Samaria

Samaria
Inhaltsangabe
Kritik
Vasumitra
Die koreanischen Mädchen Yeo-jin (Kwak Ji-min) und Jae-young (Seo Min-jeong) sind eng befreundet und gehen in Seoul zur Schule. Um das Geld für den erträumten Flug nach Europa zusammen zu bekommen, trifft Jae-young sich in Motels mit Freiern, die ihr Yeo-jin per Telefon oder Internet besorgt. Yeo-jin bewahrt auch das Geld auf, führt Buch und steht Schmiere. Dass Jae-young sich nach Vasumitra nennen möchte, einer indischen Prostituierten, deren Freier gläubige Buddhisten wurden, gefällt Yeo-jin gar nicht. Sie wäscht ihre Freundin jeweils, nachdem diese mit Freiern zusammen war, obwohl Yeo-jin versichert, nicht beschmutzt zu sein. Für Yeo-jin ist die Prostitution nichts als ein schmutziges Geschäft mit den Erwachsenen; sie wird wütend, wenn Jae-young lächelnd von einem Freier zurückkommt, etwas über seinen Beruf weiß und bedenkenlos zugibt, dass es ihr Spaß gemacht hat. Einen reichen Komponisten (Young Oh), der die beiden Mädchen nach dem Sex zum Essen einlädt, schickt Yeo-jin mit groben Worten fort.
Eines Tages übersieht Yeo-jin eine Polizeistreife, die in dem Stundenhotel eine Razzia durchführt, in dem ihre Freundin gerade mit einem Freier ist. Als Jae-young von den beiden Beamten (Jeon Jin-bae, Sae-Jin Yook) entdeckt wird, springt sie aus dem Fenster. Yeo-jin trägt die Schwerverletzte auf dem Rücken ins Krankenhaus. Jae-young hat sich in den Komponisten verliebt und möchte ihn noch einmal sehen. Yeo-jin eilt zu dem Mann. Der will zuerst gar nicht mitkommen und ist dann nur unter der Bedingung dazu bereit, dass Yeo-jin vorher mit ihm ins Bett geht. Auf diese Weise wird sie defloriert. Als sie ins Krankenhaus kommen, ist Jae-young bereits tot.
Zu Hause legt Yeo-jin das durch Prostitution verdiente Geldbündel ins Spülbecken und zündet es an, aber dann lässt sie Wasser darüber laufen: Statt das Geld zu verbrennen, will sie es den Freiern zurückgeben und vorher mit jedem von ihnen schlafen, um ihre Schuld zu sühnen.
Samaria
Als Yeo-jins verwitweter Vater, der Polizist Young-gi (Lee Uhl), zu einem Tatort gerufen wird, wo eine Kinderprostituierte brutal ermordet wurde, sieht er zufällig bei einem Blick durchs Fenster auf das gegenüberliegende Haus seine Tochter mit einem Freier im Bett. Um sein Versagen als Vater und Beschützer wieder gut zu machen, observiert er sie heimlich und scheucht die Freier fort, die zu ihr wollen. Einen Familienvater (Taek-Ki Shin), der es mit Yeo-jin getrieben hat, verfolgt er bis zu dessen Wohnung. Der Mann gesteht, einen schweren Fehler gemacht zu haben, aber mit einer Entschuldigung gibt Young-gi sich nicht zufrieden: Er dringt kurz in dessen Wohnung ein und ohrfeigt ihn im Beisein der gesamten Familie. Ohne ein Wort zu sagen, stürzt der Gedemütigte sich danach vom Balkon. Einem anderen Freier (Park Jung-gi) schlägt Young-gi in einer öffentlichen Toilette tot.
Sonata
Ohne seiner Tochter zu verraten, was er weiß, fährt Young-gi mit ihr aufs Land, zum Grab seiner Frau. Als er in dem unwegsamen Gelände nicht mehr weiterkommt, räumt Yeo-jin die Steine vor den Rädern fort.
In einem Traum erwürgt Young-gi seine Tochter und vergräbt sie an einem Flussufer.
Er zeigt ihr, wie man Auto fährt, und nachdem sie ein paar Meter gefahren ist, meint er: „Von nun an musst du allein fahren. Ich helfe dir nicht mehr.“ Während Yeo-jin weiter übt, lässt er sich von Kollegen mit einem Streifenwagen abholen. Yeo-jin versucht, dem Jeep zu folgen, weicht ungeschickt einem entgegenkommenden Fahrzeug aus und fährt sich dann fest. Niemand hilft ihr.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)„Samaria“ ist eine Tragödie über Schuld und Sühne, die der südkoreanische Regisseur Kim Ki-duk (*1960) in drei Kapitel gegliedert hat: Vasumitra, Samaria, Sonata. In den ersten beiden Teilen gibt er sich als kühler Beobachter und nüchterner Erzähler. Kim Ki-duk sucht weder nach Ursachen und Erklärungen, noch bezieht er Stellung. Stattdessen überhöht er die Geschichte zum Schluss ins Surreale und Allegorische. Der verstörende Film wirkt vor allem durch die Kraft der Bilder.
Kim Ki-Duks Filme folgen einer eigenen, ganz und gar extremen Logik, die nicht unbedingt durchschaut werden muss. Sein Kino ist eines der Metaphern, Verweise und Symbole, die jedoch nicht immer restlos aufgehen, weil er seinen Figuren und Geschichten ein unkontrollierbares, ja erschreckendes Eigenleben zugesteht. Im Grunde dreht dieser Regisseur Filme über die seltsamen Verirrungen der menschlichen Seele, und wer kann diese schon wirklich verstehen, geschweige denn erklären? Gerade weil Kim Ki-Duk sich nicht anmaßt es zu tun, kann er ihren Deformationen und Abgründen so vorbehaltlos entgegentreten […]
Stets spielen Kim Ki-Duks Filme im Übergangsreich zwischen Mythos und brachialer Sozialkritik, theologischem Diskurs und alltäglichem Leben. So bleiben sie unfassbar, in einem elementaren Sinne. Womöglich wären seine Geschichten ansonsten auch nicht zu ertragen.
(Anke Leweke, „Die Zeit“, 9. Dezember 2004)
Ursprünglich soll Kim Ki-duk geplant haben, „Samaria“ mit einer tödlichen Umarmung enden zu lassen.
Bei der Berlinale 2004 erhielt er für „Samaria“ einen „Silbernen Bären“.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006
Kim Ki-duk: Frühling, Sommer, Herbst, Winter … und Frühling
Kim Ki-duk: Hwal. Der Bogen
Kim Ki-duk: Pieta