Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki

Die Kernspaltung wurde 1938 im nationalsozialistischen Deutschland entdeckt. Durch den dabei auftretenden Massendefekt können gewaltige Engergiemengen freigesetzt werden. Niels Bohr berichtete darüber am 26. Januar 1939 auf einer Versammlung der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft in Washington, D. C. Besonders die beiden aus Ungarn stammenden, in den USA arbeitenden Atomphysiker Leo Szilard und Eugene Wigner drängten Albert Einstein, den amerikanischen Präsidenten auf die militärische Bedeutung dieser Entdeckung aufmerksam zu machen. Wegen seiner pazifistischen Überzeugung sträubte Einstein sich zunächst, aber am 2. August 1939 empfahl er in einem Brief an Franklin D. Roosevelt, die Kernforschung zu intensivieren:

Dieses neue Phänomen würde auch zur Konstruktion von Bomben führen, und es ist denkbar – obwohl weit weniger sicher – dass auf diese Weise Bomben mit extremer Zerstörungskraft konstruiert werden könnten.

Die emigrierten Physiker befürchteten, dass die Deutschen als Erste eine militärisch einsetzbare Atombombe entwickeln könnten. Hitler ignorierte jedoch diese Möglichkeit der „jüdischen Physik“. Werner Heisenberg, der Direktor des Instituts für Physik der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin, ließ zwar in einem ehemaligen Weinkeller in Haigerloch bei Hechingen einen mit Schwefelwasser moderierten Reaktor entwickeln, doch bevor er in Betrieb genommen werden konnte, marschierten die Alliierten ein.

Der italienische Physiker Enrico Fermi war 1938 nach Chicago ausgewandert. Dort suchte er nach Möglichkeiten, eine nukleare Kettenreaktion kontrolliert ablaufen zu lassen. Nach seinen Vorstellungen wurde im Herbst 1942 ein Reaktor gebaut („CP-1“ für: Chicago Pile 1), den er mit sechs Tonnen Uranklumpen beschickte, die er in Grafit einbettete. Die Uranmenge reichte für eine Kettenreaktion aus, aber in ihr steckten zunächst Kadmiumstäbe, die Neutronen absorbierten und verhinderten, dass die Kettenreaktion in Gang kam. Am 2. Dezember 1942 zog Fermi die Steuerstäbe nach und nach heraus und setzte auf diese Weise den Reaktor in Betrieb. Die wenigen im Uran enthaltenen Atome mit der Massenzahl 235 spalteten sich, wenn ein Neutron sie traf. Dabei wurden zwei oder drei Neutronen freigesetzt, die ihrerseits nukleare Fissionen auslösen konnten. Wegen ihrer überaus hohen Geschwindigkeit wären sie großenteils aus dem Reaktor entwichen, wenn sie nicht durch das Grafit abgebremst worden wären. Etliche Neutronen wurden auch durch die restlichen Bestandteile des Uranerzes absorbiert, aber die Zahl der Sekundärneutronen – und damit der Kernspaltungen – wäre dennoch exponentiell angeschwollen, wenn Fermi nicht einen Teil davon mit den Kadmiumstäben aufgefangen hätte: Zog er sie weit heraus, intensivierte sich die Kettenreaktion, drückte er sie ganz zurück, brach sie ab.

Wird bei einer nuklearen Kettenreaktion nicht verhindert, dass die Zahl der freien Neutronen exponentiell ansteigt, kommt es zu einer Explosion. Der nukleare Prozess, den Enrico Fermi in einem Reaktor kontrolliert ablaufen ließ, kann also auch für den Bau einer Bombe verwendet werden. Dabei verzichtet man auf die Steuerstäbe; die Explosion wird ausgelöst, indem zwei oder mehrere unterkritische Uran-Massen mit herkömmlichem Sprengstoff zusammengeschossen werden. Sobald das Uran zerbirst, wird die kritische Masse wieder unterschritten, die Kettenreaktion also angehalten. Den ersten Konstruktionsplan für eine Atombombe hatten die beiden Physiker Rudolf Ernst Peierls und Otto Robert Frisch 1940 an der Universität Birmingham vorgelegt.

