Petra Kelly


19. Februar 1924: Siegfried Lehmann wird geboren.

11. Dezember 1929: Marianne Birle wird in Nürnberg geboren.

Mai 1947: Siegfried Lehmann und Marianne Birle heiraten. Die siebzehnjährige Braut ist schwanger.

29. November 1947: Petra wird in Günzburg an der Donau geboren.

Anfang der 50er Jahre: Siegfried Lehmann verlässt die Familie.

Frühjahr 1953: Petra wird in Günzburg eingeschult.

1953: Marianne Lehmann, die seit der Trennung von ihrem Mann mit ihrer Tochter bei ihrer Mutter Kunigunde Birle in Günzburg wohnt, findet eine Stelle als Verkäuferin in einem Geschäft für US-Militärs in Leipheim.

Die verwitwete Großmutter (* 1. Oktober 1905), eine gelernte OP-Schwester, wird zur wichtigsten Bezugsperson für Petra.

Kunigunde hatte am 6. Oktober 1927 den vier Jahre älteren Prokuristen Franz Birle geheiratet. Am 28. Juli 1932 ließen sie sich scheiden, heirateten jedoch am 24. Oktober 1935 erneut. 1943 zogen sie von Nürnberg nach Günzburg um. Dort besaßen sie ein Haus. Franz Birle fiel am 31. März 1945.

1954: Die Ehe wird geschieden.

1957 bis 1959: Petra besucht das Mädchengymnasium der Englischen Fräulein (kein Pensionat).

Durch Schläge auf die Hand gewöhnt man ihr ab, mit der linken Hand zu schreiben.

Ende 1957: Marianne Lehmann lernt Captain John Edward Kelly (* 23. Oktober 1924) kennen, einen Amerikaner irischer Abstammung.

März 1958: Nachdem Petra seit Mitte der 50er Jahre unter Nierensteinen litt, wird sie erstmals operiert.

23. Dezember 1958: Marianne und John Kelly heiraten. Die Braut ist erneut schwanger.

Petra nimmt den Familiennamen ihres Stiefvaters an. Adoptiert wird sie nicht.

1959: Petra wechselt vom Institut der Englischen Fräulein auf die Elementary School der US Base.

1959: John Kelly wird in Nellingen stationiert, 50 Kilometer von Günzburg entfernt.

25. Mai 1959: Grace Patricia Kelly wird geboren.

Ende 1959: John Kelly wird auf dem Militärstützpunkt Fort Benning südlich von Columbus, Georgia, stationiert und zieht mit der Familie in die USA. Kunigunde Birle bleibt in Deutschland, verkauft das Haus in Günzburg und zieht wieder nach Nürnberg in eine Wohnung. Sie unterstützt die Familie ihrer Tochter finanziell.

1960: Petra Kelly besucht die Junior High School in Columbus.

Ihr schulischen Leistungen waren gut. Sie schrieb für die Schülerzeitung. Dass Petra Kelly Cheerleaderin war, lässt sich nicht belegen.

30. August 1960: John Lee Kelly wird geboren.

Martin Luther King, gewaltfreie Aktionen und ziviler Ungehorsam wurden Leitbilder für Petra Kelly. Entgegen anderslautender Berichte knüpfte sie keine Kontakte zur Bürgerrechtsbewegung.

September 1962: Petra Kelly wechselt zur Baker High School.

Oktober 1963: John Kelly wird nach Korea abkommandiert.

1964: John Kelly kehrt in die USA zurück und zieht mit seiner Familie nach Hampton, Virginia, wo er nun stationiert ist.

Juni 1966: Petra Kelly schließt die Hampton High School ab. Sie gehörte zu den besten 5 Prozent des Jahrgangs. Bei der Abschlussfeier hält sie eine Rede „Zur Verteidigung meiner Generation“, überfordert damit jedoch die Zuhörer.

Herbst 1966: Petra Kelly beginnt an der zur American University in Washington, D. C., gehörenden School of International Service zu studieren.

Herbst 1966: Kurze Zeit, nachdem Petra zu studieren begann, wird bei Grace ein Sarkom diagnostiziert. Es folgen Operationen und Bestrahlungen. Grace erblindet auf einem Auge.

6. Dezember 1966: Im Rahmen eines Foreign Student Day wird Petra Kelly beim Händedruck mit Robert Kennedy fotografiert.

1967: Das FBI legt eine Akte über Petra Kelly an.

Juni 1967: John Kelly lässt sich nach Deutschland versetzen und zieht mit Marianne und den beiden jüngeren Kindern zunächst nach Würzburg, dann nach Mannheim. Grace wird zunächst im US-Militärkrankenhaus in Würzburg, dann in der Czernyklinik des Universitätsklinikums der Stadt Heidelberg behandelt.

