Sonny Boy

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Sonny Boy. Eine Liebe in dunkler Zeit – Originaltitel: Sonny Boy – Regie: Maria Peters – Drehbuch: Pieter van de Waterbeemd und Maria Peters, nach dem Buch "Sonny Boy. Eine Liebe im holländischen Widerstand" von Annejet van der Zijl – Kamera: Walther van den Ende – Schnitt: Ot Louw – Musik: Henny Vrienten – Darsteller: Ricky Koole, Sergio Hasselbaink u.a. – 2011; 135 Minuten

Inhaltsangabe

1928 reist der 20-jährige Afroamerikaner Waldemar Nods, der Enkel eines Sklaven, von Surinam nach Holland, um dort zu studieren. Rika Hoogwater, die ihn als Untermieter aufnimmt, hat sich gerade mit den vier Kindern von ihrem untreuen Ehemann getrennt. Ein Schwarzer im Haus missfällt den Nachbarn, aber Rika kümmert sich nicht um das Getuschel, und als sie von dem 17 Jahre jüngeren Mann geschwängert wird, entscheidet sie sich gegen eine Abtreibung ...
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Kritik

Maria Peters verzichtet in "Sonny Boy" auf stilistische Ambitionen und verlässt sich ganz auf die Dramatik und Emotionalität der berührenden Geschichte, die von Annejet van der Zijl aus Dokumenten und Zeugen­aus­sagen rekonstruiert wurde.
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Surinam 1921

Der 13-jährige Afroamerikaner Waldemar Nods (Angelo Arnhem), der gern im Fluss schwimmt, beobachtet, wie sein Vater Koos (Dennis Rudge) mit einer fremden Frau an Bord eines Dampfers nach Brasilien geht. Als der Junge nach Hause kommt, steht seine Mutter Eugenie (Manoushka Zeegelaar-Breeveld) am Fenster und weint.

Sommer 1928

Waldemar Nods (ab jetzt: Sergio Hasselbaink) schifft sich von Surinam nach Holland ein, um Betriebswirtschaft zu studieren. David Millar (Rogier Komproe) holt ihn im Hafen ab. In Surinam hieß es, David sei sein Cousin; tatsächlich sind die beiden jedoch Halbbrüder. David Millar, der als Finanzdirektor bei der KLM beschäftigt ist, nimmt Waldemar mit nach Hause, aber seine weiße Ehefrau Christien (Liesbeth Groenwold) besteht darauf, dass der Gast nicht länger bleiben kann.

Außerdem erfährt Waldemar zu seiner Enttäuschung, dass er nicht sofort mit einem Studium beginnen kann, sondern erst noch eine Zulassungsprüfung absolvieren muss, an der 80 Prozent der Bewerber scheitern.

’s-Gravenhage (Den Haag)

Bei der Suche nach einem Zimmer trifft er im Oktober 1928 auf Rika Hoogwater (Ricky Koole), die gerade selbst mit ihren vier Kindern Berta, Jan, Wim und Henkie in eine neue Mietwohnung einzieht und Waldemar Nods als Untermieter aufnimmt. Die 37-Jährige hat sich soeben nach 15 Jahren Ehe von ihrem Mann Willem Hoogwater (Marcel Hensema) getrennt, weil dieser sie mit dem Dienstmädchen Jans (Roosmarijn Luyten Ebbinge) betrog und ihre katholischen Eltern (Leny Breederveld, Bert Geurkink) sie nicht aufnehmen wollten, weil sie ihr die Hochzeit mit einem Protestanten nicht verziehen haben.

Es dauert nicht lang, bis der Vermieter (Raymond Thiry) Rika Hoogwater wegen des schwarzen Untermieters zur Rede stellt. Aber sie hat noch nie auf das Getuschel der Leute gehört und weigert sich auch jetzt, es zu tun. Im Gegenteil: Sie lässt sich auf eine Liebesbeziehung mit dem 17 Jahre jüngeren Afroamerikaner ein.

Mai 1929

Als sie merkt, dass sie schwanger ist, sucht sie eine Engelmacherin (Marie Louise Stheins) auf, aber im letzten Augenblick beschließt sie, das von Waldemar gezeugte Kind auszutragen.

Erst als sie bereits im vierten Monat ist, sagt sie es ihm. Er freut sich, aber als er hört, dass sie das Kind zunächst abtreiben wollte, schließt er daraus, dass sie sich wegen seiner Hautfarbe und der des werdenden Kindes schämt. Verärgert sucht er Zuflucht bei David Millar.

September 1929

Der 13-jährige Willem („Wim“) und sein sieben Jahre alter Bruder Jan kehrten inzwischen auf eigenen Wunsch zu ihrem Vater zurück, der die von seiner Frau gewünschte Scheidung verweigert.

