Die Invasion der Barbaren

Die Invasion der Barbaren

Die Invasion der Barbaren

Die Invasion der Barbaren – Originaltitel: Les invasions barbares – Regie: Denys Arcand – Drehbuch: Denys Arcand – Kamera: Guy Dufaux – Schnitt: Isabelle Dedieu – Musik: Pierre Aviat – Darsteller: Rémy Girard, Stéphane Rousseau, Marie-Josée Croze, Marina Hands, Dorothée Berryman, Johanne Marie Tremblay, Pierre Curzi, Yves Jacques, Louise Portal, Dominique Michel, Isabelle Blais u.a. – 2003; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Der Historiker Rémy hat Krebs im Endstadium. Er liegt in einem überfüllten Krankenhaus in Montreal. Seine Ex-Frau Louise ruft den Sohn Sébastian in London an. Obwohl der junge Banker, der bereits ein Vermögen verdient hat, kaum noch Kontakt mit seinem Vater hatte, der zu den 68ern gehörte und den Kapitalismus verabscheut, fliegt er nach Kanada. Dort setzt er Geld ein, um Rémy die letzten Tage so schmerzfrei und angenehm wie möglich zu machen ...
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Kritik

Im Mittelpunkt der Tragikomödie "Die Invasion der Barbaren" steht der Vater-Sohn-Konflikt zwischen dem hedonistisch-sozialistischen Bildungsbürger Rémy und dem disziplinierten Kapitalisten Sébastien.
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Sébastien (Stephane Rousseau), ein junger Börsenmakler aus Kanada, der nach dem Studium der Mathematik und Wirtschaftswissenschaften ein Vermögen verdient hat, erhält in seiner Wahlheimat London einen Anruf seiner Mutter Louise (Dorothée Berryman) aus Montreal: Sein Vater Rémy (Rémy Girard) ist schwer krank. Widerstrebend fliegt Sébastian mit seiner Lebensgefährtin Gaëlle (Marina Hands) nach Kanada. Seit langem hat er kaum noch Kontakt zu seinem Vater, einem Geschichtsprofessor, der zu den Achtundsechzigern gehörte und den Kapitalismus verabscheut. Er meint: „Mein Sohn ist ein ehrgeiziger, puritanischer Kapitalist, während ich Zeit meines Lebens ein sinnlicher Sozialist war.“

Ein mit Sébastien befreundeter Arzt in Baltimore/Maryland schaut sich Unterlagen und Tomografien des Patienten an und klärt dessen Sohn dann darüber auf, dass Rémy nicht mehr lange leben wird.

Rémy liegt in einem überfüllten Krankenhaus im Mehrbettzimmer, aber als Sébastien ihm eine auf Palliativmedizin spezialisierte Privatklinik in Baltimore vorschlägt und sich bereit erklärt, die Kosten dafür zu übernehmen, will Rémy nichts davon wissen. Er will in Montreal bleiben.

Sébastien findet heraus, dass einige Bereiche des Krankenhauses aufgrund von Sparmaßnahmen geschlossen sind. Mit einem Vorwand gelingt es ihm, zur Verwaltungschefin Pauline Joncas-Pelletier (Lise Roy) vorzudringen. Er möchte, dass in dem leer stehenden Trakt ein komfortables Einzelzimmer für seinen Vater eingerichtet wird. Pauline Joncas-Pelletier weist das Ansinnen zurück, kann aber dem angebotenen Schmiergeld nicht widerstehen. Nachdem Sébastien auch dem Betriebsratsvorsitzenden (Jean-Marc Parent) Geld bezahlt hat, wird mit dem Umbaut begonnen.

Weil Sébastiens Schwester Sylvaine (Isabelle Blais) gerade ein Segelschiff in der Südsee überführt, kann sie nicht nach Montreal kommen. Aber Sébastien stellt seinem Vater einen Laptop für ein Videotelefonat mit Sylvaine zur Verfügung.

