Konrad Zuse


Konrad Zuse wurde am 22. Juni 1910 in Berlin-Wilmersdorf als Sohn des Postbeamten Emil Wilhelm Albert Zuse und dessen Ehefrau Maria geboren. Als er zwei Jahre alt war, zogen die Eltern mit ihm und seiner zwei Jahre älteren Schwester Lieselotte nach Braunsberg in Ostpreußen. Weil sein Vater später erneut versetzt wurde, machte Konrad Zuse sein Abitur 1928 in Hoyerswerda.

Danach begann er, an der Technischen Hochschule in Charlottenburg Maschinenbau zu studieren. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Begeisterung für die Technik mit seinen künstlerischen Neigungen zu verbinden, wechselte er zur Architektur. 1935 schloss er sein Studium als Bauingenieur ab und fing bei den Henschel Flugzeugwerken in Berlin-Schönefeld als Statiker an. Weil er nach eigenen Worten »zu faul zum Rechnen« war, verfiel er auf die Idee, die eintönigen Kalkulationen von einer Maschine ausführen zu lassen und kündigte seine Anstellung, um in der Wohnung seiner zunächst fassungslosen Eltern in Berlin-Kreuzberg einen frei programmierbaren Rechner zu konstruieren.

Für besonders geeignet hielt Konrad Zuse von Anfang an das 1679 von Gottfried Wilhelm Leibniz erfundene und 1854 von dem englischen Mathematiker George Boole auch für logische Verknüpfungen angewandte binäre Zahlensystem (Dualsystem), denn null oder falsch konnten durch einen offenen und eins oder richtig durch einen geschlossenen Schalter abgebildet werden.

Auf dieser Grundlage entstand 1938 das Versuchsmodell einer elektrisch angetriebenen mechanischen Rechenmaschine. Die »Z1« funktionierte nicht fehlerfrei, aber das war bei der unzureichenden Präzision der Bauteile auch nicht verwunderlich. Während heute Mitarbeiter in »Silicon Valley« Schutzanzüge tragen und in so genannten »Reinräumen« Wafer und Chips herstellen, bearbeitete Konrad Zuse tausende von Blechen, die er für den Bau von »Z1« benötigte, mit einer Laubsäge.

1939 musste Konrad Zuse zwar zur Wehrmacht, aber mit Hilfe von Freunden und aufgrund eines neuen Arbeitsvertrags mit den kriegswichtigen Henschel Flugzeugwerken erreichte er, dass er nach einem halben Jahr freigestellt wurde. Man erzählt, er habe den Militärs angeboten, innerhalb von zwei Jahren eine automatische Maschine zur Verteidigung gegen Luftangriffe zu konstruieren, aber da sei ihm versichert worden, die Wehrmacht werde den Krieg bis dahin längst gewonnen haben.

Der Zweite Weltkrieg – der dann doch sechs Jahre dauerte und sich als Katastrophe erwies – machte es Konrad Zuse unmöglich, mit Mathematikern oder Technikern im Ausland zusammenzuarbeiten: Er war ganz auf sich selbst angewiesen.

Beim nächsten Modell – »Z2« (1940) – beließ Konrad Zuse es zwar bei einem mechanischen Speicher, aber er richtete versuchsweise ein aus achthundert alten Telefonrelais bestehendes elektronisches Rechenwerk ein. Nachdem er sich von dessen Funktionstüchtigkeit überzeugt hatte, gründete er die »Zuse Apparatebau«, die erste auf den Bau von Computern spezialisierte Firma der Welt.

