Ein perfekter Freund

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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund – Originaltitel: Un ami parfait – Regie: Francis Girod – Drehbuch: Francis Girod und Philippe Cougrand, nach dem Roman "Ein perfekter Freund" von Martin Suter – Kamera: Thierry Jault – Schnitt: Isabelle Dedieu – Musik: Laurent Petitgirard – Darsteller: Antoine de Caunes, Martina Gedeck, Jean-Pierre Lorit, Carole Bouquet, Marie-France Pisier, Claude Miller, Hanns Zischler, Mireille Roussel, Maria Cristina Mastrangeli, Emmanuel Guillon, Christophe Guillon, Christian Cloarec, Peggy Leray u.a. – 2006; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Der Schweizer Journalist Julien Rossi kommt in einem Krankenhausbett zu sich. Aufgrund einer Kopfverletzung kann er sich nicht an die letzten zwei Monate erinnern. So weiß er auch nicht, wer die Frau ist, die ihn besucht und auf den Mund küsst. Wieso kommt Anna nicht? Von seinem Freund Lucas Jäger erfährt Julien, dass Anna ihn verließ, weil er eine Affäre mit Marlène anfing, der Frau, die ihn nun umsorgt. Stück für Stück versucht Julien, sein Gedächtnis zurückzuerlangen. Dabei stößt er auf Erschreckendes  ...
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Kritik

Bei der Verfilmung des Romans "Ein perfekter Freund" von Martin Suter hielt Francis Girod sich inhaltlich und stilistisch dicht an die Vorlage. Der Zuschauer bekommt keinen Wissensvorsprung gegenüber Julien, aus dessen Perspektive erzählt wird.
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Als der Schweizer Journalist Julien Rossi (Antoine de Caunes) zu sich kommt, liegt er in einem Krankenhausbett in Genf. Ein Arzt (Aurélien Recoing) erklärt ihm, er habe zwei Tage lang im Koma gelegen. Eingeliefert wurde er am Neujahrstag. Aufgrund einer Kopfverletzung und eines Schädel-Hirn-Traumas kann er sich nicht erinnern, ob er einen Unfall hatte oder einen Schlag auf den Kopf bekam. Die retrograde Amnesie hat die letzten zwei Monate aus seinem Gedächtnis gelöscht.

So weiß er auch nicht, wer die Frau ist, die ihn jeden Tag besucht und auf den Mund küsst. Wieso kommt Anna (Carole Bouquet) nicht? Von seinem Freund Lucas Jäger (Jean-Pierre Lorit) erfährt Julien, dass Anna ihn verließ, weil er eine Affäre mit Marlène (Martina Gedeck) anfing, der Frau, die ihn nun umsorgt.

Als Julien das Krankenhaus verlassen kann, holt Marlène ihn ab. Sie erzählt ihm, dass sie in der Presseabteilung des Schokoladen-Herstellers Swichoco arbeite und ihn bei einer Pressekonferenz am 29. November kennen gelernt habe. Zwei Wochen später sei er bei ihr eingezogen. Sie vermittelte ihm auch ein Interview mit Dr. Fleischer, dem Forschungsleiter von Swichoco.

An seinem Schreibtisch in der Redaktion sitzt ein Fremder namens Marcel, und als er sich beim Chefredakteur darüber beschwert, zeigt dieser ihm die schriftliche Kündigung, die Julien abgegeben hatte, zwei Tage bevor er am Busbahnhof „Des Eaux Vieux“ mit der Kopfverletzung herumtaumelte. Wieso hat er gekündigt? Julien weiß es nicht.

Ein Buchhalter, der ausrechnen will, wieviel Spesen Julien noch ersetzt werden müssen, fragt ihn nach einer Taxirechnung vom 27. Dezember zu Polvolat, einem Großunternehmen, das verschiedene Fettpulver herstellt, aber Julien kann sich nicht erinnern, dort gewesen zu sein.

Auf seinem früheren Firmen-Computer und seinem privaten Laptop wurden alle Dateien gelöscht. Sein Palm ist verschwunden.