Willem Hoogwater überrascht Rika mit einem Besuch. Entsetzt starrt er ihren Bauch an. Aber er reißt sich zusammen, berichtet ihr, dass er eine Versetzung angeboten bekam und schlägt ihr vor, mit ihm und den Kindern gemeinsam umzuziehen. Ihr fünftes Kind werde er als eigenes anerkennen, verspricht er. Aber als Waldemar auftaucht, der gerade von der Zulassungsprüfung kommt, begreift Willem, dass Rika einen farbigen Geliebten hat. Mit der Drohung, er werde Rika vernichten, verlässt er die Wohnung.

Trotz der erfolgreich bestandenen Zulassungsprüfung kann Waldemar noch immer nicht studieren, denn wie soll er die Studiengebühr aufbringen?

Das Kind wird am 17. November 1929 geboren. Rika und Waldemar nennen es Waldy und geben ihm den Kosenamen Sonny Boy nach einem Song von Al Jolson.

Weil Rika mit der Miete in Rückstand geraten ist, kündigt ihr der Hausherr, und nachdem sie Willem auch Berta und Henkie überlassen hat, zieht sie mit Waldemar und Sonny Boy aus. Wo immer sie nach einem Quartier fragen, werden sie abgewiesen, aber der jüdische Barbesitzer Sam (Frits Lambrechts) entdeckt die Obdachlosen auf der Straße und stellt ihnen ein Zimmer zur Verfügung.

Als Gegenleistung putzt Rika im Lokal. Waldemar sucht vergeblich nach einer Anstellung.

Überraschend taucht Waldemars ältere Schwester Hilda (Joy Wielkens) auf, die mit ihrem Mann auf dem Weg nach Batavia ist. Sie stellt ihren Bruder zur Rede, weil er mit einer deutlich älteren weißen Frau zusammenlebt und ein Kind gezeugt hat, statt zu studieren. Waldemar ist jedoch nicht bereit, Rika und Sonny Boy aufzugeben.

David Millar verschafft ihm einen Bürojob bei KLM, obwohl die Belegschaft gerade erst abgebaut werden musste. Die Kollegen verbergen denn auch nicht, was sie von dem Protegé des Finanzdirektors aus dem „Affenland“ halten. Aber Waldemar ignoriert die bösen Bemerkungen und macht seine Arbeit gut.

Scheveningen 1935

Obwohl Sam dafür einen Kredit aufnehmen muss, kauft er für Rika und Waldemar eine Pension in Scheveningen mit 13 Zimmern, damit sie sich eine eigene Existenz aufbauen können.

Und als Willem Hoogwater endlich in die Scheidung einwilligt, heiraten Rika und Waldemar Nods am 17. Mai 1937.

Sommer 1940

Nach der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen quartieren sich Soldaten der Wehrmacht in der Pension „Walda“ ein.

Berta, Jan und Henkie kommen zu Besuch. Wim, der Hausarzt in Friesland geworden ist, verweigert jedoch nach wie vor jeden Kontakt mit seiner Mutter.

Mai 1942

Die Deutschen requirieren die Pension. Weil Rika allerdings geltend machen kann, dass sie Mutter von fünf Kindern ist, wird ihr ein anderes Haus zugewiesen.

In einer Kirche wird Rika Nods von einem 24-jährigen Mann kontaktiert, der sich Paul Vermeer nennt, aber in Wirklichkeit Kees Chardon (Thomas Cammaert) heißt und zum Widerstand gehört. Sie lässt sich von ihm überreden, auf dem Dachboden Juden zu verstecken.

Oktober 1943

Kees Chardon alias Paul Vermeer bringt den desertierten SS-Angehörigen Gerard van Haringen (Wouter Zweers) in das Versteck.

Im Büro belauscht Waldemar zufällig ein Gespräch, dem er entnimmt, dass die deportierten Juden und deren Helfer nicht zur Zwangsarbeit nach Deutschland, sondern in Vernichtungslager gebracht werden.

18. Januar 1944

Im Morgengrauen stürmt ein SS-Kommando das Haus. Sie führen die Untergetauchten ebenso ab wie Rika, Waldemar und Sonny Boy. Im „Orange Hotel“ in Scheveningen wird der Junge von seinen Eltern getrennt und vor die Tür gesetzt.

Kees Kaptein (Ruben Brinkman), ein Angehöriger der SS und der politischen Polizei in Den Haag, der sich brüstet, der größte Judenhasser in den Niederlanden zu sein, foltert sowohl Rika als auch Waldemar, aber sie verraten nichts. Um Rikas Widerstand zu brechen, droht Kees Kaptein, ihren Sohn vor ihren Augen zu foltern. Aber die Männer, die bei Rikas Bruder Marcel (Micha Hulshof) nach dem Jungen suchen, finden ihn nicht, denn er kann sich rechtzeitig im Keller verstecken. Danach bringt Marcel ihn bei verwandten Bauern auf dem Land unter.

Lager Vught (Konzentrationslager Herzogenbusch), 10. Mai 1944

Als Rika, die zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist, im Lager Herzogenbusch ankommt, entdeckt sie Waldemar in einer Kolonne von arbeitenden Häftlingen.

