprüchlichkeit ihrer Wahr­nehmungen.
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