Larry Flynt

Larry Flynt

Larry Flynt

Larry Flynt - Originaltitel: The People vs. Larry Flynt - Regie: Milos Forman - Drehbuch: Scott Alexander und Larry Karaszewski - Schnitt: Christopher Tellefsen - Musik: Thomas Newman - Darsteller: Woody Harrelson, Courtney Love (= Love Michelle Harrison), Edward Norton, Brett Harrelson, Donna Hanover, Richard Paul, James Cromwell, Vincent Schiavelli, Crispin Glover, Miles Chapin, James Carville, Larry Flynt - Produzenten: Oliver Stone und Michael Hausman - 1996; 130 Minuten

Inhaltsangabe

Milos Forman befasst sich nicht mit der Psychologie Larry Flynts, nicht mit dessen Motiven; es geht ihm auch nicht um eine authentische Biografie des erfolgreichen Pornoverlegers, sondern um die Geschichte eines reichen Exzentrikers, der unter vollem Einsatz gegen die Prüderie der amerikanischen Bürger und für das Recht auf Freiheit kämpft. Parallel dazu erzählt er die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe.
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Kritik

Wer bei einem Film über Larry Flynt, den Verleger des "Hustler-Magazine", mit dem missglückten deutschen Untertitel "Die nackte Wahrheit" eine Art Sexfilm erwartet, wird enttäuscht sein, denn Milos Forman geht mit dem Thema "Herrenmagazin" sehr dezent um.
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Kentucky 1952: Larry und Jimmy sind Brüder. Die beiden Jungen brennen Schnaps und verkaufen ihn, um an etwas Geld zu kommen. Als ihr Vater wieder einmal betrunken im Heu liegt, wirft ihm der 10-jährige Larry wütend einen Krug gegen den Kopf: „Der versäuft meinen Profit!“

Zwanzig Jahre später betreiben Larry und Jimmy Flynt (Woody Harrelson, Brett Harrelson) den „Hustler Go Go Club“, einen Nachtclub in Cincinnati. Viel Geschäft läuft nicht, aber Anzeigenwerbung für ein Striptease-Lokal ist verboten. Da kommt Larry auf die Idee, eine Zeitschrift herauszubringen. „Nur Fotos nackter Tänzerinnen, das geht nicht“, erklärt ihm der Drucker, „da muss schon auch Text dabei sein.“ Das ist die Geburtsstunde des „Hustler-Magazine“. Larry legt keinen Wert auf intellektuelle Beiträge wie der „Playboy“, und bei einem Fotoshooting achtet er schon mal selbst darauf, dass ein Model schamlos die Beine spreizt.

Die 17-jährige Althea Leasure (Courtney Love) fängt als Striptease-Tänzerin im „Hustler Go Go Club“ an. Zwischen ihr und Larry ist es Liebe auf den ersten Blick. Er lässt sie zwar nicht im Zweifel darüber, dass er nicht beabsichtigt monogam zu leben, und sie verlangt das auch gar nicht, aber die beiden heiraten.

Das neue Herrenmagazin ruft den Bankier Charles Keating (James Cromwell) auf den Plan: Er schürt die Entrüstung prüder Bürger gegen den angeblichen Sittenverfall. Larry Flynt wird festgenommen. Pornografie und organisiertes Verbrechen lautet die Anklage, über die 1977 vor dem Hamilton County Gericht in Cincinnati verhandelt wird. Der 27-jährige unerfahrene Anwalt Alan Isaacman (Edward Norton), der Flynt verteidigt, stellt auch vor Gericht klar, dass er Pornografie missbilligt, aber er schätze das Bürgerrecht auf Freiheit weit höher ein. Jeder müsse die Freiheit haben, das „Hustler-Magazin“ zu kaufen oder nicht. Vergeblich plädiert er für einen Freispruch. Nach dem Schuldspruch der Geschworenen verurteilt der Richter (gespielt von Larry Flynt!) den Verleger zu 25 Jahren Haft.

Das Urteil wird revidiert. Fünf Monate nach der Gerichtsverhandlung kann Larry Flynt das Gefängnis verlassen und sich als regimekritischer Verleger und Freiheitskämpfer feiern lassen. „Was ist obszön?“, fragt er. „Sex oder Gewalt und Krieg?“

Als in Georgia Zeitungshändler verhaftet werden, die das „Hustler-Magazin“ zum Verkauf angeboten haben, fliegt Larry Flynt sofort hin, übernimmt vorübergehend einen Zeitschriftenkiosk und bietet vor den Augen mehrerer Polizisten sein Magazin an. Er wird sofort festgenommen, kommt zwar bald wieder frei, wird sich aber vor Gericht verantworten müssen.