KZ Neuengamme, 24. Mai 1944

Im KZ Hamburg-Neuengamme, wo Waldemar Nods seit 23. Februar 1944 eingesperrt ist, findet ein Offizier heraus, dass der Schwarze nicht nur schreiben und lesen kann, sondern sogar vier Sprachen beherrscht. Daraufhin weist er ihm Arbeiten im Postamt des Konzentrationslagers zu. Waldemar kann deshalb auch Briefe an Sonny Boy in den Postsack schmuggeln.

Bei einer Weihnachtsfeier entdeckt er Kees Chardon unter den Mitgefangenen. Der kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Er stirbt am 16. April 1945 in Neuengamme.

Ravensbrück

Rika trifft am 9. September 1944 im Konzentrationslager Ravensbrück ein.

Marcel erfährt einige Monate später aus einem Brief einer Gefangenen, dass seine Schwester Rika im März 1945 im KZ Ravensbrück an Ruhr starb.

Cap Arcona, Lübecker Bucht, 3. Mai 1945

Nach der Evakuierung des KZ Neuengamme am 29. April 1945 werden 4500 Gefangene auf ein Schiff gebracht, das die Nationalsozialisten auf hoher See mit den Häftlingen versenken wollen. Aber bevor es dazu kommt, entdecken Flugzeuge der Royal Air Force die SS Cap Arcona. Die Piloten halten das Schiff für einen Truppentransporter und beschießen es, bis es sinkt. Waldemar Nods springt rechtzeitig über Bord und schwimmt an Land. Er ist zunächst einer von 350 Überlebenden. Aber am Strand erschießen ihn zwei Kinder in SS-Uniformen (Niels van den Berg, Noah Helssloot).

Aus dem Nachspann erfahren wir, dass Cornelis Johannes („Kees“) Kaptein am 21. Juli 1949 als Kriegsverbrecher hingerichtet wurde.

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Der von Maria Peters inszenierte Film „Sonny Boy. Eine Liebe in dunkler Zeit“ basiert auf dem 2004 veröffentlichten Buch „Sonny Boy. Eine Liebe im holländischen Widerstand“ von Annajetske („Annejet“) van der Zijl (* 1962). Die niederländische Historikerin und Schriftstellerin Annejet van der Zijl rekonstruierte die Lebensgeschichte von Rika und Waldemar Nods anhand von Dokumenten und Zeugenaussagen.

Waldemar Nods wurde am 1. September 1908 in Paramaribo, der Hauptstadt von Surinam, als Enkel eines Sklaven geboren. Hendrika („Rika“) Nods wurde am 29. September 1891 in Den Haag als Tochter des Kartoffelhändlers Johannes van der Lans (1870 – 1947) und seiner Frau Lambertina Maria Schraven (1873 – 1965) geboren. Am 2. Mai 1913 heiratete sie Willem André Daniel Hoogwater (1888 – 1975).

Annejet van der Zijl und Maria Peters zeigen uns in „Sonny Boy“ vor allem eine unkonventionelle Frau, die einen Protestanten heiratet, obwohl sie deshalb von ihren katholischen Eltern verstoßen wird. Als dieser sie betrügt, verlässt sie ihn mit den vier Kindern. Ohne sich um das Gerede der Nachbarn zu kümmern, nimmt die Nieder­länderin einen Afroamerikaner als Untermieter auf, und als sie von dem 17 Jahre jüngeren Mann geschwängert wird, entscheidet sie sich gegen eine Abtreibung. Während sie für ihr Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung kämpft, hilft sie auch anderen Menschen: Juden, die sich vor den deutschen Besatzern verstecken müssen, um nicht in ein Vernichtungslager deportiert zu werden [Holocaust].

Maria Peters entwickelt die Handlung chronologisch und konventionell. Sie verzichtet in „Sonny Boy. Eine Liebe in dunkler Zeit“ auf stilistische Ambitionen und verlässt sich ganz auf die Dramatik und Emotionalität der berührenden Geschichte.

„Sonny Boy. Eine Liebe in dunkler Zeit“ konkurrierte 2012 als niederländischer Beitrag um einen „Auslands-Oscar“, aber die Trophäe wurde am Ende dem iranischen Film „Nader und Simin“ von Asghar Farhadi zugesprochen.

Rikas Kinder und ihre Darsteller in den verschiedenen Lebensabschnitten: Bertha (Claire Veldkamp, Gaite Jansen), Wim (Gijs Blom, Ko Zandvliet), Jan (Tommy Van Leuken, Charlie Leuken, Martijn Lakemeier), Henkie (Ole Kroes, Mees Wielinga, Sido Vrieswijk). Waldy („Sonny Boy“) wird von Eliyha Altena und Daniel van Wijk dargestellt.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016

Jan Costin Wagner - Sonnenspiegelung
In den bildstarken Erzählungen baut Jan Costin Wagner durch dunkle An­deutungen eine dichte, beklem­men­de Atmosphäre auf. Dabei erkennen wir die Zusammen­hänge erst nach und nach oder durch eine über­raschende Schlusswendung.
Sonnenspiegelung

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.