Sommer 1967: Nierenoperation im Militärkrankenhaus Walter Reed in Washington.

November 1967: Um Weihnachten mit der Familie in Deutschland verbringen zu können, schreibt Petra Kelly einen Brief an Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und bittet um finanzielle Unterstützung für die Reisekosten. (Am Ende bezahlt der Deutsche Caritasverband in Freiburg das Flugticket.)

1967: Petra Kelly wird an der Hochschule zur „outstanding woman of the year“ gewählt.

16. Februar 1968: Bei einer Fernsehdebatte an der American University trifft Petra Kelly auf Hubert Humphrey.

19. Juni 1968: Petra Kelly nimmt mit Grace und den übrigen Familienmitgliedern an einer Generalaudienz bei Papst Paul VI. in Rom teil.

21. August 1968: Petra Kelly ist Augenzeugin, als die Truppen des Warschauer Paktes den „Prager Frühling“ beenden.

Sie gehört nicht zu den Achtundsechzigern.

1969: Als die US-Armee John Kelly in den Vietnam-Krieg schicken will, erreicht Petra durch eine Eingabe beim Pentagon, dass er zurückgestellt wird, um bei seiner todkranken Tochter bleiben zu können.

Winter 1969/70: Die Regierungskoalition aus SPD und FDP erklärt die Umweltpolitik zum eigenständigen Politikfeld und zum Bestandteil sozialliberaler Reformpolitik.

17. Februar 1970: Grace P. Kelly stirbt im Alter von zehn Jahren an Krebs.

Sie beginnt, sich mit der Wirkung von Strahlen zu beschäftigen, die zur Energieerzeugung, in der Medizin oder militärisch genutzt werden.

18. Februar 1970: Petra Kelly fliegt zur Familie nach Deutschland.

1970: Petra Kelly gehört einer ganzen Reihe von Studentenorganisationen an.

Herbst 1970: Während die Familie wieder in die USA zieht, beginnt Petra Kelly nach Abschluss ihres Bachelor-Studiums ein Master-Studium am Europa-Institut der Universität Amsterdam.

12. Februar 1971: Petra Kelly schreibt William C. Solomon, sie habe sich erstmals verliebt. Der Geliebte war wohl ein Lehrer am Europa-Institut, einige Jahre älter, verheiratet und Vater.

13. Mai 1971: Petra Kelly schließt ihr Master-Studium ab.

Sie wird Forschungsassistentin am Europa-Institut, beantragt Forschungsstipendien und bewirbt sich um ein Praktikum bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

28. Juni 1971: Sie erhält eine Zusage für das Praktikum, das am 1. Oktober beginnen soll.

Dezember 1971: Petra Kelly übernimmt die Patenschaft für das zehnjährige tibetische Waisenmädchen Nima Chonzom, die über die Organisation SOS Kindedorf International vermittelt wurde.

1972: Der Club of Rome verkündet die „Grenzen des Wachstums“.

Sommer 1972: Petra Kelly lernt Sicco L. Mansholt (1908 ? 1995) kennen, den neununddreißig Jahre älteren Präsidenten der Europäischen Kommission.

Obwohl er schon sechzehn Jahre länger verheiratet ist, als Petra Kelly überhaupt lebt, lässt er sich auf eine Liebesaffäre mit ihr ein.

November 1972: Petra Kelly wird Verwaltungsreferendarin im Sekretariat des Wirtschafts- und Sozialausschusses der EG.

März 1973: Petra Kelly nimmt an der Europe-America Conference in Amsterdam teil.

1973: Die Grace P. Kelly Vereinigung zur Unterstützung der Krebsforschung für Kinder e. V. wird gegründet.

1973: Petra Kelly wird Mitglied des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), der die ökologische Bewegung als Friedensbewegung versteht und fördert.

1. August 1973: Petra Kelly wird Mitglied der SPD.

1. Oktober 1973: Petra Kelly wird Verwaltungsrätin in der Direktion A, Sekretariat der Fachgruppe für Sozialfragen beim Wirtschafts- und Sozialausschuss der EG. Sie beschäftigt sich mit Fragen zum Arbeitnehmerschutz, zu Gleichbehandlung und Entgeltgleichheit, mit der Situation von Behinderten und der Ausbildung von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund, mit der Situation von Frauen, mit Neuregelungen des Ehe- und Familienrechts, Mutterschutzgesetzen und der Berufstätigkeit von Müttern.

