Rodrigo Borgia / Papst Alexander VI.


Die spanische Adelsfamilie Borgia (spanisch: Borja) stammte aus Játiva bei Valencia. Anfang des 15. Jahrhunderts kamen die Borgias nach Italien. Alonso Borgia (Alonso de Borja, 1378 – 1458) leitete von 1455 bis 1458 als Papst Kalixt III. (Calixtus III.) die Kirche. Zur größten Machtentfaltung der Borgias kam es unter dessen Neffen Rodrigo Borgia.

Rodrigo Borgia (Rodrigo de Borja) wurde am 1. Januar 1431 in Játiva bei Valencia geboren. Papst Kalixt III., der Bruder seines Vaters Rodrigo Gil de Borja, ernannte ihn nach dem Studium des kanonischen Rechts in Bologna im Februar 1456 zum Kardinal und im Jahr darauf zum Vizekanzler, obwohl er noch nicht zum Priester geweiht worden war. (Die Priesterweihe erhielt Rodrigo Borgia 1468.)

Nach dem Tod von Papst Innozenz VIII. am 25. Juli 1492 galten die Kardinäle Giuliano della Rovere und Ascanio Sforza als Favoriten für die Nachfolge. Die Wahl fiel jedoch am 10. August 1492 nach viertägigem Konklave auf Kardinal Rodrigo Borgia, der den Papstnamen Alexander VI. annahm.

Rodrigo Borgia hurte herum und hielt sich Mätressen. Ein solches Verhalten wurde zu dieser Zeit auch Kirchenfürsten nachgesehen, sofern sie dabei einigermaßen auf Diskretion achteten. Er hatte bereits drei illegitime Kinder – Pedro Luis Borgia (um 1460 – 1488), Girolama Borgia (1469 – 1483), Isabella Borgia (1470 – 1541) –, als Vanozza de‘ Catanei für viele Jahre seine Mätresse wurde. Die dreimal verheiratete Frau gebar ihrem Liebhaber drei Söhne und eine Tochter: Juan Borgia (1474 – 1497), Cesare Borgia (1476 – 1507), Lucrezia Borgia (1480 – 1519) und Jofre Borgia (1481 – 1517). Auch als die fünfzehnjährige Giulia Farnese die neue Mätresse von Rodrigo Borgia wurde und 1492 die Tochter Laura gebar, blieben er und Vanozza freundschaftlich verbunden. (Vanozza de‘ Catanei überlebte Rodrigo Borgia: Sie starb 1518 im Alter von sechsundsiebzig Jahren.)

„Der Herr will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er lebt und zahlt“, soll Papst Alexander VI. gesagt haben. Wie die meisten anderen Renaissance-Fürsten begnadigte er Verbrecher gegen Geldzahlungen und verschacherte Ämter an Meistbietende. Dem Kirchenoberhaupt standen darüber hinaus die vor allem im Jubeljahr 1500 kräftig sprudelnden Einnahmen aus dem Ablasshandel zu [vgl. Reformation]. Eine Besonderheit war, dass Papst Alexander VI. sich unverhohlen zu seinen illegitimen Kindern bekannte und eine regelrechte Familienpolitik betrieb.

Das durch den Tod seines Sohnes Pedro Luis Borgia im Jahr 1488 verwaiste spanische Herzogtum Gandia hatte Rodrigo Borgia seinem Sohn Juan übertragen und ihn mit Maria Enriquez verheiratet, einer Cousine Ferdinands II., des Königs von Sizilien, Kastilien, León, Aragon und Ehemanns von Königin Isabella I. von Kastilien. Seinen Sohn Jofre verheiratete Papst Alexander VI. im Alter von zwölf Jahren mit Sancia, der vier Jahre älteren Enkelin des Königs Ferdinand I. von Neapel. Innerhalb eines Jahres nach seiner Wahl zum Papst ernannte Alexander VI. nicht nur seinen Sohn Cesare Borgia zum Kardinal, sondern auch Alessandro Farnese (1468 – 1549), den Bruder seiner Mätresse Giulia Farnese. (Alessandro Farnese wurde 1534 selbst Papst: Paul III.)

Als der König von Neapel am 25. Januar 1494 starb, beanspruchte König Karl VIII. von Frankreich den Thron, den Ferdinand I. gegen das Haus Anjou erkämpft hatte. Der Zusammenbruch der Macht der Familie Medici in Florenz nach dem Tod von Lorenzo I. de‘ Medici („der Prächtige“) im April 1492 erleichterte ihm den Feldzug.

