Naked Lunch

Naked Lunch

Naked Lunch

Naked Lunch - Originaltitel: Naked Lunch - Regie: David Cronenberg - Drehbuch: David Cronenberg, nach dem Roman "Naked Lunch" von William S. Burroughs - Kamera: Peter Suschitzky - Schnitt: Ronald Sanders - Musik: Howard Shore und Ornette Coleman - Darsteller: Peter Weller, Judy Davis, Ian Holm, Julian Sands, Roy Scheider, Monique Mercure, Nicholas Campbell, Michael Zelniker, Robert A. Silverman, Joseph Scorsiani u.a. - 1991; 110 Minuten

Inhaltsangabe

Der Kammerjäger Bill Lee stellt eines Tages fest, dass sich seine Frau Joan Insektengift wie Heroin spritzt, und er lässt sich von ihr überreden, es auch einmal zu probieren. Um sich und Joan von der Giftabhängigkeit zu befreien, besorgt er ein Medikament, aber als er nach Hause kommt, überrascht er Joan und seinen Freund Hank in flagranti. Scheinbar ruhig fordert er Joan auf, ein Glas auf dem Kopf zu balancieren. Sein Pistolenschuss trifft sie mitten in die Stirn ...
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Kritik

In seinem Film setzt David Cronenberg nicht William S. Burroughs' Roman "Naked Lunch" eins zu eins um, sondern er vermischt dessen Inhalt mit Elementen aus der Biografie des Schriftstellers und fügt eine aus Burroughs' Roman "Exterminator" entnommene Rahmenhandlung hinzu.
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New York City, 1953. Die beiden Schriftsteller Hank (Nicholas Campbell) und Martin (Michael Zelniker) unterhalten sich in einer Kneipe darüber, wie wichtig es sei, das Geschriebene nicht durch eine spätere Überarbeitung zu verfälschen: „Exterminate all rational thought.“ Ihr Freund William („Bill“) Lee (Peter Weller) gesellt sich zu ihnen und sagt, er habe im Alter von zehn Jahren zu schreiben aufgehört: „Zu gefährlich!“ Stattdessen wurde er Kammerjäger.

Als ihm bei seiner Arbeit unerwartet das Insektengift ausgeht, stellt er fest, dass seine Frau Joan (Judy Davis) sich das Mittel wie Heroin spritzt. Und er lässt sich von ihr überreden, es auch einmal zu probieren.

Da wird er von der Drogenpolizei abgeholt. Früher war Bill rauschgiftsüchtig, aber er beteuert, seit seiner Eheschließung clean zu sein. Die Beamten glauben ihm nicht, dass es sich bei dem Pulver, das sie bei ihm finden, um Insektengift handelt, das er für seine Arbeit benötigt. Um es zu überprüfen, setzen sie einen riesigen Käfer in das Pulver und lassen ihn damit für eine Weile allein in dem Raum zurück. Sobald die Beamten draußen sind, spricht der Käfer und behauptet, Joan sei nur zum Schein Bills Ehefrau, in Wirklichkeit handele es sich um eine Agentin von „Interzone Incorporated“. Entsetzt zerschlägt Bill den Käfer mit einem seiner Schuhe und flieht aus dem Polizeirevier.

Um sich und seine Frau von der Giftabhängigkeit zu befreien, lässt Bill sich von dem Arzt Dr. Curt Benway (Roy Scheider) ein entsprechendes Medikament geben: zu Pulver verarbeitete schwarze Riesentausendfüßler aus Brasilien. Als er nach Hause kommt, überrascht er Joan und Hank in flagranti. Im Beisein Martins, der den beiden zugesehen hat, fordert er seine Frau auf, für das „Wilhelm-Tell-Spiel“ ein Glas auf dem Kopf zu balancieren. Sein Pistolenschuss trifft sie mitten in die Stirn.

In einer Kneipe trifft Bill auf ein Fabelwesen namens Mugwump, das ihm ein Ticket zur Interzone zuschiebt und ihn auffordert, Berichte über seine dortigen Erlebnisse zu verfassen.

