Der letzte Kronzeuge

Der letzte Kronzeuge

Der letzte Kronzeuge

Originaltitel: Der letzte Kronzeuge. Flucht in die Alpen – Regie: Urs Egger – Drehbuch: Stefan Kolditz – Kamera: Busso von Müller – Schnitt: Benjamin Hembus – Musik: Nellis Du Biel, Ina Siefert – Darsteller: Lisa Maria Potthoff, Aaron Kissiov, Herbert Knaup, Ken Duken, Thomas Sarbacher, Justus von Dohnányi, Corinna Kirchhoff, Waldemar Kobus, Florian Lukas, Winnie Böwe u.a. – 2014; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Bei einem nächtlichen Einsatz erschießt die junge Berliner Polizistin Sarah Kohr einen Verdächtigen. Ihr Kollege Berger täuscht vor, dass sie von dem Mann mit einer Pistole bedroht worden sei und in Notwehr gehandelt habe. Als Sarah erfährt, dass sie einen Kronzeugen tötete, der gegen einen Mafioso aussagen wollte, ahnt sie, dass sie von korrupten Kollegen instrumentalisiert wurde. Kurz darauf wird der zweite Kronzeuge vor ihren Augen erschossen. Mit dem letzten Kronzeugen, einem zehnjährigen Jungen, flüchtet sie auf die Alm ihres Großvaters in den Alpen ...
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Kritik

Für Spannung sorgt Urs Egger in dem Thriller "Der letzte Kronzeuge. Flucht in die Alpen" v. a. durch hohes Tempo. Aber die Handlung wird von zu vielen Zufällen bestimmt, und die Figuren bleiben eindimensional.

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Die junge Berliner Polizistin Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff) ist bei einem nächtlichen Einsatz ihres Vorgesetzten (Thomas Sarbacher) und ihres Kollegen Berger (Ken Duken) dabei. Einem Informanten zufolge sollen sich auf einem Schrottplatz Waffenschieber aufhalten. Einer der Verdächtigen flüchtet. Sarah stellt ihn und fordert ihn mit gezogener Waffe auf, sich zu ergeben. Als sie den Eindruck hat, er richte den Lauf einer Pistole auf sie, erschießt sie ihn. Aber der Mann hielt nur einen Schlüsselbund in der Hand. Kurz darauf kommt Berger gelaufen. Seine Dienstwaffe ist einsatzbereit. Zusätzlich zieht er eine Pistole aus einem Wadenholster, schießt auf Sarah und drückt die abgefeuerte Waffe dann dem Toten anstelle des Schlüsselbundes in die Hand. Sarah wird von dem Aufprall des Geschosses zwar zu Boden geworfen, aber ihre schusssichere Weste verhindert eine ernsthafte Verletzung. Und Berger sagt aus, sie habe in Notwehr gehandelt.

Staatsanwalt Anton Mehringer (Herbert Knaup), der zwar verheiratet ist, aber mit Sarah eine Affäre hat, reagiert entsetzt, als er erfährt, wen seine Geliebte erschossen hat: Es handelt sich um einen der drei Kronzeugen in dem in wenigen Tagen anstehenden Prozess gegen den nach einer tödlichen Schießerei in Deutschland verhafteten Mafioso Luca Varese (Waldemar Kobus).

Bei der Befragung durch die Polizeipsychologin (Winnie Böwe) lügt Sarah und behauptet, trotz des Schocks gut zu schlafen, aber ihr Chef schickt sie dennoch für zwei Wochen in Urlaub und drückt ihr Reiseunterlagen in die Hand. Das Geld dafür stamme aus einer für solche Zwecke eigens angelegten Kasse, erklärt er ihr.

Als Sarah am Flughafen auf die Maschine nach Mailand wartet, sieht sie Berger. Ihr Kollege wartet offenbar auf jemanden aus dem soeben gelandeten Flieger aus Neapel. Er begrüßt kurz einen Mann. Der kleine Junge, der mit dem Flugpassagier gekommen ist, schaut in einen Automaten mit Süßigkeiten, und Sarah fragt ihn, was er haben möchte. Berger geht weg. Im nächsten Augenblick wird der Vater des Kindes mit einer auf den Rücken aufgesetzten Pistole erschossen. Sarah packt den Jungen und rennt mit ihm weg. Der Mörder (Justus von Dohnányi) verfolgt die beiden, aber sie können schließlich in einen abfahrbereiten Zug springen, den er nicht mehr erreicht.

Erst vom Schaffner (Helge Bechert) erfährt Sarah, dass der Zug nach Hamburg fährt. Sie löst Fahrkarten und bezahlt mit ihrer Kreditkarte.

