Im Herzen des Landes

Im Herzen des Landes

Im Herzen des Landes

Im Herzen des Landes - Originaltitel: Dust - Regie: Marion Hänsel - Drehbuch: Marion Hänsel, nach dem Roman "Im Herzen des Landes" von John M. Coetzee - Kamera: Walther vanden Ende - Schnitt: Susana Rossberg - Musik: Martin Saint-Pierre - Darsteller: Jane Birkin, Trevor Howard, John Matshikiza, Nadine Uwampa, Lourdes Christina Sayo Momoboko, René Diaz u.a. - 1985; 85 Minuten

Inhaltsangabe

Magda lebt mit ihrem verwitweten Vater, einem schwarzen Hausmädchen und zwei schwarzen Landarbeitern auf einer abgelegenen Farm in Südafrika. Der verbitterte Schafzüchter sieht in seiner Tochter nicht mehr als eine Magd, erwartet ihre Bedienung und erübrigt kein Wort des Dankes für sie ...
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Kritik

"Im Herzen des Landes" ist ein todernster und sehr ergreifender Film, eine werkgetreue Adaptation des gleichnamigen Romans von John M. Coetzee. Quälend langsam zeigt Marion Hänsel, wie Magda unter Einsamkeit und Missachtung leidet.
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Magda (Jane Birkin) lebt mit ihrem verwitweten Vater (Trevor Howard), dem schwarzen Hausmädchen Anna (Lourdes Christina Sayo Momoboko) und den beiden schwarzen Landarbeitern Jacob und Hendrik (René Diaz, John Matshikiza) auf einer abgelegenen Schaffarm in Südafrika. Der verbitterte Farmer sieht in seiner Tochter nicht mehr als eine Magd, erwartet ihre Bedienung und erübrigt kein Wort des Dankes für sie. Selbst wenn sie gemeinsam am Tisch sitzen und essen, redet er nicht mehr als notwendig mit ihr. Magda trägt schwarze Kleidung als wäre sie eine Witwe. Sie fühlt sich missachtet, leidet unter der Einsamkeit, sehnt sich nach menschlichem Kontakt und nach Zuneigung. „Ich habe Gefühle“, sagt sie im Selbstgespräch, „aber ich kenne sie nicht.“ In ihrer Verzweiflung versucht sie, mit der Unterseite der Handgelenke die Fensterscheiben einzudrücken, um sich die Pulsadern aufzureißen. Ihre Aggression ist längst in Selbsthass umgeschlagen: „Da ich keinen Feind in meiner Umgebung fand, machte ich mich selbst zu meinem Feind.“

Eines Tages bringt Hendrik eine junge Frau (Nadine Uwampa) mit. Sie heißt Anna und wird zur Unterscheidung von dem älteren Hausmädchen „Klein Anna“ genannt. An der hübschen Schwarzen findet der Schafzüchter Gefallen. Während Magda ihm die Haare schneidet, beobachtet er das Mädchen. Als er sie am Brunnen entdeckt, reitet er zu ihr, aber sie wirft erschreckt den Wassereimer fort und läuft davon. Wie einem scheuen Tier nähert der Schafzüchter sich der jungen Frau. Er wirft ihr vom Pferd aus eine Münze zu, einige Zeit später nähert er sich ihr zu Fuß und schenkt ihr etwas. Als er sie über den Arm streichelt, kichert sie. Nachts hört Magda, wie es ihr Vater mit Klein Anna treibt. Die alte Anna rät Hendrik, die Farm mit seiner Frau zu verlassen, denn sie befürchtet, dass es aufgrund der Verletzung der Rassenschranken zu einer Katastrophe kommt. Vorsichtshalber verlassen die alte Anna und der Landarbeiter Jacob die Farm.

