Die Katze auf dem heißen Blechdach

Die Katze auf dem heißen Blechdach
Die Katze auf dem heißen Blechdach - Originaltitel: Cat on a Hot Tin Roof - Regie: Richard Brooks - Drehbuch: Richard Brooks und James Poe, nach dem Theaterstück "Die Katze auf dem heißen Blechdach" von Tennessee Williams - Kamera: William Daniels - Schnitt: Ferris Webster - Musik: Charles Wolcott - Darsteller: Elizabeth Taylor, Paul Newman, Burl Ives, Jack Carson, Judith Anderson, Madeleine Sherwood, Larry Gates, Vaughn Taylor u.a. - 1958; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Anlässlich des 65. Geburtstags eines todkranken patriarchalischen Plantagenbesitzers versammelt sich seine Familie: seine Frau Ida, der ältere, erbschleicherische Sohn Gooper mit seiner sieben-, bald achtköpfigen Familie und der jüngere, alkoholabhängige Sohn Brick mit seiner willensstarken Frau Maggie. In heftigen Auseinandersetzungen endet die jahrelange Heuchelei; Brick kann seine Selbsttäuschung nicht aufrechterhalten, und "Big Daddy" begreift, dass er ein Leben lang nur an seinen Besitz dachte ...
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Kritik

Richard Brooks machte aus dem Theaterstück "Die Katze auf dem heißen Blechdach" von Tennessee Williams einen kammerspielartigen Kinofilm, in dem die explosive Atmosphäre, die Vitalität und die sarkastischen Dialoge des Melodrams bewahrt wurden.
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Anlässlich des 65. Geburtstages seines Vaters kommt Brick Pollitt (Paul Newman) mit seiner Frau Maggie (Elizabeth Taylor) aus New Orleans zur Plantage von Harvey Pollitt (Burl Ives), den hier alle einschließlich seiner Ehefrau Ida (Judith Anderson) „Big Daddy“ nennen. In der Nacht vor der Geburtstagsfeier erinnert Brick sich an seine Jugend, in der er ein leistungsstarker Sportler war und versucht auf dem Sportplatz der Highschool, die der damals besuchte, einen Hürdenlauf, obwohl oder weil er betrunken ist. Dabei bricht er sich einen Knöchel und ist am anderen Tag auf eine Krücke angewiesen.

Brick und Maggie sind seit drei Jahren verheiratet, aber ihre Ehe ist zerrüttet, weil Brick vermutet, dass Maggie mit seinem besten Freund Skipper schlief, und zwar unmittelbar bevor dieser sich umbrachte. Des Lebens überdrüssig, gab Brick seinen Job als Sportreporter auf und versucht, seinen Kopf durch Alkohol frei zu bekommen. Maggie kämpft um ihre Liebe, aber ihr dreißigjähriger Ehemann stößt sie immer wieder rücksichtslos zurück, rät ihr, sich einen Liebhaber zu nehmen und will auch nicht mit ihr reden. Dabei kommt Maggie sich vor wie eine Katze auf einem heißen Blechdach. Als sie sich optimistisch gibt, fragt Brick, wie ihr Sieg aussehen würde, und sie antwortet: „Ich bleibe einfach auf dem heißen Dach.“

Am Morgen kommt Big Daddy mit Big Momma und seinem Hausarzt Dr. Baugh (Larry Gates) im Privatjet von einer Untersuchung in einer Spezialklinik zurück und verkündet, dass sich Dr. Baughs Verdacht auf eine Krebserkrankung nicht bestätigt habe. Während ihm die fünf Kinder seines vierzig Jahre alten Sohnes Gooper (Jack Carson) und dessen erneut schwangere Ehefrau Mae (Madeleine Sherwood) ein Willkommens- und Geburtstags-Ständchen bringen, geht Big Daddy auf Maggie zu, die etwas abseits abgewartet hat, statt sich an der überschwänglichen Begrüßung durch Mae und Gooper zu beteiligen.

Dr. Baugh sucht Brick auf, der keine Lust hat, sein Zimmer zu verlassen, seinen Vater zu begrüßen und sich zu den anderen zu gesellen, sondern stattdessen ein Glas Whiskey nach dem anderen trinkt. Der Arzt klärt ihn darüber auf, dass seine Kollegen in der Klinik dem Patriarchen und seiner Frau die Wahrheit vorenthalten haben: Tatsächlich sei Big Daddy unheilbar an Krebs erkrankt und werde nicht mehr lang leben. Gooper und Mae wissen ebenfalls Bescheid.

