Ben Aaronovitch : Ein Wispern unter Baker Street
Inhaltsangabe
Kritik
Der schwarze Police Constable Peter Grant will sich nicht nur bei der Polizei, sondern auch als Zauberlehrling bewähren. Er und PC Lesley May bilden zusammen mit ihrem Vorgesetzten und Meister Detective Chief Inspector Thomas Nightingale eine für Übernatürliches zuständige Sonderabteilung der Metropolitan Police („The Met“), also der Polizeibehörde von Greater London. Lesley trägt eine Maske, denn sie wurde bei einem (in die „Die Flüsse von London“ geschilderten) Einsatz schwer im Gesicht verletzt. Obwohl sie noch krankgeschrieben ist, unterstützt sie ihren Freund Peter bei der Arbeit, und das Zaubern lernt sie schneller als er.
Am Montag vor Weihnachten wird Peter Grant zur U-Bahn-Station Baker Street gerufen. Dort liegt ein Toter mit mehreren Schnitt- und Stichverletzungen. Der Constable und Sergeant Jaget Kumar von der British Transport Police folgen einer Blutspur im Tunnel bis zu einer Blutlache, in der eine Tonscherbe liegt, an der Peter Spuren von Magie wahrnimmt. Bei dem Toten handelt es sich um James Gallagher aus Albany/New York, einen 23-jährigen Kunststudenten, der an der zum St. Martin’s College gehörenden Byam Shaw School of Art immatrikuliert war. Zweimal fiel der Amerikaner mit Drogen auf.
Peter fährt mit seinen Kollegen David Carey und Sahra Guleed zu James Gallaghers Haus. Dort stoßen sie auf einen Weißen Anfang 20, der nur eine Unterhose trägt und erst einmal fragt: „Gebt ihr mir vielleicht fünf Minuten Vorsprung, damit ich mein Dope verstecken kann?“ Er heißt Zachary („Zach“) Palmer und wurde von seinem Freund James Gallagher im Haus aufgenommen.
Die Polizisten nehmen Zach mit, und er verbringt die Nacht in einer Zelle der Polizei.
Am nächsten Morgen stellt Detective Chief Inspector Seawoll, der die Ermittlungen in dem Mordfall James Gallagher leitet, dem Team die soeben eingeflogene FBI-Agentin Kimberley Reynolds vor. Weil es sich beim Vater des Ermordeten um einen Senator des Staates New York handelt, soll sie die Ermittlungen der Metropolitan Police beobachten. Als britischer Kontaktbeamter für Kimberley Reynolds wird Simon Kittredge vom Counter Terrorism Command der Metropolitan Police abgestellt. Seawoll möchte unter allen Umständen vermeiden, dass die Amerikanerin etwas von übersinnlichen Vorgängen mitbekommt.
In James Gallaghers Wohnzimmer fiel Peter eine Obstschale aus dem gleichen Steingut wie die im U-Bahn-Tunnel entdeckte Scherbe auf. Zach behauptet, sein Freund habe sie auf dem Portbello Market gekauft. Peter lässt sich von ihm zu dem entsprechenden Händler bringen. Der sagt, er habe sie von Kevin Nolan erworben. Den finden Peter und Zach in Covent Garden.
In Gallaghers Haus fand Peter auch einen Flyer mit der Ankündigung einer Vernissage des irischen Künstlers Ryan Carroll in der Tate Gallery of Modern Art. Er besucht die Veranstaltung und spürt das von einer Skulptur ausgestrahlte starke Vestigium.
Weil Zach Palmer von James Gallaghers inzwischen in London eingetroffenem Vater auf die Straße gesetzt wird, ruft er Peter an und bittet um Hilfe. Sie verabreden sich an der U-Bahn-Station Shepherd’s Bush Market. Als Peter eintrifft, wird Zach gerade von Kevin Nolan und einem Unbekannten zusammengeschlagen. Der Constable geht dazwischen. Da kommt noch jemand angerannt, aber Peter schickt die gefährlich aussehende Person mit einem Zauberspruch zu Boden. Es handelt sich um Kimberley Reynolds.
Dem Obduktionsbericht zufolge passt die von Peter Grant sichergestellte Scherbe zu James Gallaghers Rückenverletzung: Er wurde mit einem zerbrochenen Teller ermordet.
