Susanna Margaretha Brandt

Susanna Margaretha Brandt wurde am 8. Februar 1746 in Frankfurt am Main geboren und wuchs als Waise auf. In der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre kam sie als Magd der verwitweten Betreiberin in die Herberge „Zum Einhorn“.

Ein Geselle aus Holland, der dort während seiner Wanderzeit übernachtete, brachte sie zu Beginn des Winters 1770/71 dazu, dass sie mit ihm schlief. Möglicherweise hatte er sie mit Wein oder sogar einem Schlafmittel wehrlos gemacht. Er blieb einige Tage in Frankfurt und reiste dann weiter nach Osten.

Als Susanna Margaretha Brandt merkte, dass sie schwanger war, konnte sie ihn nicht benachrichtigen, denn die Analphabetin kannte nicht einmal seinen vollständigen Namen. Sie versuchte, die Schwangerschaft sowohl der Wirtin als auch ihren beiden Schwestern zu verheimlichen und arbeitete weiter fleißig in der Herberge.

Am 31. Juli 1771 klagte sie in der Waschküche über Schmerzen und Übelkeit. Die Wirtin kochte ihr deshalb Tee. Sie argwöhnte bereits, dass die Magd schwanger war und drohte Susanna Margaretha Brandt mit der Kündigung, denn das Verheimlichen einer Schwangerschaft stand gesetzlich unter Strafe.

Am nächsten Tag gebar Susanna Margaretha Brandt in der Waschküche einen Sohn. Weil es sich um eine Sturzgeburt handelte, fiel das Neugeborene mit dem Kopf voran auf den Boden. Susanna Margaretha Brandt geriet in Panik und versteckte das zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon tote Kind im Pferdestall.

Als die Stadttore Frankfurts am nächsten Morgen geöffnet wurden, floh Susanna Margaretha Brandt mit dem Marktschiff nach Mainz und verkaufte ihre Ohrringe, um in einer Herberge übernachten zu können. Schon am nächsten Tag kehrte sie nach Frankfurt zurück, wurde am Bockenheimer Tor festgenommen und in das Gefängnis in der Katharinenpforte neben der Katharinenkirche gesperrt. Von dort wurde sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes abends in ein Hospital gebracht.

Die Leiche des Kindes wurde am 8. August geborgen. Susanna Margaretha Brandt gestand, es getötet zu haben.

Das Gericht im Römer begann am 8. Oktober, sich ohne öffentliche Verhandlung mit dem Fall zu beschäftigen und verhängte am 12. Oktober ein Todesurteil. Erst danach konnte der Pflichtverteidiger Schaaf schriftlich ein Plädoyer einreichen, in dem er auf mildernde Umstände hinwies. Das Urteil wurde am 7. Januar 1772 bestätigt, und ein Gnadengesuch tags darauf verworfen.

Zu peinlicher Untersuchungssachen wider Susanna Margarethen Brandtin, erkennen wir Bürgermeister und Rath der Kayßerlichen freyen Reichsstadt Frankfurt am Mayn, auf vorgängige umständliche Erforschung und Untersuchung der Sache geführte Verteidigung, vorgelegt rechtliche Syndicatsbedenken und sorgfältiger Erwägung aller Umstände vor Recht, daß gedachte Brandtin des an ihrem lebendig zur Welt gebrachten Kinde, nach eigener wiederholter Bekundnis, vorsetzlich und boshafterweise verübten Mordes halber, nach Vorschrift der göttlichen und weltlichen Gesetze und zwar ihrer zur wohlverdienten Strafe und anderen zum abscheulichen Exempel mit dem Schwerd vom Leben zum Todt zu bringen und dieses Urteil fordersamt zu vollziehen seye. (Urteilsbestätigung vom 7. Januar 1772, zit. Alicia Danielsson: Die echte „Gretchen-Tragödie“. Eine Auseinandersetzung mit Kindsmord in der Frühen Neuzeit anhand des Beispiels der Susanna Margaretha Brand, Studienarbeit Universität Bremen 2008, S. 12)

Susanna Margaretha Brandt wurde am 14. Januar gegen 10 Uhr von Scharfrichter Johann Hoffmann auf dem Paradeplatz vor der Hauptwache erwartet. Die Kindesmörderin wurde aufs Schafott geführt und auf einem Stuhl festgebunden. Dann köpfte sie der Henker mit einem Schwert.

Johann Wolfgang Goethe, der zu dieser Zeit als Rechtsanwalt in Frankfurt tätig war (August 1771 bis Mai 1772), kannte den Gerichtsschreiber ebenso wie die beiden Ärzte, die Susanna Margaretha Brandt im Hospital behandelt hatten. Offenbar verfolgte er den Fall, und er ließ sich von den Prozessakten Abschriften anfertigen.

Noch vor seinem Umzug nach Weimar (1775) schrieb Johann Wolfgang von Goethe den „Urfaust“ mit Margarete („Gretchen“) als einer der zentralen Figuren.

© Dieter Wunderlich 2012

Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Der Tragödie erster Teil

Per Olov Enquist - Der Besuch des Leibarztes
Per Olov Enquist arbeitet die psychologischen Dimensionen der Konflikte ungemein lebendig heraus. Dabei bewegt er sich mit "Der Besuch des Leibarztes" stilistisch zwischen Sachbuch-Biografie, Reportage und Roman.
Der Besuch des Leibarztes