Daraufhin will Brick sofort nach New Orleans zurück, ohne seinen Vater auch nur gesehen zu haben, aber Maggie, die von ihm erfährt, wie es wirklich um Big Daddy steht, drängt ihn, das Feld nicht seinem Bruder und seiner Schwägerin zu überlassen, die um Big Daddy herumschwänzeln, in der Hoffnung, das gesamte Familienvermögen zu erben.

Die Heuchelei widert Big Daddy an, aber jedes Mal, wenn er einen Annäherungsversuch der Enkel oder deren Mutter brüsk zurückweist, beteuert Big Momma, er meine es nicht so – bis ihm der Kragen platzt und er ihr sagt, er habe sie in den vierzig Jahren ihrer Ehe nie geliebt.

Weil Brick nicht herunterkommt, geht Big Daddy zu ihm und stellt ihn wegen seiner Sauferei und der offensichtlich zerrütteten Ehe zur Rede. Brick behauptet, er brauche den Alkohol wegen seines Ekels vor der allgemeinen Heuchelei und Verlogenheit. Big Daddy droht ihm mit Enterbung, merkt aber sofort, dass Brick sich nicht im Geringsten für materiellen Besitz interessiert. Da provoziert er ihn mit der Behauptung, Brick habe unmittelbar nach dem Selbstmord seines Freundes mit dem Trinken angefangen. Der sei für ihn eine Krücke gewesen. „Was war zwischen Maggie und Skipper?“, will Big Daddy wissen. Brick ruft Maggie herein, beschuldigt sie, Skipper betrunken gemacht zu haben, um ihn ins Bett zu kriegen und lässt sie dann zum ersten Mal von damals erzählen.

Maggie gibt zu, auf Skipper wegen seiner engen – vielleicht auch homoerotischen – Beziehung zu Brick eifersüchtig gewesen zu sein. Sie war unter den Zuschauern eines Footballspiels in Chicago, bei dem Skipper völlig versagte. Aus Frustration betrank er sich und zerschlug die Möbel in seinem Hotelzimmer. Der Hotelmanager bat Maggie, nach dem Tobenden zu sehen. Erst nach einiger Zeit ließ Skipper sie ins Zimmer. Nun wollte er mit ihr ins Bett, und sie ließ sich darauf ein, weil sie hoffte, die Männerfreundschaft damit zu zerstören, aber bevor noch etwas passierte, rannte sie davon. Eine Stunde später stürzte er sich aus seinem Fenster im elften Stock. Maggie fuhr im Krankenwagen mit und hörte Skippers letzte Worte: „Warum hat er aufgelegt, als ich anrief?“ Die Antwort will sie nun von Brick wissen, und er gibt endlich zu, dass er sich Vorwürfe mache, weil Skipper sich aus Enttäuschung über ihn das Leben genommen habe. Nachdem Maggie davongelaufen war, rief Skipper Brick an, aber Brick brach das Gespräch ab und legte auf, und als das Telefon gleich darauf wieder klingelte, hob er gar nicht erst ab. Da sprang Skipper in den Tod. Nun schämt Brick sich so, dass er es ohne Alkohol nicht erträgt.

Nach wie vor will Brick abreisen. Bereits im Auto sitzend, wirft er seinem Vater wütend an den Kopf, dass er von den Ärzten belogen wurde: „Dies ist dein letzter Geburtstag!“ Beim hastigen Losfahren gräbt sich eines der Hinterräder im Rasen ein. Brick steigt wieder aus, zerbricht versehentlich seine Krücke und hüpft auf einem Bein ins Haus zurück.

Big Daddy zieht sich still in den Keller zurück und lässt sich von Dr. Baugh bestätigen, was er von Brick erfahren hat. Während Big Daddy im Keller vor sich hinbrütet, in einem Raum, der von überflüssigen Sachen überquillt, die er seine Frau kaufen ließ, weil er Liebe mit Geschenken verwechselte, versucht Gooper, der in Memphis eine auf Vermögensangelegenheiten spezialisierte Anwaltskanzlei betreibt, seine Mutter im Wohnzimmer zum Unterschreiben eines mehrseitigen Erbvertrags zu überreden. Mae assistiert ihm dabei beflissen. Maggie steht in einer Ecke und beobachtet angewidert das Getue, aber sie beteiligt sich daran, Big Momma zu versichern, dass Big Daddy nicht ernstlich krank sei und noch lange leben werde.