Magda träumt davon, ihren Vater mit einem Beil zu erschlagen. Ein anderes Mal träumt sie, er sei in seinem Bett gestorben. Sie nimmt ein Gewehr, lädt es und schießt auf ihren Vater. Dann verbindet sie den Verletzten. Der Gestank der Wunde lockt immer mehr Fliegen an. Hendrik beschwert sich darüber, und Magda stimmt ihm zu: „Wir müssen den Boss morgen begraben.“ Hendrik hebt ein Grab aus, weigert sich aber, Magda zu helfen, als sie die in einen Sack eingeschlagene Leiche in das Loch zerrt und es mit bloßen Händen zuschüttet. Sie solle lieber einen Priester holen, meint er. Obwohl Hendrik und Anna nichts arbeiten und zusehen, wie Magda den Boden schrubbt, fordert der Landarbeiter Lohn für sich und seine Frau. Magda besitzt kein Geld, überlässt ihnen stattdessen Kleidungsstücke ihrer Eltern und Schlachtschafe. Hendrik wird immer aufsässiger. Einmal gerät er mit Magda in Streit und wirft sie zu Boden. Während er sie brutal defloriert, träumt sie davon, sich nackt an ihn zu schmiegen und ihm zärtlich über den Rücken zu streicheln. „Gibt es wirklich Menschen, die Gefallen daran finden?“, fragt sie sich, als Hendrik nach dem Akt wortlos aufsteht, sich die Hose zuknöpft und geht. Trotzdem bittet sie das Paar, zu ihr ins Haus zu ziehen. Als zwei Reiter vorbeikommen und nach dem Farmer fragen, lügt Magda, er sei am Morgen fortgeritten und komme erst spät abends wieder zurück. Hendrik befürchtet, man werde herausfinden, dass der Boss ermordet wurde. Weil die alte Anna bestimmt herumerzählt habe, was zwischen seiner Frau und dem Boss gewesen war, werde man ihn als Mörder verdächtigen. Noch in der Nacht verlassen Hendrik und Anna die Farm. Magda bleibt allein zurück. Als ein vierzehnjähriger Junge mit einem Brief vom Postamt vorbeikommt, versucht sie ihn auf obszöne Weise zu verführen, aber er rennt erschrocken weg.

Magda richtet ein Frühstückstablett her, geht damit auf die Veranda und füttert ihren Vater, der dort im Rollstuhl sitzt. Vergeblich versucht sie ihn an frühere Erlebnisse zu erinnern.

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Ob Magda ihren Vater umgebracht hat und sich die Schlussszene nur vorstellt, oder ob der Mord an ihrem Vater und ihre Vergewaltigung durch den schwarzen Landarbeiter ein Albtraum war, bleibt offen.

Die flirrende Hitze glaubt man sogar als Zuschauer wahrzunehmen. Quälend langsam zeigt Marion Hänsel, wie Magda unter ihrer Einsamkeit und Missachtung leidet. Mit sparsamen Gesten spielt Jane Birkin ihre Rolle und wirkt vielleicht gerade deshalb um so intensiver. Einige der ockerfarbigen Bilder wirken wie Stillleben. Auf Hintergrundmusik wird fast völlig verzichtet. „Im Herzen des Landes“ ist ein todernster und sehr ergreifender Film.

Es handelt sich um eine Adaptation des 1976, während des Aufstandes in Soweto, geschriebenen Romans „In the Heart of the Country“ (1977) von John M. Coetzee. (Deutsche Erstausgabe in der Übersetzung von Wulf Teichmann: „Im Herzen des Landes“, Hanser Verlag, München 1987)

Marion Hänsel wurde 1949 in Marseille geboren. Nach dem Besuch von Schauspielschulen in Brüssel und New York trat sie im Theater auf und spielte in Kinofilmen mit. 1982 inszenierte sie ihren ersten eigenen Spielfilm. Für „Im Herzen des Landes“ wurde sie 1985 in Venedig mit einem „Silbernen Löwen“ ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002/2003

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