Jimmy Carters Schwester Ruth Carter Stapleton (Donna Hanover) lädt Larry Flynt zu einem privaten Abendessen ein. Der verständnisvollen Predigerin gelingt es, den inzwischen reich gewordenen Verleger zum christlichen Glauben zu bekehren. Jesus habe ihm auf die Schulter geklopft, meint er und lässt sich taufen.

1978 steht er in Lawrenceville, Georgia, vor Gericht. Beim Verlassen des Gebäudes werden er und sein Anwalt Isaacman von Schüssen eines Rassenfanatikers getroffen, der sich über Fotos mit weißen und schwarzen Models im „Hustler-Magazin“ erregte. Alan Isaacman erholt sich von seiner Verletzung, doch Larry Flynt bleibt von der Hüfte abwärts gelähmt. Im Krankenbett erklärt er Ruth Carter Stapleton kategorisch: „Es gibt keinen Gott!“

Die Schmerzen erträgt er nur mit Hilfe von Morphiuminjektionen. Auch Althea wird drogenabhängig.
Die beiden verlassen Cincinnati und ziehen in das liberalere Los Angeles („wo Perverse willkommen sind“).

Im März 1983 wird Larry Flynt nach einer neuen Methode noch einmal operiert. Er bleibt zwar an den Rollstuhl gefesselt, aber die Schmerzen lassen so weit nach, dass er von den Drogen loskommt, zumal er sich vorgenommen hat, seinen Verstand wieder ungetrübt einzusetzen: „Das Establishment hat mir zwar eine Hälfte genommen, aber die andere nicht, und von der werde ich Gebrauch machen.“
Er kämpft gegen den Drogenhandel und spielt 1983 einem Journalisten eine Videoaufnahme von einem Drogengeschäft zu. Es kommt zu einem Gerichtsverfahren gegen die Dealer. Aber als Larry Flynt keine Lust hat, eine Zeugenvorladung zu befolgen, wird er erneut verhaftet und zwangsweise dem Bundesrichter in Los Angeles vorgeführt. „Fuck this Court“, steht auf Flynts T-Shirt. Er weigert sich zu sagen, woher er die Aufnahme hat und wird wegen Missachtung des Gerichts zu 15 Monaten Haft im psychiatrischen Bundesgefängnis verurteilt.

In einer Parodie auf die Campari-Anzeigenserie „Mein erstes Mal“ lässt das „Hustler-Magazin“ vom November 1983 den für seine Moralwächterfunktion berühmten Radio- und Fernsehprediger Jerry Falwell (Richard Paul) berichten, er habe es mit seiner Mutter auf einem Außenklo getrieben.

Der Reverend klagt gegen Larry Flynt auf 45 Millionen Dollar wegen Verleumdung und seelischer Grausamkeit. Althea sucht Alan Isaacman auf, der sich aufgrund von Larrys Eskapaden während der Gerichtsverhandlungen im Streit von seinem Mandanten trennte. Sie kann ihn umstimmen: Er übernimmt Larry Flynts Verteidigung und erhebt in dessen Auftrag Gegenklage gegen Jerry Falwell wegen Urheberrechtsverletzung, weil dieser die beanstandete Anzeige ohne Genehmigung vervielfältigt und verbreitet hat. Bei der Verhandlung 1984 vor dem Bundesbezirksgericht in Roanoke, Virginia, weist Alan Isaacman erfolgreich darauf hin, dass niemand vernünftigerweise annehmen kann, dass die Hustler-Parodie ernst gemeint sein könnte. Doch Larry Flynt macht im Zeugenstand alles kaputt, indem er zugibt, dass es seine Absicht war, den Prediger als Heuchler zu entlarven und die Bevölkerung gegen ihn aufzubringen.

