Attentat auf John F. Kennedy, Dallas 1963


Obwohl am 18. November 1963 ein Autokorso des US-Präsidenten John F. Kennedy in Miami abgesagt worden war, nachdem die Polizei von Anschlagsplänen erfahren hatte, fuhr er vier Tage später im offenen Wagen – einem 1961er Lincoln Continental X-100 – durch Dallas, und die First Lady Jacqueline („Jackie“) Bouvier Kennedy begleitete ihren Ehemann erstmals auf einer Wahlkampfreise. Die Fahrt begann am Flughafen Dallas Love Field. 200.000 Menschen säumten die Straßen. Außer dem Ehepaar Kennedy, dem Fahrer William Greer und einen Bodyguard saßen der Gouverneur John Connally und dessen Ehefrau Nellie mit im Auto. 350 Polizisten der Stadt Dallas, 40 von der State Police, 15 Deputy Sheriffs des Dallas County und 28 Agenten vom Secret Service sollten für Sicherheit sorgen.

Als die Wagenkolonne um 12.30 Uhr durch die Houston Street auf das Schulbuchdepot des Staates Texas (Texas School Book Depository) zufuhr und in die Elm Street einbog, fielen drei oder vier Schüsse, und John F. Kennedy sackte zusammen. Seine Frau kletterte auf das Wagenheck. Während der Fahrer abbremste, sprang Clint Hill vom Secret Service auf, schob die First Lady in den Sitz zurück, und William Greer gab Gas.

Um 12.35 Uhr traf die Limousine am Parkland Memorial Hospital ein, wo sich 14 Ärzte um John F. Kennedy kümmerten. Aber jede Hilfe kam zu spät: Dr. William Kemp Clark stellte gegen 13 Uhr den Totenschein aus, und Malcolm Kilduff, ein Pressesprecher des Weißen Hauses, gab den Tod des Präsidenten bekannt.

Zur Obduktion wurde die Leiche in der Präsidentenmaschine nach Washington, D. C., geflogen und ins Bethesda Naval Hospital gebracht. An Bord der Air Force One legte Vizepräsident Lyndon B. Johnson noch vor dem Start den Amtseid als Nachfolger des ermordeten US-Präsidenten ab.

John F. Kennedy wurde am 25. November 1963 auf dem Nationalfriedhof Arlington in Virginia beigesetzt.

Weil es hieß, die Schüsse seien von einem Grashügel an der Dealey Plaza gekommen, schauten sich Sicherheitskräfte dort um. Andere rannten zum Schulbuchlager, denn Augenzeugen hatten einen Gewehrlauf in einem Fenster in der fünften Etage gesehen. Die Beamten trafen in der Kantine auf den 24-jährigen Gelegenheitsarbeiter Lee Harvey Oswald, der dort seit dem 15. Oktober beschäftigt war. Wenige Minuten später konnte er unbehelligt nach Hause fahren, obwohl die Polizei inzwischen eine auf ihn zutreffende Personenbeschreibung des Mannes herausgab, der mit dem Gewehr am Fenster gesehen worden war.

Als Lee Harvey Oswald kurz nach 13 Uhr seine Pension im Vorort Oak Cliff wieder verließ, fiel er dem 39-jährigen Streifenpolizisten J. D. Tippit auf. Nachdem der Beamte aus dem Streifenwagen ausgestiegen war, tötete Lee Harvey Oswald ihn mit vier Schüssen aus einem Revolver. Er wurde gegen 13.50 Uhr im Kino „Texas Theatre“ von 15 Polizisten festgenommen – zunächst nicht wegen des Kennedy-Attentats, sondern wegen des Polizistenmordes.

Parallel dazu fand die Polizei bei der Durchsuchung der fünften Etage des Schulbuchlagers ein Repetiergewehr aus dem Zweiten Weltkrieg – Modell Mannlicher-Carcano – mit Zielfernrohr und drei leere Patronenhülsen. Sowohl das Gewehr als auch den Revolver, mit dem J. D. Tippit erschossen wurde, hatte Lee Harvey Oswald unter dem falschen Namen Alek James Hidell gekauft.

Die Vernehmung Lee Harvey Oswalds im Polizeipräsidium in Dallas fand offenbar unter chaotischen Umständen statt, und sie wurde nicht protokolliert. Oswald beteuerte, er habe den Präsidenten nicht erschossen und behauptete, man wolle ihn zum Sündenbock machen.

