Das Erbe

Das Erbe

Das Erbe

Originaltitel: Arven - Regie: Peter Fly - Buch: Per Fly, Kim Leona, Dorte Høgh und Mogens Rukov - Kamera: Harald Gunnar Paalgard - Musik: Halfdan E. - Darsteller: Ulrich Thomsen, Ghita Nørby, Lisa Werlinder, Lars Brygmann, Karina Skands, Peter Steen, Diana Axelsen, Jesper Christensen, Ulf Pilgaard, Dick Kayso, Sarah Juel Werner, Lucy Adoraison Hansen u.a. - 2003; 105 Minuten

Inhaltsangabe

In "Das Erbe" geht es um einen Mann, der nach dem Suizid seines Vaters wählen muss zwischen dem privaten Glück mit seiner schwedischen Ehefrau und der Loyalität gegenüber seiner Mutter und dem angeschlagenen Familienunternehmen. Dazu kommt, dass sich die Härte der unternehmerischen Entscheidungen auch auf das Private auswirkt.
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Kritik

In der ruhigen Inszenierung von "Das Erbe" konzentriert Per Fly sich ganz auf die psychologische Entwicklung, und er lässt seinem hervorragenden Hauptdarsteller Ulrich Thomsen auch genügend Zeit, dieses innere Geschehen nuanciert und intensiv auszudrücken.
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Vor vier Jahren stieg Christoffer (Ulrich Thomsen) aus dem Stahlunternehmen seines Vaters Aksel (Ulf Pilgaard) in Dänemark aus. Mit seiner Frau Maria (Lisa Werlinder), einer schwedischen Bühnenschauspielerin, betreibt er ein kleines Restaurant in Stockholm und fühlt sich wohl dabei. Aksel schaut auf dem Rückweg von einer Geschäftsbesprechung in Finnland bei seinem Sohn und seiner Schwiegertochter vorbei. Kurz darauf trifft die Nachricht ein, dass der Großindustrielle sich erhängt hat.

Christoffer und Maria reisen zur Trauerfeier nach Kopenhagen. Christoffers Schwester Benedikte (Karina Skands) weint um ihren Vater, während ihr Ehemann Ulrik (Lars Brygmann), der im Familienunternehmen eine leitende Funktion ausübt, noch am Friedhofstor geschäftig telefoniert. Anneliese (Ghita Nørby), die nach dem Tod ihres Mannes Hauptanteilseignerin ist, hält nicht viel von Ulriks Führungsqualitäten und verlangt von Christoffer, dass er anstelle seines Schwagers die Verantwortung in der finanziell schwer angeschlagenen Firma übernimmt. Lang überlegen kann Christoffer nicht, denn eine halbe Stunde nach der privaten Trauerfeier soll auf einer Betriebsversammlung bekannt gegeben werden, wer Aksels Nachfolger ist. Christoffer bespricht sich kurz mit Maria und kommt zu dem Schluss, dass ihm das private Glück wichtiger als das Familienunternehmen ist: Er lehnt ab.

Auf dem Weg zur Betriebsversammlung begrüßen ihn langjährige Mitarbeiter. Da wird ihm bewusst, dass es nicht nur um die Firma, sondern vor allem auch um neunhundert Menschen mit ihren Angehörigen geht – und bei seiner kurzen Ansprache an die Belegschaft überrascht er die Familie mit der Ankündigung, er werde das Unternehmen im Geist seines Vaters weiterführen. Mühsam bewahren Maria und Ulrik Haltung. Nach der Betriebsversammlung geht Maria ins Freie, um ihre Gedanken zu ordnen, während Ulrik sich bei seiner Schwiegermutter beschwert, denn er fühlt sich übergangen.

„Einer muss ja nachgeben“, sagt Maria, als sie mit Christoffer allein ist. Sie wird den angebotenen Jahresvertrag am Königlichen Theater nicht unterschreiben, allerdings in einem halben Jahr – wie geplant – die weibliche Hauptrolle in „Romeo und Julia“ spielen und gibt ihrem Mann zwei Jahre Zeit: Dann müsse er sich wieder aus der Firmenleitung zurückziehen und mit ihr nach Stockholm zurückkehren.

Gerüchte tauchen auf: Christoffer sei dabei, größere Geldsummen aus dem Unternehmen beiseite zu schaffen und ins Ausland zu transferieren. Als Christoffer mit Hilfe des langjährigen Finanzdirektors Niels Ringhof (Peter Steen) herausfindet, dass Ulrik die Gerüchte gestreut hat, kündigt er seinem Schwager fristlos und bleibt vor dessen Schreibtisch stehen, bis dieser das Büro geräumt hat.

Aus Protest gegen die Behandlung ihres Mannes sagt Benedikte sich von ihrer Mutter und ihrem Bruder los und will nichts mehr mit ihnen zu tun haben.