Natürliches Uranerz enthält nur winzige Mengen spaltbaren Urans, und es erwies sich als äußerst schwierig, die für den Bau einer Bombe erforderlichen Mengen des Isotops zu gewinnen bzw. im Uran anzureichern.

Um möglichst rasch Atombomben bauen zu können, trieb die US-Regierung nicht nur Experimente mit Uran-235 voran, sondern parallel dazu auch mit Plutonium. Das 1940/41 von Glenn Theodore Seaborg erstmals hergestellte Transuranium lässt sich im Uran-Reaktor „erbrüten“ und für den Betrieb eines entsprechenden Reaktors oder beim Bau einer Bombe verwenden.

Für das ehrgeizige, von General Leslie R. Groves geleitete Projekt („Manhattan“) wurden ungeheure staatliche Mittel verwendet – ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon erfuhr. Unter strengster Geheimhaltung entstanden von 1942 an drei Großforschungszentren: in Oak Ridge westlich von Knoxville, Tennessee, wurde Uran aufbereitet, in Hanford bei Pasco, Washington, Plutonium gewonnen, und in Los Alamos bei Santa Fé, New Mexico, entwickelten Wissenschaftler unter der Leitung des Physikers Robert Oppenheimer (1904 – 1967) die Bomben.

400 Kilometer südlich von Los Alamos, in der Wüste bei Alamogordo, zündeten die Forscher am 16. Juli 1945 um 5.30 Uhr auf einem 30 Meter hohen Stahlturm die erste Kernwaffe: eine Plutoniumbombe.

US-Präsident Harry S. Truman unterrichtete darüber auch den britischen Premierminister
Winston Churchill
und den sowjetischen Staats- und Parteichef Stalin, als er sich mit ihnen zur Potsdamer Konferenz (17. Juli – 2. August 1945) traf. Zu diesem Zeitpunkt war das Deutsche Reich bereits zusammengebrochen. Atombomben konnten nur noch gegen Japan eingesetzt werden. Truman, Churchill und Chiang Kai-shek forderten die Japaner am 26. Juli 1945 in einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung auf, unverzüglich und bedingungslos zu kapitulieren:

Die Folgen des sinnlosen und vergeblichen deutschen Widerstandes gegen die Macht der empörten freien Völker der Welt mögen dem japanischen Volk zur furchtbaren Warnung dienen. (Potsdamer Erklärung)

Der japanische Ministerpräsident General Kuniaka Koiso war am 4. April 1945 wegen militärischer Niederlagen zurückgetreten. Als seinen Nachfolger hatte der Tenno drei Tage später den achtundsiebzig Jahre alten Admiral Kantaro Suzuki ernannt. Dieser wollte zwar im Einvernehmen mit dem Kaiser so rasch wie möglich den Krieg beenden, musste aber diese Absicht vorerst verheimlichen, um einen Militärputsch zu vermeiden. Unterstützt wurde er von seinem Außenminister Shigenori Togo. Der hoffte auf Unterstützung durch die Sowjetunion, denn er rechnete damit, dass Moskau an einer amerikanischen Übermacht im Westpazifik ebenso wenig interessiert sei wie an einer japanischen Hegemonie. Er wusste nicht, dass Stalin sich während der Konferenz von Jalta (4. – 11. Februar 1945) verpflichtet hatte, nach der deutschen Kapitulation Krieg gegen Japan zu führen.

Während die drei Großmächte in Potsdam konferierten, ersuchte Japan die Sowjetunion, einen Waffenstillstand zu vermitteln. Stalin unterrichtete Truman darüber und ließ die Japaner hinhalten. Als die USA, Großbritannien und China am 26. Juli die Potsdamer Erklärung abgaben, konnten sich die sechs Mitglieder des „Obersten Rates für die Kriegsführung“ in Tokio nicht auf eine Antwort einigen. Kaiser Hirohito, Ministerpräsident Suzuki und Außenminister Togo hätten es vorgezogen, sich geschlagen zu geben. Die militärische Führung glaubte jedoch, eine amerikanische Invasion auf den japanischen Hauptinseln unter blutigen Kämpfen so lange abwehren zu können, bis die Alliierten bereit sein würden, Frieden zu schließen, ohne vorher die Kapitulation zu verlangen.

