Leni Riefenstahl


Bevor Leni Riefenstahl als Filmregisseurin im »Dritten Reich« neue Maßstäbe für den Dokumentarfilm setzte, hatte sie Karrieren als Tänzerin und Schauspielerin begonnen. Wegen ihrer Nähe zu Hitler wurde die Regisseurin nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder öffentlich angefeindet. Mit 60 Jahren reiste sie zu den Nuba im Südsudan und im Alter von 71 Jahren lernte sie Tauchen. Mit Nuba- und Unterwasser-Fotografien feierte sie im hohen Alter nochmals große internationale Erfolge. Sie wurde 101 Jahre alt.

Tabellarische Biografie: Leni Riefenstahl


Leni Riefenstahl: »Triumph des Willens«

Leseprobe aus
Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. Elf Porträts
Piper Verlag, München 2013

[…] reiste sie im April 1956 nach Kenia, um nach Drehorten für einen geplanten Film über die Sklaverei mit dem Titel Die schwarze Fracht zu suchen. Dabei wurde sie in einen Autounfall verwickelt und danach schwer verletzt nach Nairobi ins European Hospital gebracht.

Im Krankenhaus sei sie – so erzählte sie später – auf eine fünfeinhalb Jahre alte Ausgabe der Illustrierten Stern gestoßen und habe darin ein von George Rodger aufgenommenes Foto von zwei Nuba-Ringkämpfern entdeckt. Davon sei sie so begeistert gewesen, dass sie sich vorgenommen habe, die sudanesischen Ureinwohner in den Nuba-Bergen aufzusuchen. Allerdings dauerte es noch sechs Jahre, bis sie dieses Vorhaben in Angriff nehmen konnte. Ende 1962 schloss sie sich in der sudanesischen Hauptstadt Khartum einer von Oskar Luz geführten Ostafrika-Expedition der Nansen-Gesellschaft an, und mit einer Sondergenehmigung der sudanesischen Regierung drang sie zu den Nuba in der südsudanesischen Provinz Kordofan vor. Sieben Wochen lang hielt sie sich in der Siedlung Tadoro auf. Danach bereiste sie noch weitere Gebiete im Sudan und in Kenia, bevor sie im August 1963 nach München zurückkehrte.

Im Dezember 1964 traf sie erneut in Tadoro ein, diesmal mit Mitarbeitern und einer professionellen Filmausrüstung. Da jedoch am 14. Januar 1965 ihre Mutter Bertha in München starb, musste sie die Expedition unterbrechen. Von Dezember 1966 bis März 1967 hielt sie sich ein weiteres Mal in Tadoro auf. Zwei Jahre später unternahm sie mit dem 25 Jahre alten Horst Kettner, der nicht nur ihr engster Mitarbeiter, sondern auch ihr Lebensgefährte wurde, die vierte Reise zu den Nuba. »Leni Riefenstahl fotografierte die Nuba. Bilder, die noch keiner sah« betitelte der Stern einen mit 20 Fotos illustrierten Artikel in der Ausgabe vom 14. Dezember 1969.

Zu heftigen Protesten kam es in Deutschland, als die Öffentlichkeit erfuhr, dass Leni Riefenstahl im Auftrag des Sunday Times Magazine bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München fotografierte. Danach flog sie mit Horst Kettner nach Kenia in den Urlaub und schnorchelte bei Malindi zum ersten Mal im Indischen Ozean. Weil sie davon begeistert war, wiederholten sie es im Jahr darauf. Um trotz ihrer 71 Jahre an einem Tauchkurs teilnehmen zu können, gab Leni Riefenstahl 1922 statt 1902 als Geburtsjahr an. Erst als sie den Tauchschein in der Hand hielt, nannte sie ihr korrektes Alter – und wurde umso mehr bestaunt.

Im Oktober 1973 erschien der Bildband Die Nuba. Menschen wie von einem anderen Stern mit 140 Fotografien von Leni Riefenstahl. Ihre Bewunderung gesunder, starker und schöner Körper, die in ihrem Film Olympia ebenso wie in

Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. © Piper Verlag 2013

den Nuba-Fotografien zum Ausdruck kommt, wird von Susan Sontag im Zusammenhang mit ihren Bergfilmen und den Dokumentationen der Reichsparteitage gesehen und als faschistisch interpretiert. »Die Nuba. Menschen wie von einem anderen Stern, ein Klagelied auf die Schönheit und die mystischen Kräfte der Primitiven, die bald ausgelöscht sein würden, kann man als dritten Teil in Riefenstahls Triptychon faschistischer Bilder sehen. […] Obwohl die Nuba schwarz sind, nicht arisch, entspricht Riefenstahls Porträt von ihnen einigen der großen Themen der Nazi-Ideologie: der Gegensatz zwischen dem Reinen und dem Unreinen, dem Charakterstarken und dem Verdorbenen, dem Körperlichen und dem Geistigen, dem Freudvollen und dem Nörgelnden.« Georg Seesslen greift diesen Gedanken auf: »[…] dass Leni Riefenstahls sogenannte Kunst nicht nur zufällig in entscheidender Zeit auf das faschistische Sujet stieß, sondern dass ihr Blick auf die Welt […] im Wesen antihuman, gefühllos […], todesgeil, mitleidlos, antiaufklärerisch und faschistisch ist. Da führt eine klare Linie von Olympiaden, Bergwelten, Reichsparteitagen zu Nuba-Kämpfen […].«

Leseprobe aus Dieter Wunderlich: Unerschrockene Frauen. Elf Porträts

© Piper Verlag, München 2013
Quellenangaben und Fußnoten wurden in dieser Leseprobe weggelassen, sind jedoch im Buch zu finden. Zitate:
Susan Sontag: »Fascinating Fascism«, The New York Review of Books, 6. Februar 1975, Übersetzung: der Autor
Georg Seesslen: »Triumph des Unwillens«, taz, 22. August 2002

Leni Riefenstahl (tabellarische Biografie)

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