Überraschend taucht Arielle (Macha Grenon), eine frühere Geliebte Rémys, am Krankenbett auf. Wegen der zahlreichen Bettgeschichten verließ Louise ihren Mann vor 15 Jahren. Dennoch verbringt sie jetzt jede freie Minute an seiner Seite im Krankenhaus.

Sobald Rémy im neuen Einzelzimmer liegt, ruft Sébastien Freunde seines Vaters an und bittet sie zu kommen. Nacheinander treffen sie ein: zwei von Rémys ehemaligen Geliebten, Diane Leonard (Louise Portal) und Dominique St. Arnaud (Dominique Michel), der frühere Kollege Pierre Citrouillard (Pierre Curzi) und das schwule Paar Claude (Yves Jacques) und Alessandro (Toni Cecchinato).

Als Rémys Schmerzen unerträglich werden, erkundigt Sébastien sich bei der Polizei nach Bezugsquellen für Heroin. Weil er dort nichts erfährt, versucht er es bei Dianes drogensüchtiger Tochter Nathalie (Marie-Josée Croze), die als Verlagslektorin tätig ist. Sie fährt mit ihm zu ihrem Dealer Olivier (Yves Desgagnés) und einigt sich mit Sébastien darauf, dass er für ihren Drogenkonsum bezahlt, während sie seinem Vater im Krankenhaus regelmäßig Heroin gegen die Schmerzen verabreicht.

Drei von Rémys Studenten erhalten von Sébastien Geld dafür, dass sie den Kranken besuchen und Anteilnahme heucheln.

Als Rémy unter Schmerzen und Entzugserscheinungen leidet, Nathalie aber nicht auftaucht, sucht Sébastien nach ihr. Er findet sie in ihrer Wohnung. Sie liegt im Drogenrausch. Rücksichtslos nimmt Sébastien sie mit ins Krankenhaus, und weil sie nicht in der Lage ist, eine Spritze zu benutzen, bringt Sébastien eine Krankenschwester dazu, dem Patienten das mitgebrachte Heroin zu injizieren.

Nach diesem Schock nimmt Nathalie sich vor, von ihrer Drogensucht loszukommen. Zu diesem Zweck macht sie bei einem Methadon-Projekt mit.

Sébastien sorgt dafür, dass sein Vater die letzten Tage in einem Wochenendhaus an einem See verbringen kann. Dort schwadroniert Rémy noch einmal mit seinen Freunden über gemeinsame Erlebnisse. „Ich habe jede Sekunde in meinem Leben geliebt, aber ich bin nicht stolz darauf“, konstatiert er.

Während des Aufenthalts im Ferienhaus kommen sich Sébastien und Nathalie näher. Von den vielen Handygesprächen des Bankers genervt, wirft Nathalie sein Handy eines Abends ins Lagerfeuer, und er protestiert nicht.

Bevor Rémy sich von Nathalie eine tödliche Menge Heroin spritzen lässt [Sterbehilfe], telefoniert er ein letztes Mal mit seiner Tochter Sylvaine. „Ich bin glücklich, ich mache genau das, was ich mir immer gewünscht habe“, sagt sie. „Es ist ein Wunder, dass du aus uns diese glücklichen, selbstbestimmten Kinder gemacht hast.“

Sébastien lässt Nathalie im leer stehenden Haus seines Vaters wohnen. Sie küsst ihn, besinnt sich dann aber und stößt ihn weg, als sie merkt, dass er sie begehrt: Sie hält ihn davon ab, seine Verlobte zu betrügen.

Er fliegt mit Gaëlle nach London zurück.

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1986 kam die Tragikomödie „Der Untergang des amerikanischen Imperiums“ von Denys Arcand ins Kino.