Im Fernsehen wird über den Mord am Berliner Flughafen berichtet. Bei dem Ermordeten handelt es sich um den Mafioso Gino Morave, der sich nach einer für vier Männer tödlichen Auseinandersetzung mit dem von Luca Varese angeführten verfeindeten Clan in Deutschland nach Italien absetzte und von dort mit der Staatsanwaltschaft einen Deal aushandelte. Für die Zusage einer milderen Strafe war er bereit, als Kronzeuge gegen Luca Varese auszusagen und dem Ankläger die Tatwaffe zu beschaffen. Er brachte seinen zehnjährigen Sohn Lino Morave (Aaron Kissiov) mit, der beobachtet hatte, wie sein Onkel (Eduardo Mulone) und ein Küchenhelfer (Robert Alexander Baer) in einer Restaurantküche in Neapel von Luca Varese erschossen worden waren. Sarah sieht den Fernsehbericht in einem Schnellrestaurant und erfährt auf diese Weise, dass Lino nach dem Tod seines Vaters der einzige noch lebende Kronzeuge ist.

Die Polizei wertet die Aufnahmen von Überwachungskameras aus. Darauf ist zu erkennen, wie Sarah Kohr mit Lino Morave wegrennt. Mit ihrer Kreditkarte bezahlte sie Fahrkarten nach Hamburg.

Sarah und Lino haben den Zug jedoch am nächsten Bahnhof verlassen. Zuflucht suchen sie in Tirol, auf der Alm von Sarahs verwitwetem Großvater Franz (Branko Samarovski). Der hat sich nach dem Tod seiner Frau hierher zurückgezogen und erklärt seiner Enkelin, die als Schülerin die Ferien auf der Alm ihrer Großeltern verbrachte: „Alles, was i brauch, wirft die Alm ab, solang i leb. Was sie net abwirft, des brauch i net.“

Mit dem Jeep ihres Großvaters fährt Sarah ins Tal hinunter und informiert sich im Internet über den Fall. Dabei wird sie von ihrem Jugendfreund Xaver (Xaver Hutter) erkannt und zu einer Party am Wochenende eingeladen. Sie schärft ihm ein, niemandem etwas von ihrer Anwesenheit zu sagen, und als er sie fragt, warum das ein Geheimnis sein soll, antwortet Sarah: „Wegen der Überraschung.“

Immer wieder versucht sie, mit Lino zu reden, aber das traumatisierte Kind schweigt.

Berger, der ebenso wie sein Vorgesetzter von Luca Vareses Mafiafamilie bezahlt wird, sucht nach Sarah und dem letzten Kronzeugen. Er geht zu Sarahs Mutter (Corinna Kirchhoff), die als Ärztin in einem Krankenhaus tätig ist, zeigt ihr seinen Polizeiausweis und fragt sie nach der Tochter. Aber sie weiß nicht, wo Sarah sich aufhält. Seine Kollegin sei in großer Gefahr, sagt Berger, bevor er sich verabschiedet. Sobald er weg ist, wählt die Ärztin die Nummer der Alm ihres Vaters. Franz ist für zwei Tage zur Hochalm hinaufgestiegen. Sarah hebt ab. Ihre Mutter wundert sich darüber und ist zugleich froh, weil sie glaubt, dass Sarah dort in Sicherheit sei.

Berger hört das Telefongespräch jedoch ab und findet über die Nummer heraus, wo Sarah zu finden ist. Er macht sich auf den Weg nach Tirol. Sein ebenfalls korrupter Kollege Dennis (Fjodor Olev) gibt die Information an Luca Vareses Verteidiger Max Rinke (Florian Lukas) weiter. Kurz darauf fährt auch der Auftragskiller, der Gino Morave in Berlin erschoss, nach Tirol.

Bei Xaver erkundigt sich der Killer, auf welcher Alm sich die Polizistin mit dem Kind aufhält. Nachdem er es erfahren hat, tötet er den jungen Mann.

Sarah sieht den Mörder kommen und flieht mit Lino in der Lastenseilbahn. Der Auftragskiller schießt auf sie, bis der soeben von der Hochalm zurückkehrende Franz ihn mit einem Gewehrschuss niederstreckt.

An der Talstation werden Sarah und Lino von Berger überwältigt und ins Auto gezerrt. Bevor Berger losfährt, zwingt er Sarah, sich mit Handschellen an den Türgriff zu fesseln. Auf einem Waldweg hält er an, und Sarah muss hilflos zusehen, wie er mit dem Kind zwischen den Bäumen verschwindet. Als er zurückkommt und ihr die Handschellen abnehmen will, schlägt sie ihm die Wagentür an den Kopf, und er sinkt bewusstlos zu Boden. Sarah nimmt an, dass er Lino bereits getötet hat, aber dann sieht sie den Jungen in der Nähe stehen. Während Berger zögerte, ihn zu erschießen, pflückte er Beeren, und als er Berger davon anbot, brachte dieser es nicht mehr fertig, das Kind zu ermorden. Sarah fordert Lino auf, die Schlüssel für die Handschellen aufzuheben und sie zu befreien. Dann fährt sie mit ihm nach Berlin, zu ihrer Mutter ins Krankenhaus.