Peter erinnert sich, auf dem Kaminsims in Gallaghers Haus eine etwa 20 Zentimeter hohe, latent magische Venus-Statuette aus Steingut gesehen zu haben. Von der aus Italien stammenden Putzfrau Sonia erfährt er, dass Gallagher die Figur bei einer privaten Auktion am Powis Square ersteigerte. Mit dem Passwort „Rasenmähen“ erhält Peter Zugang zu dem illegalen Markt, einem Nazareth, am Powis Square. Hier kaufen und verkaufen Leute, die sich nicht kennen, ihre Namen nicht nennen und mit Bargeld bezahlen. Da lässt sich später nichts nachverfolgen. Ein Gothic Girl namens Hyacinth, das die florentinische Venus verkauft haben soll, behauptet, die Statuette von Kevin Noland bekommen zu haben.
Peter und Lesley folgen Kevin Nolands Van in ein Lagerhaus an der Kensal Road. Dort sind Kisten mit Tellern aus Steingut gestapelt.
Das Lagerhaus gehört Beale Property Services. Peter und Detective Inspector Miriam Stephanopoulos vernehmen Graham Beale, den Geschäftsführer des Unternehmens. Er sagt aus, das früher von der Unbreakable Empire Pottery Company genutzte Lagerhaus sei in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts der Firma Nolan & Sons verpachtet worden.
Eine Spur führt in den Untergrund. Durch eine Geheimtüre gelangen Peter, Lesley, Thomas Nightingale und Jaget Kumar von einem U-Bahn-Tunnel in die Kanalisation. Dort bemerkt Peter eine Person, die sofort davonrennt. Der Constable holt sie ein. Es ist Kimberley Reynolds. Ein Unbekannter versteckt sich in einem Schacht und rutscht an einer Leiter in die Tiefe, als er entdeckt wird. Die Polizisten verfolgen ihn. Plötzlich steht der Unbekannte hinter ihnen und feuert mit einer Sten-Gun auf sie. Drei Treffer auf die Brust werfen Peter um. Seine kugelsichere Weste rettete ihm das Leben. Schließlich überwältigen die Polizisten einen Kerl, aber niemand von ihnen hat Handschellen dabei. Der Festgehaltene schlägt mit einer Hand auf den Boden und reißt dadurch die Erde auf. Peter stürzt in den Spalt und wird lebendig begraben. Als er gerettet wird, findet er sich zunächst im London von vor 800 Jahren wieder. Aber dann gräbt ihn die moderne Feuerwehr aus, und man bringt ihn ins University College Hospital. Lesley sitzt bei ihm am Bett. Nightingale wurde angeschossen, Kumar und Reynolds kamen mit Prellungen und Abschürfungen davon. Offiziell heißt es, ein geplatztes Wasserrohr habe den U-Bahn-Tunnel unterspült und ein lokales Absacken verursacht.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Die Unbreakable Empire Pottery Company wurde 1865 von den drei Iren Eugene Beale, Patrick Gallagher und Matthew Carroll gegründet und bildete die Keimzelle des Beale’schen Immobilien- und Bauunternehmens.
Von Zach, bei dem es sich um einen Fae handelt, erfährt Peter schließlich, dass die Kerle, die auf ihn schossen bzw. ihn lebendig begruben, zum Stillen Volk gehören. So nennt Zach die Leute aus dem viktorianischen Zeitalter, die schon beim Bau der Eisenbahn südlich der Themse mit Eugene Beale und Patrick Gallagher dabei waren. Das Stille Volk lebt in der Kanalisation des Londoner Stadtteils Notting Hill.
Zach führt Peter, Lesley, Thomas Nightingale, Kimberley Reynolds, Jaget Kumar und Männer vom Specialist Firearms Command (CO19) der Metropolitan Police durch die Kanalisation zum Stillen Volk, das im Untergrund Albino-Schweine züchtet, aus dem Kot der Tiere Dünger herstellt und mit dem dabei gewonnenen Methan Brennöfen betreibt, in denen Töpferware gebrannt wird.
