Es ist nicht vorbei

Es ist nicht vorbei

Es ist nicht vorbei

Originaltitel: Es ist nicht vorbei – Regie: Franziska Meletzky – Drehbuch: Kristin Derfler, Clemens Murath – Kamera: Eva Fleig – Schnitt: Jürgen Winkelblech – Musik: Johannes Kobilke – Darsteller: Anja Kling, Ulrich Noethen, Tobias Oertel, Melika Foroutan, Kirsten Block, Catherine Bode, Rosa Enskat, Peter Fieseler, Sinha Gierke, Marie Gruber, Tim Kauermann, Ernst-Georg Schwill u.a. – 2011; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Wegen versuchter Republikflucht saß Carola Ende der 80er-Jahre im Frauengefängnis Hoheneck. Dort wurde sie von einem Arzt mit Psychopharmaka traktiert. Als sie im benebelten Zustand an einer Maschine arbeiten musste, verlor sie zwei Finger. Ihr Ziel, eine Karriere als Pianistin, musste sie aufgeben. Jetzt, 20 Jahre später, lebt sie als Musiklehrerin mit ihrem Ehemann in Koblenz. In einem aus Chemnitz stammenden Neurologen glaubt sie den Arzt aus Hoheneck wiederzuerkennen ...
mehr erfahren

Kritik

Franziska Meletzky erzählt die leidvolle Geschichte aus der Perspektive der Protagonistin. "Es ist nicht vorbei" erinnert an Opfer des DDR-Regimes, die heute noch traumatisiert sind, während Täter unerkannt in verantwortungsvollen Positionen arbeiten.
mehr erfahren

Jochen Weber (Tobias Oertel), der Personalreferent des Karden-Klinikums in Koblenz, gewinnt Professor Wolfgang Limberg (Ulrich Noethen) aus Chemnitz als neuen Chefarzt für die neurologische Abteilung. Seine aus Leipzig stammende Ehefrau Carola (Anja Kling), mit der er seit zehn Jahren verheiratet ist, unterrichtet als Musiklehrerin an einer Schule. Die angestrebte Karriere als Pianistin musste sie nach einem Unfall vor zwanzig Jahren aufgeben, denn ihr fehlen seither zwei Finger der rechten Hand. Es habe sich um einen Ernteunfall gehandelt, erzählte sie Jochen. Weil Carola unfruchtbar ist, wollen sie ein Kind adoptieren, das in neun Wochen geboren wird.

Nachdem sich Limberg und seine Ehefrau Monika (Melika Foroutan) in Koblenz eingerichtet haben, laden sie das Ehepaar Weber und zwei weitere Gäste zum Essen ein. Carola bringt kaum einen Bissen hinunter und bittet ihren Mann nach kurzer Zeit, sie nach Hause zu bringen. Bei den Gastgebern entschuldigt sie sich mit einer plötzlichen Unpässlichkeit.

Am nächsten Tag sucht sie Limberg in der Klinik auf und beschuldigt ihn, der anonyme Arzt gewesen zu sein, der sie während ihrer Haftzeit im Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg mit verschiedenen Psychopharmaka traktierte. Dadurch wurde sie nicht nur unfruchtbar, sondern verlor auch die beiden Finger, als er sie trotz ihrer Benebelung für arbeitsfähig erklärte und sie mit der Hand in eine Maschine geriet.

Limberg leugnet, jemals in Hoheneck gewesen zu sein. In der Mittagspause setzt er sich zu Jochen Weber und berichtet ihm von Carolas Verdacht. Er mache sich Sorgen, sagt er, weil sie die traumatischen Erlebnisse in Hoheneck nicht verarbeitet habe und dadurch psychisch gestört sei.

Jochen, der nicht wusste, dass Carola Ende der Achtzigerjahre drei Jahre und zwei Monate wegen versuchter Republikflucht im Gefängnis gewesen war, stellt sie am Abend aufgebracht zur Rede. Sie habe versucht, dieses Kapitel aus der Vergangenheit zu verdrängen, erklärt Carola, aber das versteht Jochen nicht. Und weil er sich nicht vorstellen kann, dass der Professor, den er selbst an die Klinik holte, politische Häftlinge in der DDR misshandelte, nimmt er an, dass Carola sich etwas einbildet. Meinte nicht auch Limberg als Experte, dass Carola psychisch krank sei? Sie habe ihn an der Stimme wiedererkannt, behauptet die Musikerin, ohne ihren Mann überzeugen zu können.