1974: Aber nach der ersten Begeisterung merkt Sicco Mansholt, dass seine Geliebte nicht nur egomanisch ist, sondern in ihm eine Art Hausmann sieht, der ihr lästige Alltagsarbeiten wie Kochen und Einkaufen abnehmen soll. Deshalb kehrt er reumütig zu seiner Ehefrau zurück.

1975: Petra Kelly wird Mitglied des Frauenforum e. V.

August 1975: John Carroll, der Vorsitzende der Irish Transport & General Workers‘ Union, schreibt Petra Kelly. Die beiden arbeiten zusammen und werden ein Paar. Carroll (* 8. Januar 1925) ist zweiundzwanzig Jahre älter als Petra Kelly und verheiratet.

September 1975: Petra Kelly wird von der Anti-Atomkraft-Bewegung nach Kalkar eingeladen.

Ende 1975: September 1975: Petra Kelly wird von der Anti-Atomkraft-Bewegung nach Wyhl eingeladen.

Petra Kelly verbindet die Themen Frauen und Arbeit mit der Anti-Atomkraft-Bewegung. Sie versteht sich als Feministin und Pazifistin. Sie ist den Ökofundamentalisten zuzuordnen.

Sie arbeitet 18, 20 Stunden am Tag, schläft kaum mehr als drei Stunden pro Nacht. Sie leidet unter Migräne, Depressionen, Panikattacken und Erschöpfung. Sie überfordert aber auch ihre Mitarbeiter.

Alice Schwarzer führt das darauf zurück, dass Petra Kelly alles an sich heranließ und durch die pausenlose Aktivität ihre psychischen Probleme ausblendete.

Mai 1977: In Schwarmstedt (Niedersachsen) wird die Umweltschutzpartei Niedersachsen gegründet, damit entsteht die erste landesweite grüne Liste in der Bundesrepublik.

Dezember 1977: Petra Kelly wird Mitglied im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND).

Frühjahr 1978: Petra Kelly unterstützt John Carroll bei der Organisation des ITGWU Energy Symposiums, das vom 12. bis 14. Mai in Dublin stattfinden und den Widerstand gegen den Bau von Atomkraftwerken stärken soll.

August 1978: Petra Kelly fliegt mit John Carroll nach Hiroshima.

1978: Petra Kelly lässt in der sechsten Schwangerschaftswoche eine Abtreibung durchführen, angeblich aus medizinischen Gründen.

November 1978: Petra Kelly nimmt erstmals an einer Mitgliederversammlung des BBU teil, und zwar als Vertreterin der Grace P. Kelly Kinderkrebsvereinigung.

Dezember 1978: Petra Kelly lässt sich die Mitwirkung an der Grace P. Kelly Associationund einen zweimonatigen Urlaub zur Teilnahme an der Wahl des Europäischen Parlaments genehmigen (der später um einen dritten Monat verlängert wird).

1979: Petra Kelly wird in den BBU-Bundesvorstand gewählt und ist für internationale Kontakte zuständig.

17. Februar 1979: Petra Kelly tritt aus der SPD aus.

17./18. März 1979: Fünfhundert Delegierte verschiedener alternativer Listen und Bürgerinitiativen bilden in Frankfurt/M die „Sonstige Politische Vereinigung“ (SPV) ? Die Grünen“, um zur Europawahl am 10. Juni anzutreten. Zu Sprechern der Europa-Grünen werden August Haußleiter, Herbert Gruhl und Helmut Neddermeyer gewählt. Petra Kelly wird zur Listenführerin gewählt.

Petra Kelly kandidiert mit Herbert Gruhl („Grüne Aktion Zukunft“) für die Europawahl.

20. April 1979: Petra Kelly nimmt für den Wahlkampf unbezahlten Urlaub.

21. April 1979: Nachts um 3 Uhr wendet sich Petra Kelly in Uelzen an die Polizei und das Rote Kreuz, weil sie kein Hotelzimmer mehr bekommt.

Kunigunde Birle fungiert als persönliche Mitarbeiterin ihrer Enkelin und unterstützt sie im Wahlkampf.

1979 bis 1985: Petra Kelly wird häufig zu Talkshows eingeladen. Sie ist ein Medienstar.

7. bis 10. Juni 1979: Erstmals werden die Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt. Die SPV erzielt mit 3,2 Prozent der Stimmen einen Achtungserfolg, erhält jedoch keine Mandate.

August 1979: Nach dem Wahlkampf im Rahmen der Wahl des Europäischen Parlaments kehrt Petra Kelly aus einem unbezahlten Urlaub an ihren Arbeitsplatz in Brüssel zurück.