Lee Harvey Oswald war am 18. Oktober 1939, drei Monate nach dem Tod seines 43-jährigen Vaters Robert Edward Lee Oswald, in New Orleans zur Welt gekommen. Die Witwe Marguerite Frances Claverie (1907 – 1981) brachte ihn Ende 1942 ins Waisenhaus, holte ihn aber Anfang 1944 wieder zu sich. Im Jahr darauf heiratete sie in dritter Ehe den Geschäftsmann Edwin Ekdahl, aber die Ehe wurde 1948 geschieden.

1953 verbrachte Lee Harvey Oswald drei Wochen in einer Jugendstrafanstalt und wurde aufgrund einer gerichtlichen Anordnung psychiatrisch untersucht.

Im Alter von 16 Jahren gehörte er vorübergehend der Civil Air Patrol in New Orleans an und lernte dabei den Piloten David Ferrie kennen, der zu dieser Zeit an einer gegen Kuba gerichteten Geheimoperation beteiligt war.

Eine Woche nach seinem 17. Geburtstag kam Lee Harvey Oswald zur Marineinfanterie, und im August 1957 wurde er auf den geheimen Luftwaffenstützpunkt Atsugi in Japan abkommandiert. Ein paar Monate später kam er auf die Philippinen, und Ende 1958 nach Kalifornien. Er lernte russisch, las die Prawda und bekannte sich zum Marxismus-Leninismus. Am 11. September 1959, vier Wochen vor dem Ablauf seiner regulären Dienstzeit, quittierte Lee Harvey Oswald den Militärdienst.

Mitte Oktober 1959 traf er in Moskau ein und beantragte die sowjetische Staatsbürgerschaft. Die bekam er zunächst zwar nicht, aber Anfang 1960 teilten ihm die Behörden einen Arbeitsplatz in einer Fabrik in Minsk zu, die Radio- und Fernsehgeräte produzierte. Am 30. April 1961 heiratete Lee Harvey Oswald die 20 Jahre alte russische Pharmakologiestudentin Marina Nikolajewna Prussakowa.

Im Juni 1962 kehrte er mit seiner Frau und dem am 15. Februar geborenen Kind in die USA zurück. Die Familie siedelte sich zunächst in Fort Worth/Texas an und zog im Oktober nach Dallas um. Während Oswald einige Zeit für Jaggars-Stovall-Chiles tätig war, ein Unternehmen, das militärische Landkarten herstellte, nutzte er die Gelegenheit, um sich falsche Papiere auf den Namen Alek James Hidell anzufertigen. Damit besorgte er sich Waffen.

Mit dem auch später beim Kennedy-Attentat benutzten Mannlicher-Carcano-Gewehr schoss Lee Harvey Oswald am 10. April 1963 aus 30 Meter Entfernung durch ein Fenster auf Edwin Walker, einen rechtsradikalen General a. D., traf ihn jedoch nur in den Unterarm.

Ohne dass ihm die Polizei auf die Spur kam, zog die Familie nach New Orleans, aber Ende September / Anfang Oktober kehrte sie nach Dallas zurück, und dort fing Lee Harvey Oswald im Schulbuchlager des Staates Texas zu arbeiten an.

Als Marina Oswald am 20. Oktober 1963 ein zweites Kind bekam, lebte sie bereits von ihrem Mann getrennt in Irving/Texas.

Am 24. November 1963 sollte der Häftling Lee Harvey Oswald ins Staatsgefängnis überführt werden. Deshalb führten ihn Polizisten um 11.21 Uhr in die Tiefgarage des Polizeipräsidiums, die fast zur gleichen Zeit von Jack Ruby betreten wurde, dem 52 Jahre alten Besitzer von drei Nachtklubs in Dallas und Las Vegas, dem Verbindungen zur Mafia nachgesagt wurden. Vor laufenden Fernsehkameras trat er auf Lee Harvey Oswald zu und schoss ihm in den Bauch. Der Verletzte verblutete im Parkland Memorial Hospital.

Jack Ruby wurde am 14. März 1964 wegen Mordes zum Tode verurteilt. Er starb am 3. Januar 1967 an einer Lungenembolie. Warum er Lee Harvey Oswald erschossen hatte, ist bis heute ein Geheimnis geblieben.

Bereits am 9. Dezember 1963 veröffentlichte das FBI einen Bericht über das Attentat und die Ermittlungsergebnisse. Demzufolge gab es drei Schüsse. Der erste traf John F. Kennedy in den Rücken, der zweite John Connally in die Brust und der dritte wiederum den Präsidenten, diesmal in den Kopf.