Carola fährt nach Chemnitz und sucht Helga Gramski (Kirsten Block) in der Dienststelle des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) auf. Der externe Arzt, der im Frauengefängnis Hoheneck die Psychopharmaka verabreichte, heißt in den Stasi-Unterlagen „IM Tim“. Seinen Klarnamen kennt man nicht, aber der seines Führungsoffiziers ist bekannt: Horst Weihe (Ernst-Georg Schwill).

Er kenne weder einen IM Tim noch einen Professor Limberg, behauptet Weihe, als Carola ihn aufsucht. Dennoch lässt sie ihm einen Zettel da. Unter der angegebenen Telefonnummer könne er ihn erreichen, sagt sie. Tatsächlich schrieb sie ihm ihre eigene Nummer auf. Als sie zum Auto zurückgeht, klingelt ihr Handy: Weihe hat offenbar sofort versucht, seinen früheren IM anzurufen.

Von Helga Gramski hat Carola auch noch den Namen einer Frau, die ebenfalls in Hoheneck eingesperrt war und inzwischen Führungen im ehemaligen Gefängnis durchführt. Renate Förster (Marie Gruber) zeigt ihrer Besucherin eine Reihe von Fotos. Auf einem davon erkennt Carola Wolfgang Limberg. Die Aufnahme sei 1988 in Hoheneck gemacht worden, erklärt Renate Förster.

Zurück in Koblenz, konfrontiert Carola den Chefarzt mit dem Bild. Er habe von Oktober 1987 bis Februar 1989 in Kuba praktiziert, behauptet Limberg, und die Aufnahme sei während eines Heimaturlaubs in Leipzig entstanden.

In der Schule bereitet Carola die Klasse auf eine Musikveranstaltung vor. Limbergs Tochter Friederike spielt am Flügel. Ihr Vater habe ihr von seiner Kuba-Reise erzählt, sagt sie. Wegen einer Hepatitis-Erkrankung sei er jedoch nur kurz dort gewesen.

Frau Rohde (Rosa Enskat) von der Adoptionsvermittlung meldet sich bei Carola. Weil im Adoptionsantrag sowohl Carolas Haft in Hoheneck als auch ihre stationäre psychiatrische Behandlung im Jahr 1991 verschwiegen wurden, kann die Adoption nicht wie vorgesehen durchgeführt werden.

Woher weiß die Adoptionsvermittlung von ihrem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik? Carola vermutet, dass Limberg das durch seine Kontakte herausfand und sie denunzierte.

Sie zeigt ihn bei der Ärztekammer an. Bei der Befragung in der Klinik gibt Limberg an, er habe inzwischen wegen der haltlosen Anschuldigungen eine Selbstauskunft bei der Birthler-Behörde beantragt. Das überzeugt die Herren von seiner Unschuld. Außerdem legt Limberg ein angeblich in seiner Dissertation verwendetes Gutachten des Doktorvaters über Carola aus dem Jahr 1991 vor, in der ihr eine Psychose attestiert wurde.

Jochen, der bei der Befragung anwesend war, kommt wutschnaubend nach Hause. Limberg habe nicht nur seine Unschuld bewiesen, sondern auch noch von einem stationären Aufenthalt Carolas in der Psychiatrie geredet, von dem Jochen nichts wusste. Überzeugt davon, dass seine Frau Wahnvorstellungen nachjagt, zieht er zu seiner Schwester (Catherine Bode).


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


In einer der folgenden Nächte hat Carola einen Albtraum. Als sie benommen aufwacht, entdeckt sie einen Einstich in ihrer Armvene. Ein Fenster steht offen. Ein Teil der Unterlagen, die sie von Helga Gramski bekam, fehlt. Carola zeigt den Einbruch bei der Polizei an.

Sie fährt nochmals nach Chemnitz. Anhand der Originalakte prüft Helga Gramski, was in den gestohlenen Unterlagen steht und stößt dabei auf einen Hinweis, demzufolge ein Gespräch des IM Tim mit seinem Führungsoffizier am 15. März 1988 mitgeschnitten wurde. Sie lässt die Aufnahme auf eine CD kopieren, um sie Carola mitgeben zu können.