Währenddessen humpelt Brick unbemerkt in den Keller, um sich bei seinem Vater zu entschuldigen und ihm eine von Dr. Baugh vorbereitete Morphiumspritze zu geben, aber Big Daddy will nicht betäubt werden, verlangt stattdessen eine Zigarre und ein Glas Whiskey. Brick trinkt nichts. Er gibt zu, noch immer wie ein Kind zu sein, weil er nicht wisse, an welche Werte er glauben soll und wirft seinem Vater in einer offenen Auseinandersetzung vor, zwar alles zu besitzen, aber niemand zu lieben. „Ich hätte einen Vater gebraucht, keinen millionenschweren Chef!“ Big Daddy zeigt ihm die Überreste eines schäbigen Koffers und behauptet, das sei alles, was sein Vater ihm hinterlassen habe. Big Daddy hat mit nichts angefangen, alles selbst aufgebaut: die riesige Plantage, den Aktienbesitz und die Millionen auf der Bank. Sein Vater war als Vagabund gestorben, aber mit einem Lächeln. Da weist Brick ihn darauf hin, dass dieser mittellose Mann vielleicht glücklich gewesen sei, weil sein Sohn ihn geliebt habe, und er zertrümmert zornig einige der im Keller gestapelten Sachen.

Sich gegenseitig stützend, gehen Vater und Sohn die Treppe hinauf ins Wohnzimmer. Maggie weist darauf hin, dass ihr Geburtstagsgeschenk noch fehle. (Allerdings hat sie Big Daddy im Namen Bricks einen kuscheligen Morgenmantel überreicht, den sie auf eigene Initiative besorgt hatte.) Ihr Geburtstagsgeschenk für Big Daddy sei die Ankündigung der Geburt eines Kindes. Mae keift, das könne gar nicht sein, weil Maggie und Brick nicht zusammen schliefen, aber Brick bestätigt lächelnd die Ankündigung seiner Frau und geht mit ihr hinauf ins Zimmer.

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Aufgrund des Erfolgs beschloss man in Hollywood, das Theaterstück „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ („Cat on a Hot Tin Roof“) von Tennessee Williams zu verfilmen und beauftragte damit den Regisseur Richard Brooks (1912 – 1992). Dem gelang es, daraus einen kammerspielartigen Kinofilm zu machen, in dem die explosive Atmosphäre, die Vitalität und die sarkastischen Dialoge des Melodrams bewahrt wurden.

„Die Katze auf dem heißen Blechdach“ ist eine krasse Kritik an der Gesellschaft nicht nur der amerikanischen Südstaaten, in der sich alles um materiellen Besitz dreht. Gooper und Mae Pollitt sind mit ihren fünf „halslosen Ungeheuern“ (Maggie) das abschreckende Beispiel einer bürgerlichen Familie, die aus Habgier Gefühle heuchelt. Bei dem (noch?) kinderlosen Ehepaar Brick und Maggie liegen Hass und Liebe dicht beieinander. Und „Big Daddy“, der sich aus dem Nichts zu einem Multimillionär hochgearbeitet hat, muss kurz vor seinem Tod erkennen, dass er ein Leben lang auf Besitz aus war und Liebe mit materiellen Geschenken verwechselte. Jede der Figuren hat ein Handicap: bei Brick ist es die Alkoholabhängigkeit, bei Maggie unbefriedigte Sexualität, bei „Big Daddy“ der Besitz, bei Gooper und Mae sind es die gesellschaftlichen Konventionen. – „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ ist packendes Stück über den Verlust zwischenmenschlicher Beziehungen, Verlogenheit, Heuchelei und Selbsttäuschung.

„Die Katze auf dem heißen Blechdach“ gilt als eine der besten Rollen, die Elizabeth Taylor gespielt hat, vergleichbar mit ihrem Auftritt in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“. Für Paul Newman bedeutete die Rolle Brick Pollitts den Beginn einer großen Karriere.

In sechs Kategorien wurde „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ für einen „Oscar“ nominiert: Film, Drehbuch (Richard Brooks und James Poe), Regie (Richard Brooks), Kamera (William Daniels), Hauptdarstellerin (Elizabeth Taylor), Hauptdarsteller (Paul Newman).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

Tennessee Williams: Die Katze auf dem heißen Blechdach

Richard Brooks: Kaltblütig

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