Nichts bereuen
Nichts bereuen
Inhaltsangabe
Kritik
Daniel (Daniel Brühl) ist neunzehn. Er hat sein Abitur bestanden und kehrt nach einem anschließenden Surfurlaub mit seinen besten Freunden Dennis (Denis Moschitto) und Axel (Josef Heynert) nach Wuppertal zurück, wo sein Vater (Rolf Kanier) ihm inzwischen eine Zivildienststelle beim Pastor (Ralf Grobel) besorgt hat. Seit vier Jahren schwärmt Daniel für die ein Jahr jüngere Mitschülerin Luca (Jessica Schwarz). Er wagt es zwar nicht, die Angebetete anzufassen, aber er verwirklicht seinen romantischen Vorsatz, sich für sie „aufzusparen“. Luca dagegen hält Daniel für einen guten Schulfreund und scheut vor sexuellen Erfahrungen nicht zurück.
Am Abend vor ihrem Amerika-Urlaub gibt Luca noch eine Party. Auch Daniel nimmt daran teil, aber er fühlt sich nicht wohl und wehrt die Annäherungsversuche Steffis (Insa Magdalena Steinhaus) ab. Schließlich lässt er sich von ihr überreden, sie nach Hause zu bringen und geht mit ihr in die Wohnung. Sie ziehen sich aus, aber im letzten Augenblick besinnt Daniel sich auf seinen Vorsatz und flieht wie ein Dieb.
Wir sind also bei ihr, meine Zunge, wie gesagt, bis zum Anschlag in ihr drin, und dann denke ich fatalerweise: Mal oben alles abchecken und mach die Augen auf, schau in ihr Gesicht und was ich sehe ist natürlich nichts anderes als Stefanie, die sich gerade ihrer grenzenlosen Leidenschaft hingibt, aber mein Gehirn hatte mir irgendwie den Streich gespielt, das Gesicht von Luca zu erwarten. Was ich also sehe, lässt die tiefsten Grundfesten meiner sexuellen Erregung erschüttern und eben jenes dumpfe, rumpelnde Fundament in meinem Bauch macht mir Sorgen, dass ich meinen gesamten Ernährungsbedarf des Abends mit einem orgiastischen Schwall über ihre nackten Brüste verteilen werde. Mir bleibt nur noch ein gekeuchtes „Du, ich geh mal kurz ins Bad“ und ich krieche auf allen vieren zur Tür, meine innerhalb einer Millisekunde zusammengezuckte Erektion verschrumpelt hinterherschleifend. Badezimmertür zu, eine gelb gepunktete Flanellshorts ihres Bruders aus dem Korb für schmutzige Wäsche leihen, Badfenster auf und springen.
(Zitat aus Benjamin Quabecks Roman „Nichts bereuen“)
Dennis‘ Freundin Maria (Sonja Rogusch) soll Luca ausrichten, vor ihrem Abflug noch in der Kirche vorbeizukommen. Er habe ihr etwas ganz Wichtiges zu sagen. Am nächsten Morgen findet Pastor Peters seinen Zivildienstleistenden im Kirchenschiff: Er hat sich halbnackt an ein Kreuz gebunden und über dem Altar ein weißes Tuch aufgespannt, auf dem „Luca, ich liebe dich“ steht.
Nachdem ihm die Diakonieschwester Anna (Marie-Lou Sellem) mehrere Hautabschürfungen verbunden hat, eilt Daniel zum Flughafen. Die Passagiere gehen bereits an Bord, aber Luca winkt ihm noch kurz zu.
Durch die Aktion in der Kirche ist Anna auf Daniel aufmerksam geworden. Sie sucht noch einen Zivildienstleistenden für die Altenpflege und überredet Daniel, bei ihr anzufangen. Das ist eine wirkliche Herausforderung für ihn, aber er baut einen Kontakt auf zu dem mürrischen Greis Bröcking (Gerd Croll), der dem Nationalsozialismus nachtrauert und der alten Frau Grieger (Ellis Heiden), deren Windeln er regelmäßig wechseln muss. Daniel beginnt Boden unter den Füßen zu spüren, vergisst seine Traumfrau und öffnet sich Anna, die sich in ihn verliebt hat. Er unterhält sich mit ihr in einem Café, als unversehens Luca auftaucht. Ihr Urlaub ist vorbei; sie ist wieder da.
Gleich darauf ruft sie Daniel an, um sich mit ihm zu verabreden. Er jubelt, denn das hat sie noch nie zuvor getan. Doch im „Blue Club“ beobachtet er, wie sie sich von Dennis küssen lässt. Wütend schlägt er seinen besten Freund zusammen und läuft zu Anna. Zum ersten Mal in seinem Leben schläft er mit einer Frau. Gleich nach dem Akt treibt ihn der Verdacht, Luca könne bei Dennis sein, aus dem Bett. Dennis weist ihn von der Tür. Da raubt Daniel in einer Tankstelle eine Flasche Schnaps und besäuft sich zusammen mit Herrn Bröcking. Der stirbt aufgrund des Alkholexzesses.
Daniel muss sich wegen der Aktion in der Kirche, des Tankstellenüberfalls und des für den Greis tödlichen Besäufnisses verantworten. „Langweilen Sie sich in Ihrem Leben?“, fragt der Richter (Karl-Walter Sprungalla). Daniel entgegnet: „Ich wollt’s einfach machen, so lange ich Lust dazu habe.“ Er bereut nichts.
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In seinem Roman „Nichts bereuen“ hat Benjamin Quabeck eine zum Teil autobiografische Geschichte über das Erwachsenwerden geschrieben. „Ich habe mir das Erwachsenwerden schon relativ schwierig gemacht“, sagt er. „Ich bin sehr lange meiner ersten Liebe hinterhergerannt und habe ihr dann sehr lange hinterhergetrauert.“ Der Zivildienst in der Diakonie brachte ihn dann auf andere Gedanken und erweiterte seinen Horizont.
Verzweifelt fragt Daniel einmal: „Warum kann man sich nicht aussuchen, wen man liebt?“ Anne antwortet: „Ich glaube, man kann es sich nicht aussuchen, weil es langweilig wäre.“
Als es darum ging, die Abschlussarbeit an der Ludwigsburger Filmakademie zu drehen, verfilmte der damals fünfundzwanzigjährige Benjamin Quabeck seinen Roman.
Die Bilder wurden zum Teil mit einer Handkamera auf grobkörnigem Filmmaterial aufgenommen. Bewusst schlecht ausgeleuchtete Szenen, hektische Schwenks und Schnitte, verwischte Bewegungsabläufe und verzerrte Bildgeschwindigkeiten fordern unsere Sehgewohnheiten heraus und sorgen dafür, dass gar nicht erst der Eindruck eines Hollywood-Films aufkommt. Unorthodox ist auch, dass Daniel mitunter die Zuschauer direkt anspricht, zum Beispiel, wenn er „gesteht“, dass die Liebesszene mit Luca im Parkhaus zu Beginn des Films „gelogen“ war und er noch immer keinen Sex mit ihr hatte. Auch wenn das alles in bisschen an „Lola rennt“ von Tom Tykwer erinnert, hebt sich der Film stilistisch weit vom Durchschnitt ab.
Besondere Erwähnung verdienen die hervorragenden Darstellerinnen und Darsteller in „Nichts bereuen“.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003