Aber nicht in einer Werkshalle, sondern wiederum in der Wohnung seiner Eltern bastelte er 1941 mit Hilfe von Freunden die 1 Tonne schwere »Z3« mit 2000 je 8 mal 8 Zentimeter großen Telefonrelais: 600 für Rechenoperationen und weitere 1400 für die Speicherung von Zahlen und Befehlen. Die am 12. Mai 1941 fertiggestellte »Z3« konnte zwar keine bedingten Sprünge, Verzweigungen und Schleifen durchführen, aber es handelte sich um die erste frei programmierbare Rechenmaschine der Welt, den ersten funktionsfähigen »Computer«. Das Programm mit den Rechenschritten hatte Konrad Zuse in einen Filmstreifen gelocht; die Zahlenwerte wurden dezimal über eine Tastatur eingegeben und von der Maschine ins Dualsystem übersetzt. Das Ergebnis einer Addition oder Substraktion wurde nach weniger als einer Sekunde von einem Lampenfeld in Dezimalzahlen angezeigt; für eine Multiplikation oder Division benötigte die »Z3« 3 Sekunden. (65 Jahre später schafft »BlueGene/L«, eine IBM-Rechenanlage bei der US-Atomsicherheitsbehörde, 280,6 Billionen Rechenschritte pro Sekunde.)

Horst Zuse, der älteste Sohn des Erfinders – Konrad Zuse heiratete am 6. Januar 1945 und hatte mit seiner neun Jahre jüngeren Frau Gisela fünf Kinder –, sagte später in einem Interview: »Mein Vater hat Prinzipien eingeführt, die zum großen Teil bekannt waren. So zum Beispiel das Binärsystem […] Aber er hat dieses System konsequent in seine Maschinen eingeführt. Er hat die Programmsteuerung konsequent in seine Maschinen eingeführt. Er hat den Speicher in seine Maschinen eingeführt […] Er hat ein Rechenwerk mit binären Gleitkommazahlen, die es auch schon gab, eingeführt. Das Geniale ist, dass er alle diese richtigen Komponenten in der richtigen Maschine zur richtigen Zeit zusammengebaut hat, und zwar nach dem Minimalprinzip des Entwurfs. Das hatte einen guten Grund, denn mein Vater hatte kein Geld.«

Während die »Z3« bei einem Bombenangriff am 21. Dezember 1943 zusammen mit Fotos und Konstruktionsunterlagen zerstört wurde, konnte der Computer »MARK I« nach dem Zweiten Weltkrieg jederzeit vorgeführt werden. Die 16 Meter lange, aus 700 000 Bauteilen zusammengesetzte Maschine war von dem amerikanischen Harvard-Mathematiker Howard H. Aiken in sechsjähriger Arbeit mit Unterstützung von IBM konstruiert und am 7. August 1944 in Betrieb genommen worden. Jahrzehntelang galt Aiken deshalb als Erfinder des Computers. Um das zu ändern, bat Konrad Zuse in den Fünfzigerjahren alle, die seine Maschine 1941 in der Wohnung seiner Eltern gesehen hatten, schriftlich darüber zu berichten. Aufgrund dieser Zeugenaussagen setzte sich in den Sechzigerjahren die Überzeugung durch, dass Konrad Zuse den ersten Computer gebaut hatte.

Mit »Plankalkül« entwickelte Konrad Zuse 1942 bis 1945 die erste oder jedenfalls eine der ersten universellen Programmiersprachen der Welt.

In der 1949 von Konrad Zuse mit zwei Mitinhabern gegründeten »Zuse KG« in Neukirchen bei Hünfeld, 120 km nördlich von Frankfurt, ließ er die während des Kriegs auf abenteuerlichen Wegen nach Hinterstein bei Hindelang transportierte und dort in einem Pferdestall versteckte »Z4« fertigstellen. Diesen damals einzigen funktionsfähigen Computer in Europa lieferte er am 11. Juli 1950 der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Die »Z4« konnte bereits elf Multiplikationen pro Sekunde abarbeiten, und die Ausgabe erfolgte nicht mehr über Lampen, sondern auf einer Schreibmaschine.

Im selben Jahr verkaufte Konrad Zuse der Firma Leitz in Wetzlar einen Rechner für 300 000 D-Mark (»Z5«). Aber das blieb auf Jahre hinaus das einzige bedeutende Geschäft der Zuse KG, denn in der Nachkriegszeit mussten zuerst Fabrikgebäude und Produktionsanlagen instand gesetzt beziehungsweise neu errichtet werden. Da fehlte das Geld für den Kauf von Rechenanlagen. Erst als die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1955 anfing, die Installierung von Computern an Universitäten finanziell zu fördern, begann mit der »Z11« die Serienfertigung, die 1957 nach Bad Hersfeld verlegt wurde. Das um die 100 000 D-Mark teure Modell wurde dreiundvierzigmal verkauft und vor allem bei der Landvermessung sowie für statische und optische Berechnungen eingesetzt. Ein weiterer Meilenstein in der Firmengeschichte war die »Z22«, von der die Zuse KG ab 1957 fünfundfünfzig Exemplare auslieferte. Erstmals hatte Konrad Zuse die Relais durch Elektronenröhren ersetzt und eine Magnettrommel – einen Vorläufer der heutigen Festplatte – als Speicher eingebaut.

