Prosperos Bücher

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Prosperos Bücher

Prosperos Bücher - Originaltitel: Prospero's Books - Regie: Peter Greenaway - Drehbuch: Peter Greenaway, nach dem Bühnenstück "Der Sturm" von William Shakespeare - Kamera: Sacha Vierny - Schnitt: Marina Bodbijl - Musik: Michael Nyman - Darsteller: Sir John Gielgud, Isabella Pasco, Michael Clark, Michael Blanc, Erland Josephson, Ute Lemper u.a. - 1991; 125 Minuten

Inhaltsangabe

Prospero, der Herzog von Mailand, wird von seinem Bruder Antonio gestürzt und mit seiner kleinen Tochter Miranda auf einem morschen Boot ausgesetzt. Zwölf Jahre später beauftragt er den Luftgeist Ariel, das Schiff des Königs von Neapel, den Antonio als Lehensherrn anerkennen musste, durch einen Sturm am Ufer der Insel stranden zu lassen. Unter den Schiff­brüchigen sind König Alonso und der Usurpator Antonio ...
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Kritik

Obwohl sich Peter Greenaway an den Text von William Shakespeares Drama "Der Sturm" hält, stellt "Prosperos Bücher" alles andere als eine ge­film­te Theater­auf­führung dar. In der manie­ristischen Bilderflut sind Kunst, Musik, Ballett, Film und Theater verschmolzen.
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Prospero (Sir John Gielgud), der gelehrte Herzog von Mailand, wird von seinem machtgierigen Bruder Antonio auf einem morschen Boot ausgesetzt. Während Antonio mit Unterstützung König Alonsos von Neapel das Herzogtum Mailand an sich reißt, strandet Prospero mit seiner kleinen Tochter Miranda (Isabella Pasco) auf einer unbewohnten Insel. Dort bringt er den verschlagenen Caliban (Michael Clark) in seine Gewalt und befreit den von Calibans inzwischen verstorbener Mutter, der Hexe Sycorax, in einen Fichtenstamm eingesperrten Luftgeist Ariel, der ihm als Gegenleistung zwölf Jahre lang in dreifacher Gestalt (Orpheo, Paul Russell, James Thierrée, Emil Wolk) dienen wird.

Nachdem beinahe zwölf Jahre vergangen sind, zerschellt Alonsos Schiff durch einen von Ariel auf Prosperos Geheiß entfachten Sturm am Ufer der Insel. Der König von Neapel und sein Sohn Ferdinand (Mark Rylance) gehören ebenso wie der Usurpator von Mailand zu den Schiffbrüchigen.

Ferdinand, der annimmt, das Schiffsunglück als Einziger überlebt zu haben, gelangt als erster zu Prosperos Palast – und verliebt sich in Miranda. Sie erwidert seine Gefühle, und nachdem Prospero sich von den lauteren Absichten des Prinzen überzeugt hat, lässt er die Hochzeitsfeier vorbereiten.

Am Ende schwört er der Rache ab, verzeiht Alonso und versöhnt sich mit seinem Bruder Antonio. Er entlässt Ariel in die Freiheit und wirft seine Bücher, die Quellen seiner Weisheit und seiner magischen Kräfte, ins Wasser, wo sie sogleich in Flammen aufgehen, darunter das 24. Buch mit dem Titel „Der Sturm“, das Prospero über die Ereignisse auf der Insel schrieb.

Gemeinsam verlassen alle bis auf Caliban die Insel mit Alonsos auf wundersame Weise wiederhergestelltem Schiff.

Ausführliche Inhaltsangabe: „Der Sturm“

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William Shakespeare erdachte Prospero als sein Alter Ego: „The Tempest“ / „Der Sturm“ (1610/11) war vermutlich sein letztes Theaterstück; danach entsagte er wie Prospero der „Zauberkraft“ des Dramatikers.

Prospero, der allmächtige Magier, Schöpfer und Manipulator von Figuren, ist mit gutem Grund als Selbstporträt Shakespeares zu begreifen. Mit Prospero schuf Shakespeare die letzte große Rolle, und es gibt vieles – in der Figur wie im Drama –, das als Abschied vom Theater, von der Schauspielkunst und vom Herstellen der Illusion durch Wörter verstanden werden kann. (Peter Greenaway)

In Peter Greenaways Verfilmung der Komödie spielt der legendäre Shakespeare-Darsteller Sir John Gielgud die Rolle des Prospero und verkörpert damit den Dichter, der das Manuskript „Der Sturm“ verfasst, zugleich mit seinen Zauberkräften agiert und auch die Texte der anderen Figuren spricht, bis einige von ihnen am Ende ihr eigenes Leben und ihre eigenen Stimmen erhalten. Prospero ist Autor, Regisseur und Hauptdarsteller zugleich.