Althea ist an Aids erkrankt. Sie kommt schließlich kaum noch vom Bett hoch und kann das Glas Wasser, das Larry ihr bringt, nicht mehr festhalten. Als sie ein Bad nehmen möchte, zieht Larry sie auf seinen Schoß und fährt sie mit dem Rollstuhl zur Badezimmertür. „Schnall dich an“, scherzt er. „Direkt vor die Haustür. Macht 8.50 $.“ Aber sobald sie im Bad ist, greift er zum Telefon und ruft den Arzt an: „Sie sieht nicht gut aus.“ Er drängt den Arzt, etwas zu unternehmen, fragt nach neuen Behandlungsmethoden, versichert, Geld spiele keine Rolle. Da sieht er plötzlich Wasser unter der Badezimmertür. Er fährt hin, öffnet die Tür. Althea liegt leblos in der übergelaufenen Badewanne. Larry schreit vor Schmerz. (Im Film wird suggeriert, Althea Leasure sei vor 1987 gestorben. Tatsächlich ertrank sie 1988 in einer Hotelbadewanne.)

Als Larry Flynt im Fernsehen sieht, wie Reverend Falwell gegen die „abartigen Lebensweisen“ predigt und sie als Ursache der „Seuche Aids“ bezeichnet, ruft er Alan Isaacman an und schlägt vor, gegen das Urteil des Gerichts von Reanoke vor dem Obersten Bundesgericht in Washington Einspruch zu erheben — obwohl er die 100 000 Dollar Strafe leicht zahlen könnte. Der Anwalt aber hat genug von Larry Flynt; oft genug hat dieser durch respektloses Verhalten vor Gericht seine Verteidigungsstrategie durchkreuzt. „Ich bin ein Schwein“, gibt Larry Flynt zu, „aber ein Schwein hat die gleichen Rechte wie der Präsident!“ Schließlich gelingt es ihm, Alan Isaacman zu überreden. Wider Erwarten nimmt das Oberste Bundesgericht den Fall 1987 an — und gibt Larry Flynt Recht: Die Meinungsfreiheit ist wichtiger als der Schutz Prominenter vor Parodien und Karikaturen.

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Wer bei einem Film über Larry Flynt, den Verleger des „Hustler-Magazine“, mit dem missglückten deutschen Untertitel „Die nackte Wahrheit“ eine Art Sexfilm erwartet, wird enttäuscht sein, denn Milos Forman geht mit dem Thema „Herrenmagazin“ sehr dezent um.

Er befasst sich nicht mit der Psychologie Larry Flynts, nicht mit dessen Motiven; es geht ihm auch nicht um eine authentische Biografie des erfolgreichen Pornoverlegers, sondern um die Geschichte eines reichen Exzentrikers, der unter vollem Einsatz gegen die Prüderie der amerikanischen Bürger und für das Recht auf (Meinungs-)Freiheit kämpft. Freiheit setzt voraus, dass jemand auch einen schlechten Geschmack haben darf. „Der Preis der Freiheit bin ich“, sagt Flynt nach seinem Sieg for dem Obersten Bundesgericht. „Wenn der erste Verfassungszusatz Abschaum wie mich schützt, dann wird er auch euch schützen.“

Parallel dazu erzählt Milos Forman die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe voll unbändiger Lust und Verzweiflung. Wenn Althea ihren Mann nach der Verhandlung in Roanoke als „irren Krüppel“ beschimpft und er sie als „Scheiß AidsJunky„, dann klingt das wie eine Liebeserklärung.

Courtney Love und Woody Harrelson prägen diesen Film. Courtney Love (eigentlich: Love Michelle Harrison), die Witwe des Popsängers Kurt Cobain, der sich 1994 erschoss, spielt die unkonventionelle Frau an der Seite Larry Flynts sehr überzeugend (und in der deutschen Fassung trägt die Synchronstimme von Sabine Jäger maßgeblich dazu bei). Deshalb ist es unverständlich, dass zwar Milos Forman und Woody Harrelson, nicht aber Courtney Love für einen „Oscar“ nominiert wurden.

Forman legte die Geschichte als Biopic an, das in Flynts spektakulärem Sieg vor dem Supreme Court gipfelt. Doch was mit der gewissenhaften Chronistenpflicht eines jeden Biopic etwas schleppend beginnt, entwickelt sich im zweiten Akt zur anarchischen, überschäumenden Tragikomödie zwischen lakonischer Lust und beißender Sozialkritik. (Adrian Kreye, Süddeutsche Zeitung, 9. Februar 2010)

Larry Flynts Autobiografie erschien 1996 in Los Angeles unter dem Titel „An Unseemly Man“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2010

Milos Forman (kurze Biografie / Filmografie)

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