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Lino scheint sich an nichts erinnern zu können. Er wiederholt nur immer wieder die beiden Sätze: „Die Elster ist frech und klug. Sie stiehlt, was glitzert und funkelt.“ Unmittelbar vor dem Beginn des Prozesses gegen Luca Varese ahnt Sarah aufgrund einer von Lino angefertigten Zeichnung, auf was sich das bezieht. Sie läuft zu einem Brunnen mit einer Elster als Figur und findet dort tatsächlich eine Plastiktüte mit einer Pistole, bei der es sich wahrscheinlich um die Tatwaffe handelt, die Anton Mehringer als Beweismittel gegen den Angeklagten vorlegen wollte.

Aufgeregt ruft sie ihren Geliebten an und teilt ihm mit, dass sie mit dem letzten Kronzeugen und der Tatwaffe ins Gericht kommen werde. Anton Mehringer bittet die Richterin (Ulrike Hübschmann) um einen halbstündigen Aufschub des Beginns der Verhandlung und kündigt das Eintreffen eines Zeugen an.

Aber bevor Sarah zurück im Krankenhaus ist, erhält sie einen Anruf des Auftragsmörders, der Franz‘ Schuss überlebte. Er hat Sarahs Mutter niedergeschlagen und bietet nun einen Austausch des Jungen gegen die Waffe an. Bei der Übergabe wird der Killer von Berger erschossen. Der korrupte Polizist war gerade noch rechtzeitig nach Berlin zurückgekommen und von Sarahs Mutter alarmiert worden. Er hebt die am Boden liegende Plastiktüte mit der von Luca Varese benutzten Pistole auf und wirft sie seiner verblüfften Kollegin zu. Sie eilt mit Lino und dem Beweismittel ins Gericht. Im letzten Augenblick gelingt es dem Staatsanwalt, eine Verurteilung des Angeklagten zu erreichen.

Danach beendet Sarah das Verhältnis mit Anton Mehringer. Sie hat die Affäre mit dem verheirateten Mann inzwischen als Irrtum erkannt.

Bevor Lino mit seiner Mutter weggeht, schenkt er Sarah eine Zeichnung und verspricht ihr, sie zu besuchen.

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„Der letzte Kronzeuge. Flucht in die Alpen“ enthält Elemente der Genres Roadmovie, Polizeithriller und Selbstfindungsdrama. Für Spannung sorgt vor allem ein hohes Tempo. Bei genauerem Hinsehen wirkt die Handlung allerdings konstruiert und von zu vielen Zufällen bestimmt.

Lisa Maria Potthoff überzeugt in „Der letzte Kronzeuge. Flucht in die Alpen“ als Hauptdarstellerin, und selbst Nebenrollen sind hochkarätig besetzt. Allerdings haben Ken Duken, Justus von Dohnányi, Corinna Kirchhoff, Herbert Knaup und andere kaum eine Chance, ihr schauspielerisches Können zu zeigen, weil die Figuren viel zu wenig ausgearbeitet sind.

Dass der Mafioso Luca Varese nach einer tödlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Clans in Deutschland verhaftet wurde, erinnert an die Mafiamorde von Duisburg am 15. August 2007. Die Handlung von „Der letzte Kronzeuge. Flucht in die Alpen“ weist aber auch Parallelen zu der des von Peter Weir inszenierten Kinofilms „Der einzige Zeuge“ (1985) auf. Dort versteckt sich ein Polizist mit einen siebenjährigen Jungen, der einen Mord beobachtete, vor seinen korrupten Kollegen. Und der Titel „Der letzte Kronzeuge. Flucht in die Alpen“ ähnelt dem eines Fernsehfilms von Christiane Balthasar: „Die Kronzeugin. Mord in den Bergen“ (2013).

Nach dem Mord im Flughafen Tegel rennt Sarah Kohr mit Lino Morave los, und die beiden springen in einen Zug. Aber in Berlin gibt es keinen Flughafen mit einem Fernbahnhof wie in Frankfurt am Main. (Die Bahnhofsszene wurde im Hauptbahnhof Berlin gedreht.)

Der Regisseur Urs Egger und der Drehbuchautor Stefan Kolditz haben auch bereits bei dem Fernsehfilm „An die Grenze“ (2007) zusammengearbeitet.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

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