Maricica Irina Cornici


Maricica Irina Cornici wurde 1982 in einem rumänischen Dorf geboren. Nachdem der Vater sich erhängt hatte, brachte die alkoholkranke Mutter Elena das Kind im Jahr darauf in ein Waisenhaus. Sie wäre nicht in der Lage gewesen, es zu ernähren, und der damals noch kommunistische Staat förderte die Unterbringung von Kindern mittelloser Eltern in Waisenhäusern, wo sie erzogen und zugleich indoktriniert werden konnten.

Später arbeitete Irina Cornici zwei Jahre lang aus Au-pair-Mädchen in einem niederbayerischen Dorf; sie sei »offen, ehrlich und ehrgeizig« gewesen und habe gern Fußball gespielt, heißt es.

Im Frühjahr 2005 besuchte die inzwischen Dreiundzwanzigjährige in dem orthodoxen Kloster »Zur Heiligen Dreifaltigkeit« in dem rumänischen Ort Tanacu bei Vaslui am Ostrand der Karpaten eine Freundin, die sie im Waisenhaus

kennen gelernt hatte. Während ihres Aufenthalts beschloss Irina Cornici offenbar, ebenfalls in das 2001 von einem privaten Spender gegründete Kloster einzutreten, das weder über einen Wasser- noch über Stromanschluss verfügte. Sie wollte nur noch einmal kurz weg, um die 4000 Euro zu holen, die sie in Niederbayern gespart und dann einer befreundeten Familie in Arad anvertraut hatte. Die hatte den Betrag jedoch bis auf 500 Euro in eine Eigentumswohnung investiert. Niedergeschlagen kehrte Irina Cornici nach Tanacu zurück und wurde vom Kloster aufgenommen.

Wenige Wochen später, am 9. April, erlitt die Novizin nach der Beichte und der Kommunion einen Anfall. Man brachte sie in eine Klinik in Vaslui, wo der Psychiater Dr. Gheorghe Silvestrovici bei ihr eine Schizophrenie im Anfangsstadium diagnostizierte, weil sie Stimmen zu hören glaubte – darunter die des Teufels –, die ihr einredeten, eine Sünderin zu sein.

Silvestrovici gab dem Drängen der Klosterschwestern nach, die sie am 20. April wieder mitnehmen wollten, forderte sie jedoch auf, Irina Cornici nach zehn Tagen noch einmal zu einer weiteren Untersuchung zu ihm zu bringen.

Im Kloster ärgerten sich die zwei Dutzend zum größten Teil nicht über dreißig Jahre alten Schwestern über die Novizin, die über die geltenden Regeln murrte, den neunundzwanzigjährigen Prior Daniel Petru Corogeanu beschimpfte und ihm einmal beinahe das Weihwassergefäß aus der Hand schlug. Irina Cornici schien besessen zu sein; das machte den Nonnen Angst

Corogeanu, der sein Theologiestudium vorzeitig abgebrochen hatte, glaubte zu wissen, dass man vom Teufel heimgesucht werden kann, wenn man die Kommunion empfängt ohne vorher alle Sünden gebeichtet zu haben, und er fand: »Den Teufel treibt man nicht mit Pillen aus!« In seinem Auftrag zimmerten vier Nonnen ein Kreuz. Am 10. Juni banden sie Irina Cornici daran fest, und Corogeanu begann mit dem Exorzismus. Drei Tage später wiederholte er das Ritual. Irina Cornici musste sich im Klostergarten auf das Kreuz legen. Während der Geistliche mit beiden Händen den Kopf der Schreienden gegen das Holz drückte, knebelten Mitschwestern sie und umwickelten ihr die Hand- und Fußgelenke mit Stofflappen, bevor sie die verzweifelt um sich Schlagende an Händen, Füßen und um den Leib herum anketteten. So schleiften sie die vermeintlich Besessene in die Klosterkirche. Drei Tage lang bekam Irina Cornici weder zu essen noch zu trinken und musste ihre Notdurft ans Kreuz gefesselt verrichten.

Dass sich der Körper der Gepeinigten zunehmend verkrampfte, wertete der Exorzist als Symptom der Besessenheit. Am 17. Juni riefen die Nonnen einen Rettungswagen. Die Notärztin konnte die Dreiundzwanzigjährige jedoch nicht mehr retten; Irina Cornici starb noch während der Fahrt.

Ihre Leiche wurde in Perieni bestattet, wo ihre Mutter Elena und deren Ehemann Costica Antohi von rund 40 Euro Monatsrente leben.

Die Nachricht über den Tod einer Dreiundzwanzigjährigen am Kreuz löste in Rumänien eine lebhafte Debatte über den Exorzismus aus. Journalisten aus ganz Europa reisten nach Tanacu und Vaslui, um sich dort umzusehen und Bewohner über den Skandal zu befragen. Von vielen Gesprächspartnern hörten sie die Meinung, es sei richtig gewesen, eine vom Teufel Besessene zu exorzieren.

Daniel Corogeanu und die vier Nonnen Nicoleta Arcalianu, Adina Cepreaga, Simona Bardanas und Elena Otel wurden festgenommen und nach Vaslui gebracht. Elf Stunden lang verhörte Staatsanwalt Ovidiu Berinde den Geistlichen, der in seiner Verblendung nach wie vor überzeugt war, das Richtige getan zu haben: »Wir haben Irinas Seele gerettet und den Teufel um den Preis ihres Körpers besiegt.«

Am 27. Juli 2005 wurden die Verhafteten bis zum Beginn des Prozesses freigelassen. Ein Gericht in Vaslui verurteilte am 20. Februar 2007 den Prior zu vierzehn Jahren Haft, eine der beteiligten Nonnen zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe und drei weitere Klosterschwestern zu je fünf Jahren Gefängnis. Außerdem wurden sie von der orthodoxen Kirche exkommuniziert. Ohne den Druck durch den internationalen Presserummel wären sie freigesprochen worden, klagte Corogeanu.

Wer annimmt, dass solche Exzesse eines Irrglaubens nur unter abergläubischen Hinterwäldlern in der Heimat des Grafen Dracula möglich seien, irrt sich: Am 1. Juli 1976 war beispielsweise die dreiundzwanzigjährige Studentin Anneliese Michel in Klingenberg am Main im Zusammenhang mit einem vom Würzburger Bischof genehmigten Großen Exorzismus gestorben [mehr dazu].

© Dieter Wunderlich 2007

Exorzismus

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