Die Amerikaner bereiteten tatsächlich für den 1. November 1945 bzw. den 1. März 1946 Landungen auf Kiuschu und Hondo vor, aber sie wussten, dass es dabei zu mörderischen Schlachten kommen würde. Um die hohen Verluste zu vermeiden, schlugen einige Berater der US-Regierung nach der erfolgreichen Erprobung der ersten Atombombe vor, den Japanern damit zu drohen, doch Truman beschloss, die neue Waffe ohne Vorwarnung einzusetzen und sie nicht über einer dünn besiedelten Waldregion, sondern über einer Industriestadt explodieren zu lassen.

General Carl Spaatz, der Oberkommandierende der strategischen Luftwaffe im Pazifik, wurde am 24. Juli 1945 angewiesen, den Einsatz vorzubereiten. In der Nacht zum 6. August 1945 startete auf der Marianen-Insel Tinian ein auf den Namen „Enola Gay“ getaufter Langstreckenbomber vom Typ B-29. Nach einem 3000 Kilometer weiten Flug klinkte die von Oberst Paul Tibbets jr. (1915 – 2007) kommandierte Besatzung 10 000 Meter über dem südlichen Teil der japanischen Hauptinsel Hondo um 9.15 Uhr Ortszeit die mitgeführte Uranbombe („Little Boy“) aus. Begleitflugzeuge warfen Aufnahme-, Mess- und Übertragungsgeräte ab. 600 Meter über Hiroshima blitzte ein mehrere tausend Grad heißer Feuerball auf. Die Umwandlung von weniger als einem Gramm Masse in Energie ließ im Umkreis von zwei Kilometern Hauswände bersten. Stundenlang tobte ein Feuersturm. Durch die Konvektion wurden Staub, Splitter und Trümmer in die Höhe gerissen, und eine pilzförmige Wolke quoll kilometerhoch auf („Atompilz“). 100 000 Menschen starben sofort oder bald nach dem Abwurf der Bombe. Der Fallout verseuchte auch weit entfernte Gebiete. Dort setzten sich die Menschen der Strahlung aus, ohne es zu merken; sie tranken kontaminiertes Wasser und nahmen verstrahlte Nahrung zu sich. Niemand kennt die Zahl Krebsopfer und der genetisch Geschädigten.

Ungeachtet des noch geltenden Nichtangriffspaktes vom 13. April 1941 erklärte die UdSSR dem japanischen Staat am 8. August 1945 den Krieg. Tags darauf marschierte die Rote Armee in der Mandschurei ein und besetzte den japanischen Satellitenstaat Mandschukuo.

Am 9. August 1945 um die Mittagszeit explodierte über Nagasaki an der Westküste der Insel Kiuschu eine amerikanische Plutonium-Bombe („Fat Man“). Eigentlich wäre Kokura (Kitakyūshū) das Angriffsziel gewesen, aber die Rüstungsbetriebe dort waren unter einer dichten Wolkendecke nicht auszumachen. Der Pilot Charles W. Sweeney flog deshalb die Schiffswerften von Nagasaki an, und obwohl dort ebenfalls schlechte Sicht herrschte, klinkte er die Atombombe aus, weil er wegen der geringen Restmenge Sprit befürchtete, es mit der Bombenlast nicht mehr bis zum nächsten Stützpunkt zu schaffen.

Einen Tag später bot die japanische Regierung die Kapitulation an.

© Dieter Wunderlich 2004/2007

Kernspaltung
Albert Einstein (Kurzbiografie)

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Gudrun Lerchbaum - Lügenland
Mit überbordendem Einfallsreichtum lässt Gudrun Lerchbaum in dem dystopen Polit-Thriller "Lügenland" die Protagonistin Mattea Inninger stringent und temporeich erzählen. Unerwartete Wendungen, Sarkasmus, trockener Humor und Wortwitz sorgen für ein intelligentes Lesevergnügen.
Lügenland