Die Hausbank zweifelt an Christoffers Eignung als Unternehmer, weil es ihm an Erfahrung fehlt und verlangt als einen Schritt zur Sanierung die Streichung von 130 Arbeitsplätzen. Christoffer folgt dem Rat seiner Mutter, nimmt die Herausforderung an und demonstriert Führungsstärke, indem er gleich 200 Mitarbeiter entlässt. Als versehentlich auch einem Mann gekündigt wird, der seit achtunddreißig Jahren im Unternehmen gearbeitet hat, wirft Christoffer den Verantwortlichen hinaus und will den Arbeiter wieder einstellen, aber Niels und Anneliese machen ihm klar, dass er damit einen Präzedenzfall mit unabsehbaren Folgen schaffen würde.

Wie von seiner Mutter erwartet, setzt Christoffer die Maßnahmen durch, von denen er überzeugt ist, dass sie für das Familienunternehmen richtig sind, auch wenn sie hart sind und ihn persönlich betroffen machen. Angespannt arbeitet er von früh bis spät in die Nacht. Maria, die ihn besorgt beobachtet, fordert ihn immer wieder auf, mit ihr über seine Sorgen zu reden, aber er versucht, das Private streng vom Geschäftlichen getrennt zu halten.

Wie vereinbart, reist Maria für einige Zeit nach Stockholm und tritt in „Romeo und Julia“ auf. Nach einem Besuch Christoffers wird sie schwanger. Schließlich kehrt sie mit dem Neugeborenen an die Seite ihres Mannes nach Dänemark zurück.

Inzwischen betreibt Christoffer die Fusion des Familienunternehmens mit einem französischen Stahlkonzern. Vor dem Abschluss der Verträge weist ihn sein Verhandlungspartner darauf hin, dass es in dem zusammengeschlossenen Unternehmen für Niels keinen Platz mehr geben werde, denn er sei zu alt und es fehle ihm trotz seiner vierunddreißig Jahre Erfahrung als Finanzdirektor an Kompetenz für europaweite Geschäfte. Christoffer widerspricht nicht, will Niels jedoch selbst über die Entscheidung unterrichten.

Als die Fusion geregelt ist, gönnt Christoffer sich endlich zwei Wochen Urlaub und mietet für sich, Maria und das Kind in Südfrankreich eine Traumvilla.

An einem der Ferienabende sind die französischen Geschäftspartner zum Essen eingeladen. Um sich gegen die Konkurrenz zu behaupten, müsse das Unternehmen innerhalb der nächsten drei Jahre gewaltige Anstrengungen unternehmen, heißt es bei Tisch, und Christoffer entwickelt ehrgeizige Pläne. Maria schützt Kopfschmerzen vor und zieht sich zurück. Am nächsten Morgen reist sie mit dem Kind ab, denn jetzt ist ihr klar, dass Christoffer auch nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist in der Firmenleitung bleiben wird.

Anneliese nimmt die Trennung von Maria und Christoffer ungerührt zur Kenntnis und kommentiert, sie habe die schwedische Schauspielerin von Anfang an für die falsche Partie gehalten.

Fünf Jahre nach dem Tod seines Vaters sitzt Christoffer allein auf einer Anlagenbank in Stockholm und schaut zum Fenster seiner früheren Wohnung hinauf, in der Maria mit dem Kind lebt. Er folgt ihr in den Park und lädt sie zum Abendessen in ein Restaurant ein, aber sie wird erst nach der Vorstellung mit ihm ausgehen können und verspricht, ihm an der Kasse eine Theaterkarte zu hinterlegen. Enttäuscht schaut sie am Abend auf den leer gebliebenen Platz im Parkett. Christoffer wartet in einem Straßencafé auf der anderen Straßenseite, bis er Maria aus dem Theater kommen sieht. Ohne von ihr bemerkt zu werden, steht er traurig auf und nimmt im Fond seiner Limousine Platz, die sich langsam in Bewegung setzt.

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Gesellschaftskritische Filme zeigen meistens Repräsentanten unterprivilegierter Schichten. In „Das Erbe“ richtet Per Fly den Blick stattdessen auf eine dänische Industriellenfamilie. Es geht um einen Mann, der nach dem Suizid seines Vaters wählen muss zwischen dem privaten Glück mit seiner schwedischen Ehefrau und der Loyalität gegenüber seiner Mutter und dem Familienunternehmen. Beides lässt sich nicht miteinander vereinbaren. Dazu kommt, dass sich die Härte der unternehmerischen Entscheidungen von Anfang an auch auf das Private auswirkt: Ehe, Familienbeziehungen und persönliche Loyalitäten. Trotz seiner Skrupel tut Christoffer alles, um die Firma zu sanieren und zum Erfolg zu führen. Dafür verzichtet er auf privates Glück.

In seiner ruhigen Inszenierung konzentriert Per Fly sich ganz auf die psychologische Entwicklung, und er lässt seinem hervorragenden Hauptdarsteller Ulrich Thomsen auch genügend Zeit, dieses innere Geschehen nuanciert und intensiv auszudrücken.

„Das Erbe“ bildet zusammen mit „Die Bank“ und „Falsche Entscheidung“ eine Trilogie von Per Fly über die dänische Gesellschaft.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

Per Fly: Falsche Entscheidung

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