12. Dezember 1979: Wegen der vom Warschauer Pakt stationierten SS20-Raketen beschließen die NATO-Staaten, von 1983 an nuklear nachzurüsten, amerikanische Pershing-II-Raketen in der Bundesrepublik aufzustellen und Cruise Missiles in Italien, Belgien und den Niederlanden zu stationieren. Gleichzeitig bietet man der UdSSR Verhandlungen über Rüstungsbeschränkungen an.

12./13. Januar 1980: Eine Delegiertenversammlung bzw. ein Bundeskongress der SPV in Karlsruhe beschließt, aus der „Sonstigen politischen Vereinigung“ eine „richtige“ Partei zu machen.

22./23. März 1980: Programmparteitag der SPV in Saarbrücken

Petra Kelly wird in den Vorstand der Partei „Die Grünen“ gewählt. Der Vorstand löste das Sprecherteam der Europa-Grünen ab.

Frühjahr 1980: Petra Kelly sucht vergeblich nach beruflichen Alternativen im Friedens-, Gesundheits- und Sozialbereich.

21./22. Juni 1980: Wahlparteitag der SPV in Dortmund

Petra Kellys Wohnsitz in Brüssel bedeutet hohe Reise- und Telefonkosten. Für Termine während der Woche muss sie Urlaub nehmen. Ein Auto fährt sie aus ökologischen Gründen nicht. Sie arbeitet 8 bis 10 Stunden im Büro, danach 6 bis 7 Stunden für ihr politisches Engagement.

1. August bis 3. Oktober 1980: Petra Kelly hat Sonderurlaub für den Wahlkampf im Rahmen der Bundestagswahl.

Neben den finanziellen Ressourcen aus der Europawahl und der programmatischen Bündelung wirkte die Fünf-Prozent-Hürde integrierend auf die grünen Initiativen und Gruppen. Die Bundestagswahl 1980 vor Augen, drängten sowohl die AUD als auch die GLU auf eine Zusammenarbeit mit den bunten und alternativen Listen. Durch die Kooperation vieler Organisationen sollte die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen werden. (189)

12. ? 14. September 1980: Petra Kelly moderiert auf dem Alternativen Produktionskongress der Grünen in Essen die Podiumsdiskussion „Umwandlung der Produktion und ihre gesellschaftliche Bedeutung“.

Mitte September 1980: Petra Kelly erleidet einen Schwächeanfall.

5. Oktober 1980: Erstmals nehmen die Grünen an einer Bundestagswahl teil. Sie erhalten 1,5 Prozent der Zweitstimmen.

Oktober 1980: Petra Kelly bricht zusammen und wird von Mitte Oktober bis Anfang November in einer Klinik in Radolfszell behandelt.

1980: Petra Kelly zieht sich aus dem BBU zurück.

1980: John Carroll wird „internationaler Sekretär“ der Grace P. Kelly Vereinigung.

1. November 1980: Bei einer Podiumsdiskussion in München lernen sich Petra Kelly und Gert Bastian (* 26. März 1923) persönlich kennen.

Gert Bastian wurde 26. März 1923 in München als Sohn des deutschstämmigen Brasilianers Alberto G. Bastian und dessen deutscher Ehefrau geboren. Am 1. August 1941 meldete sich der Hitler-Junge freiwillig zum Kriegseinsatz. Im Jahr darauf lernte er während eines Heimaturlaubs bei einer Zugfahrt von Tutzing nach München die Ungarin Charlotte („Lotte“) Baronin von Stipsicz kennen. Sie verliebten sich und heirateten am 8. März 1945 in München, als Charlotte bereits schwanger war. Nach sechs Wochen in amerikanischer Kriegsgefangenschaft kehrte Gert Bastian im Juni 1945 zu seiner Frau zurück. Er absolvierte eine Buchbinderlehre, arbeitete als Büroangestellter und wurde 1956 erneut Offizier. Wegen seiner Ablehnung des NATO-Doppelbeschlusses geriet der Generalmajor 1979 in die Kritik, und am 16. Januar 1980 bat er den Verteidigungsminister Hans Apel um seinen vorzeitigen Abschied. Ein halbes Jahr später wurde er in den Ruhestand versetzt.

Bastian überredete Petra Kelly, sich am Krefelder Appell zu beteiligen, der von der Deutschen Friedensunion (DFU) im Rahmen der Krefelder Initiative vorbereitet wird.

15./16. November 1980: Gert Bastian und Petra Kelly gehören zu den Mitgliedern eines Forums in Krefeld, das einen von Gert Bastian mitformulierten Appell veröffentlicht, den „selbstmörderischen Rüstungswettlauf“ einzustellen und den Beschluss zur Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Europa zurückzunehmen (Krefelder Appell).