Rémy, Claude, Alain und Pierre, vier befreundete Historiker der Universität von Montreal, unterhalten sich in einem Wochenendhaus am See über ihre sexuellen Abenteuer. Anschließend essen sie mit ihren Frauen Louise, Diane, Dominique und Danielle. Ein fünfter Mann kommt dazu: Dianes Liebhaber Mario. Dominique gesteht, dass sie sowohl mit Pierre als auch mit Rémy geschlafen habe. Daraufhin kann Rémys Ehefrau Louise nicht länger verdrängen, dass ihr Mann ein hedonistischer Schürzenjäger ist.

Der Untergang des amerikanischen Imperiums – Originaltitel: Le déclin de l’empire américain – Regie: Denys Arcand – Drehbuch: Denys Arcand – Kamera: Guy Dufaux – Schnitt: Monique Fortier – Musik: François Dompierre – Darsteller: Rémy Girard, Pierre Curzi, Dominique Michel, Dorothée Berryman, Louise Portal u.a. – 1986; 100 Minuten

2003 folgte „Die Invasion der Barbaren“. Wieder mit dabei waren außer dem Regisseur und Drehbuchautor Denys Arcand die Schauspieler Rémy Girard, Dorothée Berryman, Dominique Michel, Louise Portal, Pierre Curzi und Yves Jacques. Die Handlung spielt 17 Jahre nach dem Wochenende am See. Im selben Ferienhaus endet „Die Invasion der Barbaren“.

„Die Invasion der Barbaren“ ist ebenfalls eine Tragikomödie. Im Mittelpunkt steht der Vater-Sohn-Konflikt zwischen dem hedonistisch-sozialistischen Bildungsbürger Rémy und dem disziplinierten Kapitalisten Sébastien, der glaubt, mit seinem Geld alles kaufen zu können. Im Gegensatz zu den von seinem Vater repräsentierten Altachtundsechzigern ist Sébastien konservativ und karrierebewusst. Nebenbei kritisiert Denys Arcand in „Die Invasion der Barbaren“ die Situation in den verstaatlichten kanadischen Krankenhäusern und die Rolle der Gewerkschaftsfunktionäre. In einer Szene gibt es einen Seitenhieb auf die Kirche: Ein Geistlicher ist ausschließlich am pekuniären Wert von Jesus-Figuren interessiert.

Dass mit den Barbaren nicht nur Kulturbanausen, Materialisten und Kapitalisten gemeint sind, deutet Denys Arcand an, indem er zeigt, wie die beiden von Terroristen gekaperten Passagiermaschinen am 11. September 2001 in die Türme des World Trade Center in New York rasen.

Die beiden Hauptfiguren in „Die Invasion der Barbaren“ – Rémy und Sébastien – sind mehrdimensionale Charaktere mit widersprüchlichen Zügen. Das macht sie lebendig. Die Handlung ist nicht durchgehend realistisch. Skurril ist beispielsweise, dass Sébastien sich ausgerechnet bei der Polizei nach Bezugsquellen für Heroin erkundigt. Ebenso grotesk ist es, wenn ein Junkie einen Krankenhauspatienten unter den Augen des Pflegepersonals regelmäßig mit Heroin versorgt. Getragen wird der sarkastische Film vor allem von den Dialogen.

Denys Arcand ist bei einem Cameo-Auftritt zu sehen: als Gewerkschaftsfunktionär, der Sébastien den gestohlenen Laptop zurückgibt.

Die Dreharbeiten für „Die Invasion der Barbaren“ fanden in Montreal statt.

„Die Invasion der Barbaren“ wurde mit einem „Oscar“ in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet. Nominiert hatte man auch das Drehbuch.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013

Denys Arcand: Liebe und andere Grausamkeiten

John Griesemer - Rausch
Mit fiktiven Figuren in historischen Kulissen schuf John Griesemer einen Epos über den technischen Fortschritt und ein grandioses Sittengemälde, aber statt sich auf das Exemplarische zu konzentrieren, überfrachtete er den Wälzer, und die Störgeräusche erschweren es, das zentrale Anliegen herauszuhören.
Rausch