Nachdem er dem fanatischen Dominikaner Girolamo Savonarola (1452 – 1498) zur Gründung einer theokratischen Republik in Florenz verholfen hatte, traf er im Dezember 1494 in Rom ein. Alexander VI. erlaubte ihm, durch Latium zu marschieren und erhielt als Gegenleistung die formelle Obedienz des Monarchen, bevor dieser am 25. Januar 1495 weiterzog. Während Karl VIII. Neapel unterwarf, verbündete sich Papst Alexander VI. am 31. März 1495 in Venedig mit dem Dogen, der Republik Mailand, dem spanischen König Ferdinand II. und dem deutschen König Maximilian I. – offiziell gegen die Türken, aber Karl VIII. begriff, dass die Liga von Venedig in Wirklichkeit gegen Frankreich gerichtet war und zog sich deshalb wieder über die Alpen zurück.

Am 14. Juni 1497 gab Vanozza de‘ Catanei für ihre Söhne Juan, Cesare und Jofre Borgia ein Abendessen. Auf dem Heimweg trennte sich Juan von seinen Brüdern. Seine Leiche wurde bald darauf aus dem Tiber gefischt: Der Dreiundzwanzigjährige war erstochen worden. Hatte Antonio Pico della Mirandola ihn ermorden lassen, weil er dessen Tochter entehrt hatte? Im Jahr darauf tauchte das Gerücht auf, Cesare Borgia sei der Mörder seines älteren Bruders. Bis heute ist der Fall ungeklärt.

Girolamo Savonarola verbreitete in Florenz Angst und Schrecken vor dem Zorn Gottes über die Sittenlosigkeit der Menschen, rief zur Buße auf, verlangte eine Kirchenreform und prangerte Papst Alexander VI. offen wegen seiner angeblichen oder tatsächlichen Ausschweifungen an. Der Papst exkommunizierte ihn 1497 und ließ ihn im Jahr darauf festnehmen, foltern und am 23. Mai 1498 durch den Strang hinrichten. Die Leiche wurde danach auf einem Scheiterhaufen auf der Piazza della Signoria in Florenz verbrannt.

Im Alter von siebenundzwanzig Jahren lief Karl VIII. Anfang April 1498 so heftig gegen einen Türbalken, dass er daran starb. Sein Bruder Ludwig XII. von Orléans, der ihm auf den Thron folgte, bat Papst Alexander VI. darum, seine Ehe mit Jeanne de France aufzuheben, damit er seine verwitwete Schwägerin Anne de Bretagne heiraten konnte. Andernfalls hätte er den Verlust der Bretagne riskiert. Als Gegenleistung für den Dispens erhielt Cesare Borgia – der sich 1498 von seinem Vater in den weltlichen Stand hatte zurückversetzen lassen – von Ludwig XII. das zum Herzogtum erhobene Valentinois. Und im Mai 1499 vermählte sich Cesare Borgia mit Charlotte d’Albret, der Schwester des Königs Johann von Navarra.

Nach monatelangen Verhandlungen zwang Papst Alexander VI. seinen Schwiegersohn Giovanni Sforza am 20. Dezember 1497 dazu, der Annullierung seiner Ehe mit Lucrezia Borgia zuzustimmen. Der Heilige Vater sah nämlich die Entmachtung der Familie Sforza voraus und zog es deshalb vor, Lucrezia im August 1498 mit Sancias Bruder Alfonso zu verheiraten, dem Herzog von Bisceglia, der ein Jahr jünger als die Braut war.

Nach der Eroberung Mailands durch König Ludwig XII. geriet Giovanni Sforzas Onkel Herzog Ludovico Sforza („il Moro“), der die Stadt zu einem Kulturzentrum gemacht hatte, im Frühjahr 1500 in Gefangenschaft und wurde nach Frankreich verschleppt, wo er 1508 starb.

Cesare Borgia marschierte im Januar 1500 an der Spitze französischer und eigener Truppen gegen das 1499 von Alexander VI. für erloschen erklärte Vikariat der Sforza-Riario in Forli und Imola, in dem Girolamo Riarios Witwe und Ludovico Sforzas Nichte Caterina Sforza mit harter Hand regierte. Während Imola sich kampflos ergab, verschanzte sich Caterina Sforza in der Zitadelle von Forli. Nachdem Cesare Borgia die Festung erobert hatte, nahm er Caterina Sforza gefangen und brachte sie nach Rom. Mit 14 000 Mann eroberte er kampflos Rimini und Pesaro. Nur der sechzehnjährige Astorre Manfredi in Faenza leistete Widerstand, aber es gelang Cesare Borgia, auch dessen Festung zu stürmen. Nachdem er das Herrscherpaar Elisabetta und Guidobaldo da Montefeltro am 21. Juni 1502 aus Urbino vertrieben und am 20. Juli auch Camerino erobert hatte, beherrschte er die gesamte Romagna.

Am 30. Dezember 1501 gelang es Papst Alexander VI., seine inzwischen einundzwanzigjährige und verwitwete Tochter Lucrezia – Alfonso von Bisceglia war im Jahr davor erwürgt worden – mit dem vier Jahre älteren Alfonso I. d’Este zu vermählen, der nach dem Tod seines Vaters Ercole I. 1505 Herzog von Ferrara, Modena und Reggio wurde.