Am 29. November 1963 hatte US-Präsident Lyndon B. Johnson eine Untersuchungskommission einberufen (The President’s Commission on the Assassination of President Kennedy), die in den Medien nach ihrem Vorsitzenden Earl Warren, einem Obersten Richter am Supreme Court, benannt wurde (Warren-Kommission) und im September 1964 ihren Bericht vorlegte (Warren-Report). Darin heißt es, Lee Harvey Oswald sei ein Einzeltäter gewesen und es habe keine Verschwörung gegeben. Dem Warren-Report zufolge gab Oswald die drei Schüsse innerhalb von fünf bis sieben Sekunden ab, und zwar durch Baumkronen hindurch auf ein bewegtes Ziel. Eines der Projektile soll John F. Kennedy und John Connally an sieben Stellen verletzt haben (Single Bullet- bzw. Magic Bullet-Theorie).

Nach seiner Festnahme hatte Lee Harvey Oswald behauptet, die am 31. März 1963 von seiner Frau Marina aufgenommenen Schnappschüsse (Backyard-Photos), auf denen er mit einem Gewehr, einer Handfeuerwaffe und kommunistischen Zeitungen posiert, seien gefälscht. Diese Auffassung vertrat auch Jim Garrison (1921 – 1992), ein Bezirksstaatsanwalt in New Orleans, obwohl Experten die Fotos für authentisch hielten. Jim Garrison strengte im März 1967 eine neue gerichtliche Untersuchung an.

Dabei legte er einen 27 Sekunden langen, aus 486 Einzelbildern bestehenden Normal-8-Film vom Kennedy-Attentat vor, den der Textilunternehmer Abraham Zapruder aufgenommen und dem Life-Magazin verkauft hatte (Zapruder-Film). Der zu erkennende Ruck von Kennedys Kopf widerlegte nach Garrisons Meinung die Annahme, dass die tödlichen Schüsse auf den US-Präsidenten von hinten, aus dem Schulbuchdepot, abgefeuert worden waren. Experten erklärten die Kopfbewegung jedoch in Übereinstimmung mit der Hypothese. Außerdem wies die Beschädigung der Windschutzscheibe auf der Innenseite auf Schüsse von hinten hin.

Jim Garrison war überzeugt, dass die CIA John F. Kennedy ermorden ließ und wollte eine Mittäterschaft des Geschäftsmanns Clay Shaw und des am 22. Februar 1967 an einem geplatzten Hirn-Aneurysma gestorbenen Piloten David Ferrie nachweisen. Aber am 29. Januar 1969 erklärten die Geschworenen den Angeklagten Clay Shaw für nicht schuldig.

Das Repräsentantenhaus setzte 1976 einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein (House Select Committee on Assassinations), der nach drei Jahren den Warren-Report im Wesentlichen bestätigte, aber einen vierten Schuss vom Grashügel an der Dealey Plaza für möglich hielt.

Präsident Lyndon B. Johnson hatte im Herbst 1964 angeordnet, die Akten der Warren-Kommission 75 Jahre lang unter Verschluss zu halten. Als der Film „JFK“ von Oliver Stone 1992 den inzwischen entstandenen Verschwörungstheorien neuen Auftrieb gab, bestimmte der Kongress per Gesetz (President John F. Kennedy Assassination Records Collection Act) die Freigabe bis 2017.

Literatur über das Attentat auf John F. Kennedy:

  • Vincent Bugliosi: Reclaiming History. The Assassination of President John F. Kennedy (W. W. Norton, New York 2007)
  • Jim Garrison: A Heritage of Stone (Putnam Publishing Group, 1970)
  • Jim Garrison: On the Trail of the Assassins (Grand Central Publishing, New York 1988; Wer erschoss John F. Kennedy? Auf den Spuren der Mörder von Dallas, Übersetzung: Uwe Anton, Heike Rosbach, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 1992)
  • David Kaiser: The Road to Dallas. The Assassination of John F. Kennedy (Harvard University Press, Cambridge/Massachusetts 2008)
  • Peter Knight: The Kennedy Assassination (University Press Edinburgh, Edinburgh 2007)
  • Michael L. Kurtz: The JFK Assassination Debates. Lone Gunman versus Conspiracy (University Press of Kansas, Lawrence/Kansas 2006)
  • Gerald D. McKnight: Breach of Trust. How the Warren Commission Failed the Nation and Why (University Press of Kansas, Lawrence/Kansas 2005)
  • Gerald Posner: Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK (Anchor Books, 1993)

Oliver Stone drehte über das Kennedy-Attentat und vor allem Jim Garrisons Aktivitäten in diesem Zusammenhang den Kinofilm „JFK. Tatort Dallas“.

© Dieter Wunderlich 2016

Oliver Stone: JFK. Tatort Dallas

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.