Zu Beginn der Sechzigerjahre geriet die Zuse KG durch die internationale Konkurrenz immer stärker in Schwierigkeiten. Ab 1961 verwendete Konrad Zuse Transistoren statt Röhren (»Z23«), Halbleiterelemente, die wie Röhren funktionieren, jedoch wesentlich schneller, kleiner und robuster sind und viel weniger Strom verbrauchen. Damit hinkte er der Entwicklung hinterher, denn der erste mit Transistoren ausgestattete Computer war bereits am 19. März 1955 von den Bell Laboratories in den USA vorgestellt worden, und im Oktober 1958 hatte Texas Instruments den ersten Schaltkreis präsentiert, bei dem elektronische Bauteile (vier Transistoren und vier Kondensatoren) auf einem Trägerstück zusammengefasst waren (integrierte Schaltung). Während die Zuse KG gerade anfing, Transistoren zu verwenden, war Fairchild bereits zwei Computer-Generationen weiter, brachte den ersten kommerziellen Chip auf den Markt und stieß damit die Entwicklung des Mikroprozessors an.

Der Weltkonzern IBM bot seine Computer zur Vermietung an (Leasing). Das bedeutete, dass die Kosten für den Bau der Maschinen erst einmal vorgestreckt werden mussten. Zugleich reduzierte sich die Lebenszeit der Rechner, denn die Neuentwicklungen folgten immer rascher aufeinander. Die Zuse KG musste zusätzliche Leute einstellen, nicht nur um mit dem technischen Fortschritt mithalten zu können, sondern auch für die Entwicklung von Software, denn die Kunden erwarteten inzwischen, dass ihnen zusammen mit der Hardware Programme zur Verfügung gestellt wurden, die auf die vorgesehenen Anwendungen zugeschnitten waren.

1964 wurde die Zuse KG – die zu diesem Zeitpunkt 1200 Mitarbeiter beschäftigte – von Rheinstahl übernommen, und Konrad Zuse schied als aktiver Teilhaber aus. Kurze Zeit gehörte das Unternehmen zu Brown Boveri & Cie, bevor es 1967 in der Siemens AG aufging. Insgesamt hatte die Zuse KG 251 Computer hergestellt.

Nachdem Konrad Zuse sich noch einige Jahre in dem nicht mehr ihm gehörenden Unternehmen engagiert hatte, setzte er sich mit neunundfünfzig Jahren zur Ruhe und widmete sich von da an vor allem der Malerei, die ihm seit seiner Jugend viel bedeutete. Für seine Gemälde wurden fünfstellige Summen bezahlt.

Ein Porträt von Bill Gates schenkte der vierundachtzig Jahre alte Erfinder des Computers dann auch dem neununddreißigjährigen Microsoft-Gründer, als sie sich im März 1995 auf der CeBIT in Hannover trafen.

Neun Monate später, am 18. Dezember 1995, starb Konrad Zuse in Hünfeld bei Fulda.

Die Persönlichkeit und die Biografie von Konrad Zuse inspirierten Friedrich Christian Delius zu dem Roman „Die Frau, für die ich den Computer erfand“.

© Dieter Wunderlich 2006

Friedrich Christian Delius: Die Frau, für die ich den Computer erfand

Susann Pásztor - Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster
Sterben. Tod. Das sind Tabuthemen. Susann Pásztor hat darüber einen Roman geschrieben. Obwohl es um ein düsteres Thema geht, ist "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" keine deprimierende Lektüre. Dezent hat Susann Pásztor auch Humor und Tragikomik eingebaut. Und sie betont die ermutigenden Aspekte.
Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.