1981: Petra Kelly wird Mitglied in der Gustav Heinemann-Initiative e. V. zur Ablehnung des NATO-Doppelbeschlusses.

10. Oktober 1981: Erste zentrale Demonstration gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper in Bonn.

1982: In einem Interview bezeichnet Petra Kelly John Caroll, der sich inzwischen von seiner Ehefrau trennte, als ihren Lebensgefährten. Aber zu diesem Zeitpunkt sind sie und der vierundzwanzig Jahre ältere Gert Bastian bereits ein Paar. Parallel dazu, behauptet Alice Schwarzer in ihrem Buch „Eine tödliche Liebe“, habe Petra Kelly bis zum Sommer 1983 eine Affäre mit dem drei Jahre jüngeren Grünen-Politiker Lukas Beckmann gehabt.

März bis Oktober 1982: Petra Kelly nimmt unbezahlten Urlaub für den Wahlkampf in Bayern, wo sie als Direktkandidatin in Kempten und als Spitzenkandidatin auf der schwäbischen Liste antritt. Sie bricht dreimal zusammen. Gegenüber sich selbst ist sie unökologisch und ausbeuterisch.

10. Juni 1982: Petra Kelly und Gert Bastian sprechen neben Heinrich Böll und Willy Brandt auf der Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten.

1982: Friedens-, Umwelt-, Anti-Atomkraft-, Dritte-Welt- und Frauenbewegung verknüpfen sich. (1984 trennen sie sich wieder.)

Juni 1982: In einem „Spiegel“-Interview prägt Petra Kelly den Begriff der „Antiparteien-Partei“, den sie allerdings nicht erfand.

Herbst 1982: In einem Interview mit „Emma“ erläutert Petra Kelly ihre politischen Positionen. Sie vertritt eine Politik gegen Establishments, auch in der Arbeiterbewegung.

10. Oktober 1982: Bei der Landtagswahl in Bayern scheitern die Grünen mit 4,6 Prozent an der 5-Prozent-Hürde.

11. November 1982: In der ARD wird ein von Helmuth Weiland gedrehtes Fernsehporträt von Petra Kelly ausgestrahlt.

Dezember 1982: Petra Kelly lässt sich vom Wahlkreis Nürnberg-Nord als Direkt und Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl am 6. März 1983 aufstellen.

Dezember 1982: Die Right Livelihood-Foundation zeichnet Petra Kelly in Stockholm mit dem Alternativen Nobelpreis aus.

16. Februar 1983: Petra Kelly spricht am Aschermittwoch in Vilshofen vor 10.000 Menschen.

6. März 1983: Die Grünen erhalten bei der Bundestagswahl 5,6 Prozent der Zweitstimmen. Petra Kelly wird Abgeordnete des Deutschen Bundestags.

Petra Kelly, Otto Schily und Marieluise Beck-Oberdorf werden zu Fraktionssprechern der Grünen gewählt.

10. April 1983: „Bild“ nennt Petra Kelly „Lady Di der Grünen“.

19. April 1983: Petra Kelly wird Mitglied des Auswärtigen Ausschusses.

4. Mai 1983: Petra Kelly hält ihre erste Rede im Bundestag.


Dieter Wunderlich: Verführerische Frauen. © Piper Verlag 2012

Ein litarisches Porträt von Petra Kelly finden Sie in dem Buch
„Verführerische Frauen. Elf Porträts“ von Dieter Wunderlich.
Piper Verlag, München 2012 ? Leseprobe


12. Mai 1983: Petra Kelly, Gert Bastian, Lukas Beckmann, Roland Vogt und Gabriele Potthast zeigen vor der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz Transparente u.a. mit der Aufschrift „Die Grünen ? Schwerter zu Pflugscharen“. Nach drei, vier Minuten führt die Polizei die Demonstranten ab.

Juni 1983: Petra Kelly verlässt Brüssel und mietet ein Reihenhaus im Bonner Stadtteil Tannenbusch. Gert Bastian hat zwar eine eigene Wohnung in Bonn gemietet, übernachtet jedoch während der Woche meistens bei Petra Kelly.

3. bis 12. Juli 1983: Die Grünen-Sprecher Petra Kelly, Otto Schily und Marieluise Beck-Oberdorf, dazu Manon Maren-Grisebach und Gert Bastian u.a. demonstrieren in Washington, D. C., gegen die Aufstellung amerikanischer Mittelstreckenwaffen in Europa. Unter anderem lassen sie zwanzig weiße Tauben fliegen.

