1/2 Miete

1/2 Miete

1/2 Miete

Originaltitel: 1/2 Miete / Halbe Miete – Regie: Marc Ottiker – Drehbuch: Marc Ottiker – Kamera: Stefan Runge – Schnitt: Achim Seidel – Darsteller: Stephan Kampwirth, Doris Schretzmayer, Natascha Bub, Christoph Krix, Martin Ecker, Thomas Kapielski, Sven Pippig, Alexander Beyer, Ingo Haeck, Sandra Borgmann u.a. - 2002; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Als sich die Lebensgefährtin des Computerhackers Peter in Berlin das Leben nimmt, rennt er kopflos davon und gerät durch Zufall nach Köln. Nach und nach verschafft er sich Schlüssel zu Wohnungen, in denen er während der Abwesenheit der Mieter schläft, isst und die Tage verbringt. Allmählich beeinflusst er auch fürsorglich das Leben der Bewohner ein ...
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Kritik

Die Komödie "1/2 Miete" bzw. "Halbe Miete" ist das absurde Porträt eines Entwurzelten, eine "subversive Studie" über die Einsamkeit und Entfremdung von Großstadtmenschen.
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Wegen ihrer Schlafstörungen nimmt die junge Ärztin Julie (Natascha Bub) Barbiturate, und tagsüber schluckt sie Amphetamine, um die 16-Stunden-Arbeitstage durchzuhalten. Sie wird medikamentensüchtig und beginnt unter einem Verfolgungswahn zu leiden. Ihr Lebensgefährte Peter (Stephan Kampwirth) kriegt das nur nebenbei als Randstörung mit, denn er sitzt Tag und Nacht in ihrer gemeinsamen Wohnung in Berlin vor dem Computer, hackt sich in Firmenrechner ein und verkauft die auf diese Weise geraubten Geschäftsdaten für viel Geld beispielsweise an einen Mittelsmann namens Gerry Wirtz (Christoph Krix).

Nachdem Peter wieder einmal erfolgreich Geschäftsdaten auf seinen Computer heruntergeladen und auf einem USB-Stick gespeichert hat, findet er Julie in der Badewanne, mit dem Kopf unter Wasser: Offenbar hat sie sich mit einer Überdosis Drogen das Leben genommen. Aufgeregt zerrt er Julies Oberkörper aus dem Wasser und alarmiert den Notarzt; statt jedoch auf dessen Eintreffen zu warten, steckt er hastig den Datenstick ein, klemmt sich seinen Laptop unter den Arm und rast mit seinem Skateboard zum Bahnhof. Damit ihn die Ermittler nicht orten können, nimmt er die SIM-Karte aus seinem Handy und verbrennt sie mit der Glut einer Zigarette.

Peter setzt sich in irgendeinen Zug. Die Schaffnerin (Mediha Cetin) erklärt ihm, dass die 100 Euro, die er ihr hinstreckt, bis Köln reichen und stellt ihm eine entsprechende Fahrkarte aus.

Durch diesen Zufall gerät Peter also nach Köln. Dort kollidiert er auf seinem Skateboard mit einem ausparkenden Auto. Die Fahrerin, eine Sekretärin namens Paula (Doris Schretzmayer), will die Polizei rufen oder ihn ins Krankenhaus bringen, aber Peter ist nur um seinen Laptop besorgt. Als er sich vergewissert hat, dass nichts kaputt ist, geht er weiter, obwohl er hinkt und an der Stirn blutet.

Ihre übertriebene Ordnungsliebe und ihre Abscheu vor allem Unsauberen hat Paula einsam gemacht. Auch die zaghaft angefangene Affäre mit ihrem Nachbarn Georg (Alexander Beyer) endet noch in der ersten Nacht. Annette (Sandra Borgmann) hält ihre Kollegin Paula deshalb für neurotisch und rät ihr zu einer Psychotherapie.

Peter nimmt sich ein Zimmer in einer Pension, aber als ihm dort Julie erscheint, läuft er gleich wieder fort.

An einem Briefkasten stecken Schlüssel. Peter zieht sie ab und dringt in die Arbeitswohnung des Drehbuchautors Schrader (Thomas Kapielski) ein. Der entdeckt ihn kurz darauf, lässt ihm aber die Schlüssel und verlangt nur, dass er frühmorgens fort ist, denn beim Arbeiten will er allein sein. Am anderen Morgen beobachtet Peter einen Jogger (Deniz Arslan), der die Schlüssel unter dem rechten Hinterrad seines geparkten Autos versteckt. Peter hebt sie auf und duscht in der Wohnung während der Abwesenheit des Mannes. Danach legt er die Schlüssel zurück. Für die Nacht hat er die Schlüssel des Drehbuchautos; tagsüber hält er sich in der Wohnung eines Arbeiters auf, dessen Zweitschlüssel er sich verschafft hat: Er lebt gewissermaßen im Schatten anderer Menschen.