In der nordafrikanisch anmutenden Umgebung der Interzone tauscht Bill die Pistole, mit der er Joan erschoss, gegen eine Schreibmaschine ein und beginnt, seinen Bericht zu tippen. Als er aufhört und die Augen schließt, schreibt die Maschine von allein weiter und verwandelt sich in einen sprechenden Käfer mit einer Tastatur. Der warnt Bill vor gegnerischen Agenten und rät ihm, seine Identität zu verbergen: „Homosexualität ist die beste Tarnung.“

In einer Kneipe begegnet Bill dem Schriftstellerehepaar Tom und Joan Frost (Ian Holm, Judy Davis). Die Ähnlichkeit zwischen Joan Frost und Bills toter Frau Joan ist frappierend. Während Joan mit der Hand zu schreiben pflegt, hebt Tom die Vorzüge seiner Schreibmaschine hervor und leiht sie Bill zum Ausprobieren. Dessen Schreibmaschinenkäfer fällt die geliehene, ebenfalls in einen Käfer verwandelte Schreibmaschine an, zerfleischt sie und schiebt sie vom Tisch, sodass sie auf dem Fußboden zerschellt. Bill habe sich eine feindliche Agentin unterschieben lassen, behauptet der siegreiche Käfer.

Während Toms Abwesenheit besucht Bill Joan und umarmt sie. Doch als sie sich am Boden wälzen, jagt die Haushälterin Fadela (Monique Mercure), die sich wie eine Domina benimmt, die beiden auseinander. Kurz darauf kommen Bill und Joan auf den Markt und sehen dort Fadela mit verschleierten Frauen sitzen. Da verabschiedet Joan sich von Bill und kauert sich Vergebung erheischend vor Fadela.

Hank und Martin kommen zu Besuch. Bill zeigt ihnen einen Beutel mit den Trümmern der zerstörten Schreibmaschine, aber als Hank und Martin hineinsehen, sehen sie nur gebrauchte Spritzen und Medikamentenschachteln. In mehreren Briefen hat Martin von Bill einzelne Kapitel eines Romans mit dem Titel „Naked Lunch“ erhalten, aber Bill weiß nichts von dem fast fertigen Manuskript. Er bringt die Freunde zum Überlandbus und bleibt selbst noch in Interzone, um seinen Bericht abzuschließen.

Der Strichjunge Kiki (Joseph Scorsiani) führt Bill zu einem Grobschmied, der die zerstörte Schreibmaschine wieder herstellt. Allerdings sieht sie jetzt wie ein Mugwump aus. Und der befiehlt Bill, den homosexuellen Schweizer Dandy Yves Cloquet (Julian Sands) zu töten, bei dem es sich um einen Verbindungsmann zu Dr. Benway handeln soll.

Schließlich dringt Bill in die Fabrik ein, in der Mugwumps Menschen an ihren vielen langen Zitzen saugen lassen, damit sie wunschlos glücklich und passiv werden. Joan ist ebenfalls da. Als Bill ihrer Chefin Fadela gegenübertritt, reißt diese ihre weiße Bluse auf, dann auch die Haut zwischen den Brüsten – und zum Vorschein kommt Dr. Benway. Er ist der Besitzer der Drogenfabrik.

Bill flieht mit Joan in einem Kettenfahrzeug – einer Art Wohnwagen. Joan liegt auf einem Bett im hinteren Teil. An der Grenze des Staates Annexia gibt Bill an, Schriftsteller zu sein. Die Beamten verlangen, dass er etwas schreibt, um es zu beweisen. Da nimmt Bill eine Pistole und fordert Joan auf, sich ein Glas auf den Kopf zu stellen. Sein Schuss trifft sie mitten in die Stirn. Die Grenzbeamten heißen ihn in Annexia willkommen.