Er fragt die Redaktionssekretärin Sophie (Mireille Roussel), ob er an einer brisanten Sache gearbeitet habe. Sie weiß es nicht mit Bestimmtheit, aber unmittelbar nach dem Erscheinen seines Artikels „Le train des suicidés“ habe er emsig über etwas recherchiert, ohne dem Chefredakteur oder den Kollegen etwas darüber zu verraten.

Julien hofft, sich bei einer Betriebsbesichtigung an seinen Aufenthalt bei Polvolat zu erinnern. Er fragt, ob es unbedenklich sei, auf den Produktionsanlagen Fettpulver zum Beispiel für Tier- und Babynahrung im Wechsel zu erzeugen. Man erklärt ihm, dass die Maschinen während der Umrüstung mit Dampf gereinigt werden. Julien weiß allerdings, dass zum Beispiel Prionen Hitze aushalten. Dabei sind sie nicht ungefährlich, denn pathogene Proteine können die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auf den Menschen übertragen.

Zufällig beobachtet er vor dem Haus, in dem Anna wohnt, wie sie mit Lucas aus der Tür kommt und ihn zum Abschied küsst. Dabei hielt er Lucas für schwul! Als er kurze Zeit später mit Anna spricht, die als Assistentin des Regisseurs Jean-Louis Montiers (Francis Girod) an den Dreharbeiten für den Film „Un amour de lac“ beteiligt ist, erklärt sie ihm, er habe sich sehr verändert, seit er sich wieder mit seinen alten Freunden, den zwielichtigen Zwillingen Luc und Marc Lelièvre (Emmanuel Guillon, Christophe Guillon) traf. Mit ihnen trieb er sich in Nachtklubs herum und gab viel Geld aus. Niemand mochte den Kerl, in den er sich vor ein paar Wochen verwandelte. Dadurch – und nicht nur durch sein Verhältnis mit Marlène – sei ihre Beziehung zerstört worden. Anna versichert ihm, Lucas sei ein perfekter Freund. Er habe Julien nicht betrogen, denn sein Verhältnis mit ihr begann erst nach ihrer Trennung von ihm.

Das Erste, an was Juliens sich erinnert, ist ein Interview, das er mit dem Lokführer Erwin Stoll führte. In dem Artikel „Le train des suicidés“ ging es um eine Eisenbahnstrecke, auf der sich auffallend viele Selbstmörder vor einen Zug warfen, und Julien befragte betroffene Lokführer über die traumatischen Erlebnisse. Auch vor Stolls Lokomotive hatte ein Selbstmörder auf dem Gleis gekniet.

Julien sucht die Witwe des Toten auf: Jacqueline Barth (Marie-France Pisier). Bei ihrem Mann handelte es sich um Professor André Barth (Claude Miller), einen Lebensmittelchemiker, der das Forschungslabor Sanitagro leitete. Er hatte ein Verfahren entwickelt, mit dem Prionen sogar in extrem niedrigen Konzentrationen in Lebensmitteln nachgewiesen werden können. Mit dieser Methode hätte er viel Geld verdienen können, aber er nahm sich das Leben, bevor sie ausgereift war. Zuletzt hatte er Versuche mit Schokolade durchgeführt und in einem Swichoco-Produkt Spuren von Prionen entdeckt. Seine Witwe behauptet, sie habe Julien vor einigen Wochen die von ihrem Mann hinterlassenen Aufzeichnungen anvertraut. Julien erinnert sich nicht mehr daran und weiß auch nicht, wo die Unterlagen jetzt sein könnten. Über Kopien verfügt Jacqueline Barth nicht.

Seinen Palm findet Julien zufällig in einer Schublade, in der Marlène ihre Unterwäsche aufbewahrt. Auch hier wurden die Daten gelöscht. Marlène erklärt ihm, sie und Lucas hätten sich Sorgen gemacht, weil er an einem Scoop arbeitete, der für ihn gefährlich hätte werden können. Um ihn zu schützen, löschten sie seine Daten. Julien argwöhnt, dass sein Freund ihm nicht nur Anna wegnahm, sondern auch die Ergebnisse seiner Recherchen stahl, um sie für seine eigene Karriere zu verwenden.