Der einsame Arbeiter, der noch nie Besuch in seiner Wohnung hatte, merkt am fremden Geruch, dass etwas nicht stimmt und ertappt den Eindringling. Er hat jedoch nichts dagegen, dass Peter seine Wohnung mitbenutzt, solange er seine Schachpartien nach Feierabend nicht mehr allein spielen muss.

Eines Morgens erfährt Peter, dass dem Wirt, bei dem er frühstückt, die Gartenmöbel gestohlen wurden. Der Wirt hat sein Gegenüber im Verdacht, den Besitzer eines Porno-Lokals (James Blond), der enge Verbindungen zur Kölner Unterwelt hat, aber er kann es nicht beweisen. Peter schickt auf den Computer des Porno-Wirts einen Trojaner, fängt dessen E-Mails ab und weist damit nach, dass der Verdächtigte tatsächlich der Dieb ist. Der Bestohlene, der wegen eines Drogenvergehens drei Jahre im Gefängnis saß, sorgt dafür, dass sein Rivale verhaftet wird – und von Peter erwartet er die Manipulation der Bankkonten des Porno-Wirts. Da spielt der Hacker jedoch nicht mit.

Zwischenzeitlich verabredet sich Peter zweimal mit Gerry, doch als dieser die neuen Daten kaufen will, hat Peter unvermittelt Skrupel: „Wegen Typen wie uns wird irgendwann alles zugrunde gehen.“ Er wirft den Datenstick und seinen Laptop in den Rhein. Vor Aufregung klappt Gerry der Geldkoffer auf, und er kriecht auf allen Vieren, um die herumflatternden Scheine aufzusammeln.

Peter ordnet die an eine Korkwand gepinnten Karten um, auf denen der Drehbuchautor Stichwörter für die einzelnen Szenen eines neuen Films geschrieben hat – und erntet dafür Anerkennung. Schrader sucht jetzt nur noch nach einem passenden Schluss.

Seit dem Unfall hat Peter immer wieder Paula gesehen. Als sie einmal kurz die Tür offen stehen lässt, verschafft er sich ihren Zweitschlüssel. Während sie im Büro ist, markiert er mit roten Klebezetteln Passagen in ihren Büchern, die ihr helfen, sich ihres neurotischen Zwangs zu Ordnung und Sauberkeit bewusst zu werden. In einem Band von Edgar Allen Poe markiert Peter die Erzählung „Liebe auf den ersten Blick“. Zuerst erschrickt Paula, aber dann lässt sie sich auf das Spiel ein und legt dem unbekannten Einbrecher sogar schön eingepackte Geschenke hin.

Nach einer Schachpartie wird Peter von dem Arbeiter, dem er von seiner heimlichen Liebe erzählt hat, ermutigt, endlich einmal in Paulas Wohnung zu gehen, während sie anwesend ist. Peter schließt auf, aber Paula hat die Sperrkette eingehängt. Enttäuscht zieht Peter die Tür wieder zu. Auf der Treppe hört er das Geräusch der gelösten Sperrkette. Da geht er wieder hin, und während Paula im Wohnzimmer vor dem Fernsehgerät sitzt und auf die Geräusche lauscht, die er macht, packt er in der Küche mit seinen Einkäufen fürsorglich den Kühlschrank voll.

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Wie zuvor in andere Computersysteme dringt ein Hacker nun in fremde Wohnungen ein, zuerst nur, um dort zu schlafen, zu essen und den Tag zu verbringen. Dann beeinflusst er auch das Leben der Mieter, hilft einem Drehbuchautor bei der Arbeit, spielt mit einem einsamen Arbeiter Schach und hinterlässt einer jungen Frau hilfreiche Hinweise in ihren Büchern. „1/2 Miete“ ist das absurde Porträt eines Entwurzelten, eine „subversive Studie“ (Anke Sterneborg) über die Einsamkeit und Entfremdung von Großstadtmenschen.

Plausibel ist es nicht, dass jemand sich über einen Einbrecher freut, aber Marc Ottiker (*1967) entwickelt in seinem Debütfilm „1/2 Miete“ eine eigene Logik.

Für die im Rahmen des von Wim Wenders initiierten Projekts „radikal digital“ mit einer Digitalkamera gedrehte Komödie erhielt Marc Ottiker auf dem Europäischen Filmfest in Stuttgart den Drehbuchpreis der Heinrich Böll Stiftung 2003.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

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