10. Juli 1983: Petra Kelly tritt als erste deutsche Politikerin in der NBC-Fernsehsendung „Meet the Press“ auf.

August 1983: Die amerikanische Friedensfrauengruppe Women Strike for Peace zeichnet Petra Kelly als Frau des Jahres aus.

1983: Monika Sperr veröffentlicht die Biografie „Petra Karin Kelly ? Politikerin aus Betroffenheit“.

22. Oktober 1983: Zweite Großdemonstration gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper im Bonner Hofgarten.

31. Oktober 1983: Petra Kelly besucht als Bundestagsabgeordnete Erich Honecker und trägt dabei ein T-Shirt mit der in der DDR trotz Verbots weitverbreiteten Losung „Schwerter zu Pflugscharen“. Zur Delegation gehören außer ihr Gert Bastian, Antje Vollmer, Otto Schily, Dirk Schneider, Lukas Beckmann. Petra Kelly trifft sich auch mit Bürgerrechtlern. Überhaupt unterstützt sie die Dissidenten im Osten. Beispielsweise überreicht sie Honecker einen Brief von Bärbel Bohley und schmuggelt sie Schriften in beide Richtungen über die Grenze.

13. Februar 1984: Unter der Schlagzeile „Petra und ihr General. Liebesgeständnis im TV“ berichtet „Bild“ über das seit drei Jahren bestehende Verhältnis von Petra Kelly und Gert Bastian.

Februar 1984: Gert Bastian verlässt die Grünen.

19. Februar 1984: Petra Kelly und Gert Bastian verlassen die Krefelder Initiative, weil diese sich weigert, eine kritische Haltung gegenüber der UdSSR einzunehmen und die unabhängige Friedensbewegung in der DDR zu unterstützen.

März 1984: In einer Kolumne für die Münchner Abendzeitung thematisiert Petra Kelly die Ausbeutung der Lakota-Indianer.

Petra Kelly weist auf Menschenrechtsverletzungen im Ostblock und in China hin. Sie engagiert sich für Tibet.

Außer Trude Unruh ist Petra Kelly die einzige Grünen-Abgeordnete, die sich weigert, einen Teil ihrer Diäten an Ökofonds abzuführen.

3. April 1984: Sechs Frauen bilden eine Gruppe, der Petra Kelly nicht angehört und treten gemeinsam für die Wahl zum Fraktionsvorstand an. Petra Kelly verliert den Fraktionsvorsitz.

29. Juli 1984: Am Grenzübergang Friedrichsstraße in Berlin wird Petra Kelly die Einreise in die DDR verweigert.

30. Juni / 1. Juli 1984: Petra Kelly beantragt auf der Landesversammlung der Grünen, von der Rotation ausgenommen zu werden. Ihr Antrag wird mit klarer Mehrheit abgelehnt.

Ende Januar 1985: Bei der Klausurtagung der Grünen in Alfter bei Bonn fehlt Petra Kelly wegen einer fiebrigen Erkältung, aber sie schickt eine Erklärung, der zufolge sie ihr Bundestagsmandat bis zum Ende der Legislaturperiode ausüben und nicht rotieren wolle. Sie setzt sich über die Beschlüsse der Partei hinweg und behält ihr Mandat.

1. Februar 1985: „Sehr bekannt, doch nicht beliebt“, schreibt die „Westdeutsche Allgemeine“ über Petra Kelly.

März 1985: Petra Kelly veranstaltet mit der Grace P. Kelly Vereinigung in Bonn eine Alternative Kunstauktion zugunsten krebskranker Kinder.

6. August 1985: Petra Kelly blockert mit anderen zusammen in Mutlangen die Straße vor dem US-Stützpunkt. Deshalb wird gegen sie ein Strafverfahren wegen Nötigung eröffnet.

1985: Siegfried Lehmann meldet sich bei seiner Tochter, ohne seinen Aufenthaltsort mitzuteilen, und schlägt ein Treffen vor, das dann jedoch nicht zustande kommt.

1986: Petra Kelly gibt das Buch „Viel Liebe gegen Schmerzen. Krebs bei Kindern“ heraus.

16. Juni 1986: Petra Kelly stellt die erste Tibet-Anfrage im Deutschen Bundestag. Die Antwort lässt vier Monate auf sich warten.

August 1986: Im Wahlkreis Erding, Freising, Pfaffenhofen beschließt eine Versammlung der Grünen, Petra Kelly als Direktkandidatin aufzustellen. Außerdem wird sie über den fünften Platz der bayrischen Landesliste abgesichert.

