Amelia Earhart


Amelia Earhart war die Erste, die sowohl den Atlantik als auch den Pazifik im Alleinflug überquerte. Mit ihren fliegerischen Pionierleistungen widerlegte sie die gängige Auffassung, dass Frauen für solche Herausforderungen weder physisch noch psychisch geeignet seien. Eine spektakuläre Erdumrundung am Äquator sollte den Höhepunkt ihrer Karriere bilden. Zwanzig Stunden nach dem Start zur vorletzten Etappe meldete sie sich noch einmal kurz per Funk. Seither fehlt trotz einer sofortigen Suchaktion und weiterer Nachforschungen jede Spur von ihr.


Amelia Earhart:
»Lady Lindy Lost!«

Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: WageMutige Frauen. 16 Porträts aus drei Jahrhunderten
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2004 / Piper Taschenbuch, München 2008 (5. Auflage: 2011)

Amelia Earhart kann es kaum erwarten, bis die Maschine repariert ist. Dann fliegen sie und Fred Noonan am 21. Mai nach Miami, und am 1. Juni um 5.56 Uhr starten sie erneut zum Flug um die Erde. Fünfhundert Schaulustige jubeln ihnen zu.

Während Amelia im Cockpit sitzt und die Maschine steuert, kauert Noonan am Navigationstisch zwischen den Tanks im Rumpf der Maschine. Informationen schreiben sie auf Zettel und ziehen sie an einer Schnur hin- und her, weil die lauten Motoren eine mündliche Kommunikation unmöglich machen. Wenn sie nach fünf, acht, auch einmal zehn Stunden aussteigen, dröhnt ihnen der Lärm noch lange in den Ohren. Zuerst fliegen sie nach Südwesten, über die Karibik, der südamerikanischen Küste entlang. Am 7. Juni überqueren sie den Atlantik von Brasilien nach Senegal. Als sie acht Tage später in Karachi landen, haben sie die Hälfte der Route geschafft. Weiter geht es über Indien nach Malaysia. Außer dem Fliegen, das ihre volle Konzentration erfordert, setzen ihnen Sandstürme, Monsunregen und tropisch-heiße Nächte schwer zu. Auf Java fühlt Amelia sich krank und erschöpft. In dieser Verfassung beginnt sie zu zweifeln, ob sich Aufwand, Strapazen und Risiken überhaupt lohnen. Von New York aus drängt Putnam sie zur Weiterreise: Er will, dass sie die Erdumrundung vor dem amerikanischen Nationalfeiertag abschließt, weil die Begeisterung dann besonders groß sein wird. Nach einem Zwischenstopp an der Nordküste Australiens treffen Amelia und Noonan am 29. Juni – also fünfeinhalb Wochen nach ihrem Start in Kalifornien – in Lae auf Neuguinea ein.

Dort versucht Amelia vergeblich, Harry Balfour, einen Radiomechaniker der »New Guinea Airways« zu überreden, sie auf ihrem Weiterflug zu begleiten. Die nächste, 4740 Kilometer lange Etappe gilt nämlich als besonders gefährlich, weil sie Howland Island finden müssen, eine winzige Insel der Phönix-Gruppe in der Südsee zwischen Hawaii und Australien. In einer Zeit, in der es für den Navigator über der hohen See nur Kompass, Uhr, Geschwindigkeitsmesser, Sterne beziehungsweise Sonnenstand und eventuell Funksignale als Orientierungshilfen gibt, ist das keine einfache Aufgabe. Aber dieses Etappenziel ist ihre einzige Chance, denn die Treibstoffmengen, die sie

Dieter Wunderlich: WageMutige Frauen © Piper Verlag 2008

aufnehmen können, reichen nicht weiter. Noonan hat die zur Verfügung gestellten Karten der US-Regierung sorgfältig studiert. Er kann nicht ahnen, dass die Insel elf Kilometer zu weit nordwestlich eingezeichnet ist.

Am 2. Juli, um 10.22 Uhr Ortszeit, reden Amelia Earhart und Fred Noonan sich Mut zu und steigen erneut auf. In achtzehn Stunden wollen sie auf Howland Island landen. Der Sprit wird etwa zwanzig Stunden reichen. Neunzehn Stunden und zwölf Minuten nach dem Start empfängt der vor Howland Island kreuzende und auf sie wartende Kutter der amerikanischen Küstenwache einen Funkspruch Amelias: »KHAQQ ruft Itasca. Wir müssen über euch sein, können euch aber nicht sehen. Der Sprit geht zu Ende. Wir sind nicht in der Lage, euch über Funk zu erreichen. Wir fliegen in tausend Fuß.« Sechzehn Minuten später heißt es: »Wir kreisen, können euch aber nicht hören.« Gleich darauf funkt Amelia: »Wir empfangen eure Signale, können euch aber nicht anpeilen.« Zwanzig Stunden und vierzehn Minuten nach dem Start gibt die verzweifelte Pilotin durch, dass sie auf einer Linie, auf der sie und ihr Navigator Howland Island vermuten, hin- und herfliegt: »We are running north and south.« Dieser Satz ist das letzte Lebenszeichen von ihr und Fred Noonan.

US-Präsident Franklin D. Roosevelt setzt einen Krisenstab ein und ordnet die größte Suchaktion an, die es jemals für ein einzelnes Flugzeug gegeben hat. Viertausend Männer der US-Marine beteiligen sich daran. Erst nach mehr als zwei Wochen wird die Rettungsaktion eingestellt – ergebnislos. Von den Insassen und der Maschine fehlt jede Spur. Das tragische Ende verschafft dem Unternehmen neue Schlagzeilen: »Lady Lindy Lost!« Ungeachtet seiner Trauer nützt Putnam die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit aus und lanciert rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft ein Buch mit Amelias Berichten über die Etappen ihres letzten Flugs: »Last Flight«.


Mira Nair drehte mit Hilary Swank als Amalia Earhart, Ewan McGregor als Gene Vidal, Richard Gere als George Putnam einen Film über die legendäre Fliegerin: „Amelia“.

Originaltitel: Amelia – Regie: Mira Nair – Drehbuch: Ronald Bass, Anna Hamilton Phelan, nach den Büchern „East to the Dawn“ von Susan Butler und „The Sound of Wings“ von Mary S. Lovell – Kamera: Stuart Dryburgh – Schnitt: Allyson C. Johnson, Lee Percy – Musik: Gabriel Yared – Darsteller: Hilary Swank, Richard Gere, Ewan McGregor, Christopher Eccleston, Joe Anderson, Cherry Jones, Mia Wasikowska, Aaron Abrams, Dylan Roberts, Scott Yaphe, Tom Fairfoot, Ryann Shane, William Cuddy, Elizabeth Shepherd, Richard Donat u.a. – 2009; 110 Minuten

Quelle: Dieter Wunderlich, WageMutige Frauen. 16 Porträts aus drei Jahrhunderten
© Pustet Verlag, Regensburg 2004
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"Draußen vor der Tür" ist ein packendes, groteskes, expressionistisches Drama in einer außergewöhnlich poetischen Sprache.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.