Während Cesare Borgia den französischen König im Sommer 1502 wieder ganz auf die Seite des Papstes zog, verschworen sich Gegner der Borgia im Herbst 1502 in La Magione am Trasimenischen See, doch nach anfänglichen Erfolgen wurden sie zur Aufgabe gezwungen. Die Borgia gaben sich versöhnlich, und Cesare traf sich am 31. Dezember 1502 in Senigallia mit vier der Verschwörer: Vitellozzo Vitelli, Paolo und Francesco Orsini, Oliverotto von Fermo. Überraschend ließ er sie festnehmen. Vitellozzo Vitelli und Oliverotto von Fermo wurden noch in derselben Nacht ermordet, die Brüder Orsini am 18. Januar 1503, zwei Wochen nach der Verhaftung von Kardinal Giovanni Battista Orsini, der am 22. Februar im Kerker starb.

Am 5. August 1503 speisten Papst Alexander VI., Cesare Borgia und andere Gäste bei Kardinal Adriano da Corneto in Rom. Eine Woche später begannen die beiden Borgia zu fiebern und zu erbrechen. Während Cesare sich allmählich erholte, starb sein Vater am Abend des 18. August. Weil sich der Leichnam innerhalb kurzer Zeit dunkel verfärbte und unnatürlich aufquoll, glaubten viele, der Pontifex maximus sei vergiftet worden. Inzwischen hält man es für wahrscheinlich, dass er an Malaria starb und die rasche Verwesung eine Folge der sommerlichen Hitze in Rom war.

Zu den Nachfahren Alexanders VI. gehörten der heilige Franz von Borgia (Francisco de Borja, 1510 – 1572), der dritte Jesuitengeneral, und Giambattista Pamfili, der von 1644 bis 1655 als Papst Innozenz X. auf dem Stuhl Petri saß.

Es gibt zwei aufwendige Fernsehserien über die Borgias: eine amerikanische mit Jeremy Irons und eine europäische mit John Doman in der Rolle des Rodrigo Borgia. Letztere ist auf drei Staffeln zu je zwölf Folgen angelegt und gilt als die teuerste europäische Fernsehproduktion aller Zeiten.

Die Borgias. Sex Macht Mord Amen – Originaltitel: The Borgias – Regie: Neil Jordan, Kari Skogland, John Maybury, Jon Amiel, David Leland, Jeremy Podeswa, Simon Cellan Jones – Drehbuch: Neil Jordan, Guy Burt, David Leland – Kamera: Paul Sarossy, Pierre Gill – Schnitt: Lisa Grootenboer, Wendy Hallam Martin, Tony Lawson – Musik: Trevor Morris – Darsteller: Jeremy Irons (Rodrigo Borgia), François Arnaud (Cesare Borgia), Holliday Grainger (Lucrezia Borgia), Peter Sullivan, Sean Harris, Joanne Whalley, Lotte Verbeek, Colm Feore u.a. – 2011

Borgia – Originaltitel: Borgia – Regie: Metin Hüseyin, Christoph Schrewe, Dearbhla Walsh, Oliver Hirschbiegel, Thomas Vincent– Drehbuch: Brant Englestein, Tom Fontana, Kyle Bradstreet, Kevin Deiboldt, Larry Cohen, Frank Pugliese, Andrea Ciannavei, Sean Whitesell, Bradford Winters, Chris Albers, Gina Gionfriddo, Thomas Kelly, James Yoshimura – Kamera: Ousama Rawi – Schnitt: David Ray, Vanessa Procopio, Deborah Moran, Daniel A. Valverde, Sheri Bylander – Musik: Cyril Morin, Éric Neveux – Darsteller: John Doman (Rodrigo Borgia), Mark Ryder (Cesare Borgia), Isolda Dychauk (Lucrezia Borgia), Diarmuid Noyes, Marta Gastini, Art Malik, Assumpta Serna, Victor Schefé, Dejan Cukic, Paul Brennen, Scott William Winters, Michael Fitzgerald u.a. – 2011 – 2014

Literatur über die Borgia

  • Kurt Reichenberger und Theo Reichenberger: Der Borgiapapst Alexander VI. Monster oder Märthyrer? (Kassel 2003)
  • Volker Reinhardt: Der unheimliche Papst. Alexander VI. Borgia, 1431 – 1503
    (München 2005)
  • Susanne Schüller-Piroli: Die Borgia-Päpste Kalixt III. und Alexander VI. (Wien 1979)
  • Susanne Schüller-Piroli: Die Borgia-Dynastie. Legende und Geschichte (München 1982)
  • Maike Vogt-Lüerssen: Lucretia Borgia. Das Leben einer Papsttochter in der Renaissance (Norderstedt 2005)

© Dieter Wunderlich 2006/2007

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Lucrezia Borgia (Kurzbiografie)

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