Sein Verdacht wird erhärtet, als er Lucas in einem Hotel bei einer Unterredung mit Dr. Fleischer (Hanns Zischler) beobachtet.

Ein paar Tage später wird Lucas‘ Leiche aus dem Genfer See geborgen. Es sieht so aus, als habe er sich ertränkt.

Julien lässt sich noch einmal einen Termin bei Dr. Fleischer geben – und ist verblüfft, als ihn in dessen Büro ein Fremder empfängt, der ihm versichert, schon längere Zeit Forschungsleiter von Swichoco zu sein und niemals zuvor mit ihm ein Interview geführt zu haben.

Als er sich noch einmal mit André Barths Witwe verabredet, wundert er sich darüber, dass sie sich in einem Luxushotel aufhält. Sie scheint zu Geld gekommen zu sein. Deshalb vermutet Julien, dass Barth von Polvolat oder Swichoco Schweigegeld erhalten hatte. Auf diese Weise verhinderten die Konzerne eine Aufdeckung des von André Barth nachgewiesenen Lebensmittelskandals. Aus Scham über sein Verhalten nahm er sich dann das Leben.

Bei Sanitagro will man nicht mit Julien reden. Die Chemielaborantin Bianca Monti (Maria Cristina Mastrangeli) flüstet ihm jedoch zu, sie komme nach Dienstschluss zur Bushaltestelle in der Nähe. Er wartet dort auf sie und drängt sie, nach Unterlagen über Barths Forschungsergebnisse zu suchen.

Einige Zeit später schickt sie ihm eine E-Mail: Sie fand zwar keine Aufzeichnungen über die Tests, listet ihm jedoch Namen von Wissenschaftlern auf, mit denen Professor Barth in Verbindung stand. Julien schreibt sie alle an und bittet sie, Kontakt mit ihm aufzunehmen, wenn sie etwas über die von Barth entwickelte Methode zum Nachweis von Prionen in Lebensmitteln wissen. Daraufhin meldet sich ein Professor Lancier und schlägt ihm ein Treffen mit seinem Assistenten Rodolph Hartmann vor.

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Bei Hartmann handelt es sich zu Juliens Verwunderung um den Mann, den Julien für Dr. Fleischer hielt. In der falschen Identität versuchte er, herauszufinden, wieviel der Journalist über das verunreinigte Fettpulver bzw. die Prionen in der Schokolade wusste. Freimütig erzählt Hartmann, Lucas Jäger habe bei dem Treffen im Hotel damit gedroht, die Ergebnisse der Recherchen seines Freundes und Kollegen zu veröffentlichen. Julien nimmt an, dass Hartmann auch Lucas bestach und erkundigt sich nach der Höhe des Betrags. 800 000 Dollar seien bezahlt worden, teilt Hartmann ihm mit, aber Lucas Jäger habe sich nicht bestechen lassen. Das Geld habe Julien bekommen.

Aber wo ist das Geld? Auf ein Bankkonto konnte er es nicht eingezahlt haben; das wäre zu riskant gewesen. Gab er Luc und Marc Lelièvre die 800 000 Dollar, damit sie den Betrag für ihn anlegten? Als er die Zwillinge in einem der Nachtklubs besucht, die ihnen gehören, geben sie es ohne weiteres zu und finden auch nichts dabei, dass sie hofften, er werde sich nicht mehr daran erinnern.

Kommissar Christian Tanner (Christian Cloarec), der die Umstände aufklären will, unter denen Julien verletzt wurde, berichtet ihm, was er inzwischen ermittelt hat: In der Neujahrsnacht rief Lucas Jäger einen Krankenwagen zu seiner Waldhütte, doch als die Sanitäter ankamen, behauptete er, es habe sich um einen Irrtum gehandelt. Tanners Theorie lautet: Julien traf sich mit seinem Freund in der Hütte und geriet mit ihm in Streit. Lucas schlug ihn nieder. Um übers Handy Hilfe herbeirufen zu können, musste er ein Stück weggehen, weil sich die Hütte in einem Funkloch befindet. In der Zwischenzeit kam Julien zu sich, lief weg und irrte herum, bis er am Gare des Eaux Vieux zwei Passantinnen auffiel, die ihn ins Krankenhaus brachten.

