Kubakrise (Kuba-Krise)


1898 erlangte Kuba zwar die Unabhängigkeit von Spanien, geriet jedoch unter den Einfluss der USA. Obwohl der Putschversuch des kubanischen Rechtsanwalts Fidel Castro Ruz (*1927) gegen den kubanischen Diktator Fulgencio Batista y Zaldivar (1901 – 1973) am 26. Juli 1953 gescheitert war, landete der Rebell am 2. Dezember 1956 erneut mit achtzig Gefolgsleuten – darunter Che Guevara – auf der Karibikinsel und lieferte Batista einen Guerillakrieg, bis dieser am 1. Januar 1959 zurücktrat und floh. Einige Wochen später übernahm Fidel Castro das Amt des Premierministers. In dieser Funktion gab er seiner Revolution einen neuen – kommunistischen – Inhalt und suchte die Unterstützung des Ostblocks. Als die kubanische Regierung den Besitz von US-Konzernen enteignete, verhängten die Vereinigten Staaten ein Handelsembargo und brachen am 4. Januar 1961 die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab. Am 17. April 1961 landeten 1200 von Washington ausgerüstete und trainierte Exilkubaner in der Schweinebucht an der Südküste Kubas, wurden jedoch von der kubanischen Armee überwältigt.

Die Sowjetunion warnte die Regierung in Washington am 11. September 1962 vor einem weiteren militärischen Angriff gegen Kuba. Dadurch könne ein weltweiter Atomkrieg ausgelöst werden.

Den Amerikanern fiel auf, dass sich die Zahl der Frachter, die aus dem Ostblock kamen und Kuba anliefen, in jenem Sommer deutlich erhöht hatte. Am 14. Oktober 1962 überflog ein Spionageflugzeug vom Typ U-2 die Insel bei strahlendem Wetter in großer Höhe. Die Luftaufnahmen zeigten, dass auf Kuba Raketenstellungen errichtet wurden, nicht für Defensivwaffen, sondern für ballistische Mittelstreckenraketen, die – mit nuklearen Sprengköpfen ausgerüstet – nahezu jede Stadt in den USA innerhalb von Minuten verwüsten hätten können.

John F. Kennedy (1917 – 1963) wurde über die Luftaufnahmen und die Ergebnisse ihrer Auswertung am 16. Oktober unterrichtet. General Curtis LeMay, General Maxwell Taylor und andere hohe Militärs wollten unverzüglich losschlagen und dabei nicht nur die Raketenbasen zerstören, sondern zugleich das Castro-Regime beseitigen.

Kennedy sah zunächst auch keine andere Möglichkeit, als einen Überraschungsangriff, doch als bedächtigte Berater in der Diskussion über mögliche Maßnahmen vor den weltpolitischen Risiken eines solchen Schlages warnten, vertagte er die Entscheidung und ernannte ein „Executive Committee of the National Security Council“ (ExComm), dem unter Leitung seines jüngeren Bruders Robert F. Kennedy (1925 – 1968) ein Dutzend wichtige Berater angehörten. Während das ExComm nach Alternativen suchte, ordnete der Präsident strengste Geheimhaltung an, um die Gegner nicht vorzuwarnen und die eigene Bevölkerung nicht zu beunruhigen.

Verteidigungsminister Robert McNamara, der dem ExComm angehörte, schlug statt eines militärischen Angriffs eine Seeblockade Kubas vor, die dann auch nicht „Blockade“, sondern „Quarantäne“ genannt werden sollte, um den defensiven Charakter der Maßnahme zu betonen.

Als sich der sowjetische Außenminister Andrej Andrejewitsch Gromyko (1909 – 1989) am 18. Oktober mit US-Präsident Kennedy zu einem seit langer Zeit geplanten Gespräch traf, versicherte der Russe vor laufenden Kameras, die UdSSR habe auf Kuba nur rein defensive Waffen stationiert. Kennedy ließ sich nicht anmerken, dass er es besser wusste und die Lüge des Diplomaten durchschaute.

Trotz der Bedenken der Generäle entschied Kennedy sich gegen die militärischen Optionen und für die Seeblockade.

Am 22. Oktober informierte er die Öffentlichkeit in einer Fernsehansprache über die sowjetischen Raketen auf Kuba und betonte, dass auch eine einzelne von Kuba aus gegen eine westliche Nation abgefeuerte Nuklearrakete von Washington als sowjetischer Angriff gegen die USA verstanden und mit einem atomaren Gegenschlag beantwortet werde. Daraufhin stürzten die Menschen in die Geschäfte und deckten sich mit Trinkwasser und Grundnahrungsmitteln ein. Sie befürchteten einen dritten, mit Kernwaffen ausgetragenen Weltkrieg.

Moskau berief sich auf die Freiheit der Meere und protestierte gegen die angekündigte Blockade.

Die Seeblockade begann am 24. Oktober. Die sowjetischen Schiffe, die sich in unmittelbarer Nähe der von 16 Zerstörern, 3 Kreuzern und einem Flugzeugträger gebildeten Blockade-Linie befanden, reagierten nicht darauf und setzten ihre Fahrt Richtung Kuba fort. Zu seinem Entsetzen erfuhr Kennedy darüber hinaus, dass die vordersten beiden sowjetischen Frachter von einem U-Boot begleitet wurden. Während sich die Amerikaner auf eine militärische Konfrontation vorbereiteten, überstürzten sich die Meldungen: Die ersten sowjetischen Schiffe drehten ab!