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Zitate im Vorspann des Films „Naked Lunch“ von David Cronenberg:
Nothing is true; everything is permitted. (Hassan I Sabbah)
Hustlers of the world, there is one mark you cannot beat: the mark inside … (William S. Burroughs)

Seinen skandalösen Roman „Naked Lunch“ konnte der Amerikaner William S. Burroughs 1959 zunächst nur in Paris veröffentlichen („The Naked Lunch“, Olympia Press). Erst 1962 war ein Verleger in den USA (Grove Press, New York) mutig genug, es ebenfalls zu versuchen, obwohl er sich damit zwei Gerichtsverfahren wegen der Verbreitung angeblich obszöner Inhalte einhandelte, eines in Boston und eines in Los Angeles. Das Verfahren in Los Angeles wurde nach einer Anhörung 1965 niedergeschlagen, aber das Gericht in Boston urteilte, der Roman „Naked Lunch“ sei obszön und dürfe deshalb nicht weiter verkauft werden. Die Anwälte des Verlags riefen daraufhin den Massachusetts Supreme Court an, und der kam 1966 zu dem Urteil, „Naked Lunch“ sei trotz einiger obszöner Passagen kein obszönes Buch.

In seinem Kinofilm „Naked Lunch“ setzte David Cronenberg nicht William S. Burroughs‘ Roman eins zu eins um, sondern er vermischt den Inhalt der literarischen Vorlage mit Elementen aus der Biografie des Schriftstellers und fügt eine aus Burroughs‘ Roman „Exterminator“ (1973) entnommene Rahmenhandlung hinzu.

William S. Burroughs, dessen Mutter mit Mädchennamen Lee hieß, benützte auch das Pseudonym William Lee. Auf ähnliche Weise wie William Lee tötete auch William S. Burroughs seine Ehefrau Joan Vollmer: An einem Abend im September 1951, als die beiden zusammen mit mehreren Freunden Alkohol und Drogen konsumierten, kamen sie auf die Idee, Wilhelm Tells Apfelschuss nachzuspielen. Dabei traf Burroughs seine Frau vor den Augen der Gäste versehentlich in den Kopf.

Den Schock versuchte er schreibend zu verarbeiten. So entstanden die ersten Entwürfe für den Roman „Naked Lunch“; weitere folgten ab 1953 in Tanger. Dort verfiel er allerdings erneut der Heroinsucht. Durch eine weitere Entziehungskur in London kam William S. Burroughs 1956 davon los, und es wurde ihm möglich, in Tanger wieder ernsthaft zu arbeiten. Die mit ihm befreundeten Schriftsteller Jack Kerouac und Allen Ginsberg (im Film: Hank und Martin) drängten ihn, daraus den Roman „Naked Lunch“ zu machen.

Erst vor diesem Hintergrund wird der von David Cronenberg inszenierte Albtraum als halluzinatorischer Wahn einigermaßen verständlich. Sein Film befasst sich mit dem Entstehungsprozess des Romans „Naked Lunch“ und ist eine Hommage an William S. Burroughs, aber auch eine Satire auf den Kreativitätskult der Beat Generation.

David Cronenbergs „Naked Lunch“ ist kein psychedelisches Chaos, wie man möglicherweise erwarten würde, sondern ein stilsicher inszenierter Film aus sorgfältig komponierten Bildern, in denen grüne und braune Farbtöne vorherrschen. Ausgezeichnet ist auch die Besetzung; das gilt vor allem für Peter Weller in der Rolle von William Lee.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

William S. Burroughs (Kurzbiografie)

David Cronenberg (kurze Biografie / Filmografie)
David Cronenberg: Spider
David Cronenberg: A History of Violence
David Cronenberg: Tödliche Versprechen. Eastern Promises
David Cronenberg: Eine dunkle Begierde

Gianrico Carofiglio - Am Abgrund aller Dinge
In dem Entwicklungsroman "Am Abgrund aller Dinge" geht es um Mut, Würde und Unabhängigkeit. Gianrico Carofiglio entfaltet die Handlung auf zwei Zeitebenen im Wechsel. Für den erwachsenen Protagonisten, der sich selbst kritisch gegenübersteht, ver­wen­det er die unübliche Du-Form.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.