Julien fährt mit Anna zu der Hütte. Bruchstückhaft beginnt er, sich an die Ereignisse in der Neujahrsnacht zu erinnern. Nachdem er das Schweigegeld angenommen und Hartmann Barths Unterlagen übergeben hatte, verfolgte er die Hinweise auf die mit Prionen verunreinigte Schokolade von Swichoco nicht weiter. Lucas, der von dem Scoop wusste, konnte nicht verstehen, warum sein Freund die Sache fallen ließ und kündigte an, den Skandal an seiner Stelle aufzuklären. Barths Aufzeichnungen habe er kopiert. Sie trennten sich im Streit. Julien versteckte sich in Sichtweite der Hütte und beobachtete einige Zeit später, dass Lucas etwas im Schnellkomposter versteckte. – Nachdem ihm das wieder eingefallen ist, geht Julien zum Kompost und zieht einen Plastiksack mit Papieren heraus.

Ein paar Tage später veröffentlicht die Zeitung, für die Julien und Lucas arbeiteten, einen langen Artikel unter der Schlagzeile „Der Schoko-Schock – Prionen in der Schokolade“. Als Autor ist Lucas Jäger angegeben.

Kurz darauf wird Julien Rossi während einer Autofahrt in die Luft gesprengt.

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Bei der Verfilmung des Romans „Ein perfekter Freund“ von Martin Suter änderte Francis Girod zwar einige der Namen, hielt sich aber dicht an die literarische Vorlage. Im Zentrum dieser spannenden Mischung aus Wirtschaftskrimi, Gesellschaftskritik und Charakterstudie steht die Skrupellosigkeit von Industriebetrieben, die mit allen Mitteln versuchen, Medienberichte über Gesundheitsrisiken in ihren Produkten zu unterdrücken. Auf der anderen Seite agieren Journalisten, die sich entscheiden müssen, ob sie ihrer Pflicht zur Aufklärung der Öffentlichkeit nachkommen oder Schweigegeld annehmen. Es geht in „Ein perfekter Freund“ nicht nur um Korruption und einen Lebensmittelskandal, sondern auch um eine Männerfreundschaft.

Stilistisch orientierte sich Francis Girod ebenfalls an der Romanvorlage: Er inszenierte „Ein perfekter Freund“ bedächtig und nüchtern.

Francis Girod verschafft dem Zuschauer keinen Wissensvorsprung gegenüber Rossi, aus dessen Perspektive die Handlung erzählt wird. So wie der Journalist in mühsamer Arbeit versucht, Erinnerungssplitter zu entwirren und die Vergangenheit zu rekonstruieren, entsteht auch für den Kinobesucher erst ganz allmählich aus zahlreichen Einzelheiten ein zusammenhängendes Bild der Ereignisse.

Action-Fans werden sich in „Ein perfekter Freund“ langweilen. Wer jedoch bereit ist, sich auf eine verhältnismäßig komplizierte Handlung ohne Effekthascherei einzulassen, wird den Film bis zum Schluss gespannt verfolgen.

„Ein perfekter Freund“ war die letzte Regiearbeit von Francis Girod. Bald darauf, am 19. November 2006, erlag der französische Regisseur im Alter von 62 Jahren einem Herzinfarkt.

Deutsche Synchronstimmen in „Ein perfekter Freund“: Tom Vogt (Julien Rossi), Viktor Neumann (Lucas Jäger), Martina Gedeck (Marlène), Anke Reitzenstein (Anna), Andrea Aust (Jacqueline Barth), Hanns Zimmer (Rodolph Hartmann), Tobias Kluckert (Luc und Marc Lelièvre), Sabine Arnold (Bianca Monti), Jan Spitzer (Christian Tanner), Christine Marquitan (Sophie). Buch und Regie: Hilke Flickenschildt

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Inhaltsangabe und Filmkritik: © Dieter Wunderlich 2009

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Paul Auster erzählt in seinem Roman "Mond über Manhattan" vier verschachtelte Geschichten, die sich gegenseitig spiegeln. Wie gewohnt spielt er mit Zufällen und überzeugt nicht zuletzt durch seine geschliffene Sprache.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.