Am Ersten Weihnachtsfeiertag verhaftet Peter Grant den Künstler Ryan Carroll im Beisein von Miriam Stephanopoulos, Kimberley Reynolds und Simon Kittredge wegen Mordes. Die Handverletzung des Iren, bei dem es sich um einen Urenkel des Firmengründers Matthew Carroll handelt, passt zu der Scherbe, mit der James Gallagher ermordet wurde. In Kürze wird auch das Ergebnis eines DNA-Vergleichs vorliegen.
Statt vom Stillen Volk spricht Ryan Carroll von den Wisperern. Der Ire träumte von einer Künstlerkarriere in New York, wollte sich aber erst einmal in London einen Namen machen. Nach seiner Ankunft in der britischen Metropole wandte er sich an die Beales. Die verwiesen ihn an die Nolans, und die machten ihn mit dem Wisperer Stephen bekannt. Der zeigte Ryan Carroll, wie man eine unzerbrechliche Obstschale töpfert und dabei so viel Vestigia einfließen lässt, dass Kunstliebhaber von einer „Ahnung des Ewigen“ getroffen werden.
Später kam James Gallagher dazu und lernte ebenfalls töpfern. Nachdem die ersten beiden von ihnen geformten unzerbrechlichen Teller gebrannt worden waren, schlugen sie damit testweise gegen eine Kante des Brennofens. Gallaghers Teller hielt, aber Carrolls Teller bekam einen Sprung. Der Amerikaner merkte, wie frustriert Carroll über sein Versagen war und ging. Der Ire rannte ihm nach. Es kam zum Kampf, und Carroll rammte seinem Konkurrenten eine Scherbe in den Rücken. Der Sterbende schleppte sich noch bis zur U-Bahn-Station Baker Street, wo er zusammenbrach.
Mit „Ein Wispern unter Baker Street“ setzt Ben Aaronovitch (* 1964) seine mit „Die Flüsse von London“ und „Schwarzer Mond über Soho“ begonnene Romanreihe über den Londoner Constable und Zauberlehrling Peter Grant fort. Einiges aus den beiden vorangegangenen Romanen setzt er in „Ein Wispern unter Baker Street“ voraus, ohne es für Neueinsteiger zu wiederholen. So erfährt man beispielsweise nicht, was mit Lesley Mays Gesicht passiert ist.
„Ein Wispern unter Baker Street“ ist eine Mischung aus Urban Fantasy und Kriminalroman. Wer vor allem an einem spannenden Thriller interessiert ist, könnte enttäuscht sein, denn die unkomplizierte Whodunit-Geschichte zieht sich, und wenn es überraschende Wendungen gibt, dann aus dem Fantasy-Teil. Den verknüpft Ben Aaronovitch geschickt mit dem realen London. Wer sich in der britischen Metropole auskennt oder eine Straßenkarte zur Hand nimmt, kann die Handlung örtlich nachvollziehen. Und wir erfahren auch einiges vom Bau der Tube (S. 242f). Aber die ausführlichen Beschreibungen retardieren und steigern nicht gerade die Spannung. Lesenswert ist „Ein Wispern unter Baker Street“ wegen flapsiger Statements des Ich-Erzählers Peter Grant, der beispielsweise das Blaulicht als „Außenwerbung“ der Polizei bezeichnet oder sarkastisch über den Kapitalismus schreibt:
[…] ohne Zweifel war das verflixte Ding [eine unterirdische Raffinerie] mit genau jenem legendären Sinn für Sicherheit und Wohlbefinden der Arbeiter gebaut worden, dessentwegen es ein solcher Spaß gewesen war, in den Fabriken des viktorianischen Zeitalters zu arbeiten.
Da schleicht sich dann aber auch mal ein Grammatikfehler ein:
So viel Zuwendung bekommt kein Selbstmörder und auch nicht die fünf bis zehn Leute, die es jährlich fertigbringen, sich aus Versehen von einer U-Bahn überfahren zu lassen.
Fazit: „Ein Wispern unter Baker Street“ ist zwar keine wirklich spannende, aber einigermaßen amüsante Lektüre aus dem Fantasy-Genre. Das gefällt offenbar vielen Leserinnen und Lesern, denn Ben Aaronovitch hat bereits eine große Fangemeinde.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Deutscher Taschenbuch Verlag