Limberg, der ihr folgte, wartet vor dem Gebäude im Auto. Weihe setzt sich zu ihm. Er besorgte ihm das psychiatrische Gutachten aus dem Jahr 1991. Der Arzt erwartet von ihm, dass er den Mitschnitt des Gesprächs verschwinden lässt. Aber dafür ist es zu spät.

Bei der Heimfahrt im Dunkeln bedrängt Limberg Carola kurz vor Koblenz mit aufgeblendetem Fernlicht. Sie verliert die Kontrolle über ihren Wagen und kracht gegen einen Baum.

Limberg rennt hin und sucht nach der CD, wird dabei aber von einem Autofahrer (Tim Kauermann) gestört, der anhält und fragt, wie er helfen könne.

Carola wird ins Karden-Klinikum gebracht.

Limberg kommt zu ihr ins Einzelzimmer und gibt zu, sie sofort erkannt zu haben, als sie mit ihrem Mann zum Essen kam. Er hat eine Spritze dabei, aber bevor er sie setzen kann, reißt Jochen die Türe auf. Limberg wird verhaftet.

Die Spritze enthält Kaliumchlorid. Die Injektion wäre tödlich gewesen.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Hat Carola Weber den Arzt wiedererkannt, der sie vor zwanzig Jahren in der DDR mit Psychopharmaka traktierte, während sie eine Haftstrafe wegen Republikflucht verbüßte, oder leidet sie seit der Traumatisierung von damals an einer Psychose und jagt einer Einbildung nach? Davon handelt der Fernsehfilm „Es ist nicht vorbei“.

Franziska Meletzky (Regie), Kristin Derfler und Clemens Murath (Drehbuch) erzählen die leidvolle Geschichte aus der Perspektive der Protagonistin. „Es ist nicht vorbei“ veranschaulicht, dass auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung Opfer des DDR-Regimes traumatisiert sind und Täter unerkannt in verantwortungsvollen Positionen arbeiten. Allerdings ziehen einige Wendungen den Film unnötig in die Länge, zumal vor allem im letzten Drittel nicht alle Szenen und Zusammenhänge glaubwürdig sind.

Das Frauengefängnis Hoheneck befand sich in Stollberg im Erzgebirge. 1950 wurden in das für sechshundert Häftlinge ausgelegte Zuchthaus 1119 Frauen aus Bautzen und Sachsenhausen gebracht. Die Zahl der inhaftierten Frauen erhöhte sich in den Siebzigerjahren bis auf 1600. Hoheneck wurde zum Synonym für DDR-Bürgerinnen, die aus politischen Gründen eine Haftstrafe verbüßten. Aber auch Schwerverbrecherinnen saßen dort bis 1989 ein. Im April 2001 wurde die auch nach der Wende weitergeführte Haftanstalt geschlossen.

Eine der Frauen, die in Hoheneck eingesperrt waren, heißt Tatjana Sterneberg (* 1952). Man hatte sie am 7. November 1973 festgenommen und am 13. Mai 1974 wegen „staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme und Vorbereitung zum ungesetzlichen Grenzübertritt“ zu drei Jahren und acht Monaten Haft mit Zwangsarbeit verurteilt. Gegen ihren Willen musste sie Psychopharmaka einnehmen. Im Oktober 1976 kaufte die Bundesrepublik Tatjana Sterneberg frei und nahm sie auf. An ihrer Leidensgeschichte orientierten sich Franziska Meletzky, Kristin Derfler und Clemens Murath in dem Film „Es ist nicht vorbei“. Tatjana Sterneberg engagiert sich dafür, dass das Unrecht und die Misshandlungen, die Frauen in Hoheneck erdulden mussten, in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen und nicht vergessen werden.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011 / 2015

Franziska Meletzky: Nachbarinnen

Kristín Steinsdóttir - Eigene Wege
Kristín Steinsdóttir erzählt Siegtruds Geschichte nicht chronologisch, sondern in einem Kaleidoskop bruchstückartiger Erinnerungen. Dem Charakter der Hauptfigur entsprechend, ist die Sprache unspektakulär und schnörkellos, ruhig, herb und unsentimental.
Eigene Wege