25. Januar 1987: Bei der Bundestagswahl bekommen die Grünen 8,3 Prozent der Zweitstimmen. Petra Kelly erhält über die bayrische Landesliste ein neues Bundestagsmandat.

Februar 1987: Petra Kelly und Gert Bastian reisen auf Einladung der Sowjetunion zu einem internationalen Abrüstungskongress nach Moskau.

10. Juli 1987: Petra Kelly engagiert sich auf dem Tibet-Forum.

1987: Petra Kelly kündigt ihr Konto bei der Dresdner Bank, nachdem diese der südafrikanischen Apartheids-Regierung einen Kredit verlängert hatte.

1988: Petra Kelly veröffentlicht das Buch „Tibet ? ein vergewaltigtes Land“. Anlässlich der Buchpräsentation trifft sie den Dalai Lama in Stuttgart.

Sie wendet sich dem Buddhismus zu.

21./22. April 1989: Petra Kelly engagiert sich bei der von ihr und Gert Bastian initiierten und organisierten überparteilichen internationalen Tibet-Anhörung.

Gert Bastian begleitete seine Geliebte bei ihrem Polittourismus; er organisierte die Reisen und packte die Koffer.

Petra Kelly wird zunehmend häufiger von Panikattacken gequält und klammert sich ängstlich an Gert Bastian. Ohne ihn wagt sie sich schließlich weder zum Einkaufen noch zum Friseur. Petra Kelly habe sich strikt geweigert, den Haushalt zu führen und sei aus der Rolle der zu versorgenden Tochter nie herausgekommen, behauptet Alice Schwarzer. Sie schildert die Politikerin als eine Frau, die auch als Vierzigjährige noch zum Kind regrediert, wenn ein Mann wie Gert Bastian bereit ist, sie zu bemuttern.

Für Gert Bastian bedeutet das eine enorme Belastung, aber er wagte es nicht, sie zu verlassen, auch nicht, als sie sich 1989 auf eine Affäre mit dem verheirateten tibetischen Arzt Palden Tawo einlässt, der in einem Krankenhaus in Lüdenscheid arbeitet. Zu dritt fliegen sie nach Tokio und Washington. Zwischendurch ist Petra Kelly im Sommer 1990 mit Palden Tawo allein in New York.

29. November 1990: Gert Bastian isst mit Palden Tawo in einer Pizzeria in Bonn und sagt laut einer späteren Zeugenaussage des Arztes, er könne nicht mehr.

2. Dezember 1990: Bundestagswahl

Petra Kelly, die nicht wieder als Kandidatin aufgestellt wurde, scheidet aus dem Bundestag aus. Ohnehin blieben die Grünen mit 3,8 Prozent der Zweitstimmen unter der 5-Prozent-Hürde.

Anfang April 1991: Petra Kelly kündigt an, auf der 13. Ordentlichen Bundesversammlung der Grünen in Neumünster für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen.

Bei der Wahl erhält sie von 660 abgegebenen Stimmen gerade einmal 32 Stimmen.

Herbst 1991: Palden Tawo zieht sich von Petra Kelly zurück.

Anfang 1992: Petra Kelly beginnt, einmal pro Woche das Umweltmagazin „Fünf vor Zwölf“ auf SAT1 zu moderieren.

21. März 1992: Als Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in Halle seinen 65. Geburtstag feiert, gehören Petra Kelly und Gert Bastian zu den Gästen. Am nächsten Tag fährt der General a. D. mit dem Auto nach München, und seine Geliebte, die nie einen Führerschein besaß, begleitet ihn. In Nürnberg besuchen sie Kunigunde Birle. Gegen 20 Uhr treffen sie im Eden Hotel Wolff in München ein. Obwohl Charlotte Bastian schon seit Stunden auf ihren Mann wartet, lässt dieser sich von Petra Kelly überreden, noch Obst im Bahnhof zu kaufen. Beim Überqueren der Arnulfstraße läuft er vor ein Taxi. Während er mit einem zertrümmerten Schienbein ins Krankenhaus gebracht wird, ruft Petra Kelly ihre beste Freundin in Calw westlich von Stuttgart an und erwartet von ihr, dass sie sofort zu ihr nach München kommt. Erika Heinz, eine vierzehn Jahre ältere Kartografin, die seit 1977 mit ihr befreundet ist, nimmt eigens drei Wochen Urlaub und trifft am nächsten Tag gegen Mittag in München ein. Sie quartiert sich mit Petra Kelly im Arabella Hotel ein.