Durch die Seeblockade konnte zwar verhindert werden, dass weitere Raketen nach Kuba transportiert wurden, aber was war zu tun, um die bereits auf der Insel vorhandenen Raketen zu beseitigen?

Am 25. Oktober setzte der amerikanische UN-Botschafter Adlai Stevenson seinem russischen Amtskollegen so zu, dass dieser sich vor der Weltöffentlichkeit in Widersprüche verwickelte. Außerdem präsentierte Stevenson Luftaufnahmen, die bewiesen, dass die UdSSR im Gegensatz zu ihren Beteuerungen dabei war, offensive Mittelstreckenraketen auf Kuba zu stationieren.

Da wurde Kennedy über einen privaten Vertrauensmann von Nikita Sergejewitsch Chruschtschow (1894 – 1971) ein Schreiben zugespielt, das offenbar direkt von dem sowjetischen Partei- und Regierungschef stammte. Er sei bereit, hieß es da, die Raketen von Kuba abzuziehen, wenn Washington versichere, nie mehr eine Invasion der Insel zu versuchen.

Am nächsten Tag folgte ein zweiter, wesentlich härterer Brief aus Moskau. Hatten sich in der UdSSR die militärischen Falken durchgesetzt? Jetzt wurde von Washington im Gegenzug verlangt, die Jupiter-Raketen aus der Türkei zu entfernen. Der Abzug der veralteten Mittelstreckenraketen war zwar ohnehin bereits geplant, aber die türkische Regierung leistete Widerstand. John F. Kennedy folgte seinen besonnenen Ratgebern und ignorierte in seiner Antwort, in der er sich mit Chruschtschows zuerst gemachtem Vorschlag einverstanden erklärte, das zweite Schreiben.

Justizminister Robert Kennedy bestellte am 27. Oktober Anatoli Dobrynin ein, den sowjetischen Botschafter in Washington, und drängte ihn, auf eine Konfliktlösung auf der Grundlage des ursprünglichen Vorschlags hinzuarbeiten. Inoffiziell deutete er an, dass die US-Regierung bereit sei, nach einer gewissen Frist und ohne einen öffentlich zugegebenen Zusammenhang mit der Kubakrise die fünfzehn 1959 in der Türkei stationierten Jupiter-Raketen abzuziehen.

Mitten in der angespannten Situation schossen die Kubaner am 27. Oktober eine U-2 ab. Der Pilot kam ums Leben. Am selben Tag zwang ein amerikanischer Zerstörer das mit 21 konventionellen Torpedos und einem Nuklear-Torpedo bewaffnete sowjetische U-Boot B-59 zum Auftauchen. Die von den Explosionen durchgeschüttelte Besatzung erwog den Einsatz des atomaren Sprengkörpers. Wassili Alexandrowitsch Archipow, einer der drei Offiziere an Bord des U-Bootes, soll das verhindert haben. Kennedy befürchtete allerdings, dass noch immer durch eine Fehlentscheidung auf einer unteren Ebene ein Atomkrieg ausgelöst werden könnte: „Es gibt immer einen Hurensohn, der nicht durchblickt“, soll er gestöhnt haben. Später kommentierte der Verteidigungsminister Robert McNamara: „Am Ende hatten wir einfach Glück. Nur durch Glück wurde ein Atomkrieg verhindert.“

Am 28. Oktober traf Chruschtschows Anwort an John F. Kennedy ein: „Um den Konflikt, der die Sache des Friedens gefährdet, so schnell wie möglich zu beseitigen, hat die Sowjetregierung zusätzlich zu einer früheren Anordnung, weitere Arbeiten an dem Waffenaufbau einzustellen, den neuen Befehl gegeben, die Waffen, die Sie als offensive bezeichneten, zu demontieren, sie zu verpacken und sie in die Sowjetunion zurückzubringen.“

Die Kubakrise hatte die Menschheit an den Rand eines dritten, diesmal atomaren Weltkriegs gebracht. Durch die besonnene Reaktion der US-Regierung konnte die gefährliche Situation rechtzeitig entschärft werden.

Erst später wurde im Westen der Umfang der atomaren Rüstung bekannt, den die Sowjets auf Kuba geplant hatten (Operation „Anadyr“): 42 Raketen, 164 nukleare Sprengköpfe und 42 000 russische Militärs sollten im Vorfeld der USA stationiert werden.

David Self (Drehbuch) und Roger Donaldson (Regie) stellten die dreizehn Tage vom 16. bis 28. Oktober 1962 in einem Kinofilm nach: Thirteen Days.

Literatur über die Kuba-Krise

  • Michael Dobbs: One Minute to Midnight. Kennedy, Khrushchev, and Castro on the Brink of Nuclear War (Knopf, New York 2008, 448 Seiten)

© Dieter Wunderlich 2006 / 2008

Ernesto Che Guevara (Kurzbiografie)

Roger Donaldson: Thirteen Days

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Was wir lesen, ist gegenüber der Realität zweifach gebrochen: zuerst durch die subjektive Erinnerung Gesines, dann durch die Überarbeitung des Autors. Nachrichten und Erinnerungen, Gesprochenes, Gedachtes und Geschriebenes fügen sich zu einer polyphonen Collage zusammen.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.