Bücher, die Gonzalo (Erland Josephson) dem abgesetzten Herzog von Mailand heimlich mit ins morsche Boot gab, gliedern den Film „Prosperos Bücher“ in 24 Kapitel. Sie repräsentieren das alchemistische Wissen der Renaissance über Wasser, Tiere und Pflanzen, Geburt, Anatomie, Sterne und vieles mehr. Beim 23. Buch handelt es sich um die Shakespeare-Gesamtausgabe aus dem Jahr 1623, in der aber das Theaterstück „Der Sturm“ fehlt, das Prospero nun gerade schreibt. Dieses 24. Buch, das Prospero wie die anderen am Schluss ins Meer wirft, wird von Caliban aus dem Wasser gezogen.

Obwohl sich Peter Greenaway an Shakespeares Text hält, stellt der Film alles andere als eine gefilmte Theateraufführung dar. Der exzentrische Regisseur gestaltet einen fantastischen Reigen immer wieder neuer rasch wechselnder Szenen, fügt fast ständig mehrere Filmaufnahmen ineinander und kreiert mit dieser überbordenden Bilderflut eine surreale, poetische Atmosphäre. Die Dichtung findet ihre Resonanz in der Choreographie des Films, eines die Kategorien Musik und Ballett, Film, Theater und Literatur, Kunst und Architektur verschmelzenden, allerdings auch manieristischen Kunstwerks.

Greenaway hat geglaubt, mit hochauflösenden Fernsehbildern das Kino noch einmal erfinden zu können. Er hat die Grenze überschritten und einen Phantomfilm gedreht.
Greenaways Geister stammen von Shakespeare. In „Prospero’s Books“ sitzt Prospero in einer Bücherklause auf seiner Insel und erfindet die Handlung des „Sturms“. Er fantasiert den Schiffbruch der Verräter Antonio und Alonso und ihres Gefolges herbei, und sein Gehilfe Ariel macht die Halluzination zur Wirklichkeit. Sir John Gielgud ist Prospero: der Eremit als Weltenschöpfer. Aus seiner Feder entspringen die Figuren des Stücks; er schreibt, und es wird Licht. Gielgud, der alle Dialoge seines „Sturms“ selber spricht, ist Dichter und Regisseur, Shakespeares Geist und Shakespeares Stimme zugleich. Aber hinter Gielgud zaubert Greenaway, und seine Zaubereien sind diesmal faul.
Denn Greenaway ist so sehr in die visuellen Möglichkeiten verliebt, die die HDTV-Technik ihm bietet, dass er die eigentliche Kino-Arbeit, die Inszenierung, darüber vergisst. Er legt zwei, drei, vier Einstellungen übereinander, bis man vor lauter Bilder kein Bild mehr sieht; er treibt nackte Statisten in Scharen an der Kamera vorbei, bis niemand mehr wissen will, was geschieht. Der technische Aufwand ist in diesem Film nur die Maske der Banalität: Greenaway liest nicht in Prosperos Büchern, er blättert nur darin. „Prospero’s Books“ sollte die magische Begegnung dreier Meister werden: Shakespeare, Gielgud, Greenaway. Was wir jetzt sehen, ist eine heftig dilettierende Shakespeare-Revue, laut und bunt und leer. Ein Abgesang auf die Zeit, als das Theater dem Kino noch geholfen hat. (Andreas Kilb: Die Meister des Abgesangs, „Die Zeit“, 20. September 1991)

Hervorzuheben ist die schauspielerische Leistung des zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 86 Jahre alten Hauptdarstellers Sir John Gielgud (1904 – 2000). Er gilt außerdem als Initiator des Filmprojekts. Nachdem er die Rolle des Prospero in mehreren Inszenierungen auf der Bühne gespielt hatte, strebte er eine Verfilmung des Theaterstücks an. Es heißt, er habe bei der Filmmusik zunächst an Benjamin Britten gedacht und über sein Vorhaben mit Regisseuren wie Akira Kurosawa, Orson Welles und Ingmar Bergman gesprochen. Am Ende führte Peter Greenaway Regie, und Michael Nyman schrieb die Filmmusik.

Das Composing der Takes erfolgte mit einer Paintbox, einem damals viel gerühmten Grafikcomputer von Quantel.

Die Kostümbildnerin Ellen Lens ließ sich von Renaissance-Gemälden inspirieren.

Eine von Michel Bodmer ins Deutsche übersetzte Ausgabe des Drehbuchs von „Prosperos Bücher“ erschien 1991 im Haffmans Verlag in Zürich (243 Seiten, ISBN 3-251-01107-3).

Von Christian Köhler stammt das Buch „Prosperos Bücher. Friktionen, Struktur und die Grundzüge einer Monadologie des Films“ (Hg.: Wolfgang Bock und Hartmut Köhler, Max Stein Verlag, Weimar 2008, 207 Seiten, ISBN 978-3-939615-03-3).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2017

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.