April 1992: Gert Bastian wird aus der Klinik in München entlassen und im Krankenwagen zur Rehabilitation in der Bühlerhöhe im Schwarzwald gebracht. Petra Kelly begleitet ihn. Nach dem Aufenthalt dort wohnen sie noch einige Zeit im Hotel Lederer am Tegernsee. Dort soll sich ein anderer Gast über lautstarke Auseinandersetzungen des Paares beschwert haben. Ende August treffen Petra Kelly und Gert Bastian wieder in Bonn ein.

26. Mai 1992: Obwohl zunächst 26 Folgen der Sendung „Fünf vor Zwölf“ vereinbart waren, wird die Reihe nach 12 Folgen angebrochen.

September 1992: Auf der Weltkonferenz der Strahlenopfer haben Petra Kelly und Gert Bastian ihren letzten gemeinsamen Auftritt in der Öffentlichkeit.

30. September 1992: Sie kehren von einem Aufenthalt in Berlin ins Bonner Reihenhaus zurück. Zum 87. Geburtstag ihrer Großmutter am nächsten Tag lässt Petra Kelly Kunigunde Birle eine Blumenschale schicken.

1. Oktober 1992: Gert Bastian steht als Erster auf. Er schreibt seiner Ehefrau in München, die einen Griechenland-Urlaub plant und beginnt einen Brief an den Münchner Rechtsanwalt Hartmut Wächtler zu tippen, der Erika Heinz in einem Rechtsstreit beistehen soll. In der zehnten Zeile bricht er mitten im Wort ab: „Wir müs“.

Er nimmt eine seiner Waffen, eine zweiläufige Derringer 38, setzt sie seiner auf dem Bauch schlafenden Geliebten an die linke Schläfe und drückt ab. Sie ist sofort tot. Danach lehnt er sich im Flur gegen die Wand und schießt sich eine Kugel in den Kopf. Im Sturz reißt er ein Bücherregal um.

Die Leichen liegen achtzehn Tage in der Wohnung, bis sie entdeckt werden.

19. Oktober 1992: Als Charlotte Bastian aus Griechenland nach München zurückkommt, wundert sie sich darüber, dass sie weder ihren Mann noch dessen Geliebte telefonisch erreichen kann. Besorgt bittet sie ehemalige Nachbarn des Paares, die über Reserveschlüssel für Petra Kellys Reihenhaus in Bonn-Tannenbusch verfügen, hinzufahren und nachzusehen. So finden Rosemarie Lötters und ihre beiden Söhne die Leichen.

Petra Kelly liegt im Bett, Gert Bastian vor der Schlafzimmertür im Obergeschoss. Es gibt keine Abschiedsbriefe.

Weil die Terrassentüre nicht verschlossen war, entstanden Verschwörungstheorien über einen politischen Doppelmord.

26. Oktober 1992: Petra Kelly wird in Würzburg neben ihrer Halbschwester Grace bestattet.

9. November 1992: Gert Bastian wird in München bestattet.

4. März 1993: In einer Presseerklärung der zuständigen Staatanwaltschaft heißt es, es habe sich um einen erweiterten Suizid gehandelt. Darüber empört sich Alice Schwarzer in ihrem Buch „Eine tödliche Liebe. Petra Kelly und Gert Bastian“, denn sie geht davon aus, dass Petra Kelly gegen ihren Willen ermordet wurde.

14. Mai 1993: „Bündnis 90“ und „Die Grünen“ schließen sich zur gesamtdeutschen Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ zusammen

1994: Bei der Bundestagswahl erzielt die fusionierte und reorganisierte Partei Bündnis 90/Die Grünen 7,3 Prozent der Zweitstimmen.

1998: Bei der Bundestagswahl erzielen die Grünen 6,7 Prozent der Zweitstimmen. Die SPD bildet mit ihnen eine Regierungskoalition.

Die Grünen sind seit den Fünfzigerjahren die erste neu gegründete Partei in der Bundesrepublik Deutschland, die sich erfolgreich etabliert hat.

Kurzbiografie: © Dieter Wunderlich 2003 / 2010

Alice Schwarzer: Eine tödliche Liebe. Petra Kelly und Gert Bastian
Karin Feuerstein-Praßer: „Ich gehe immer aufs Ganze“. 10 Frauenporträts

Ein litarisches Porträt von Petra Kelly finden Sie in dem Buch
„Verführerische Frauen. Elf Porträts“ von Dieter Wunderlich

Raymond Kennedy - Am Rand der Welt
In der kargen, kraftvollen und poetischen Novelle "Am Rand der Welt" von Raymond Kennedy erleben wir die Identitätskrise eines sterbenden alten Mannes, der bei der Frage "Wer bist du überhaupt?" erschrickt.
Am Rand der Welt