Ulzhan

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Ulzhan. Das vergessene Licht – Originaltitel: Ulzhan – Regie: Volker Schlöndorff – Drehbuch: Jean-Claude Carrière, nach einer Idee von Jean-Marie Cambacérès und Regis Ghezelbash – Kamera: Tom Fährmann – Schnitt: Peter R. Adam, Beatrice Pettovich – Musik: Bruno Coulais, Kuet Shildebaev – Darsteller: Philippe Torreton, Ayanat Ksenbai, David Bennent, Vladimir Aryskin, Tanyrbergen Berdongarov, Marek Brodzki u.a. – 2007; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Der Franzose Charles fährt in Kasachstan nach Osten. Als ihm der Sprit ausgeht, lässt er das Auto mit einem Großteil des Gepäcks stehen und geht zu Fuß weiter. Irgendwo verschenkt er seinen Pass. Nur ein Foto von seiner Frau und den Kindern behält er bis zuletzt. Unterwegs begegnet er einem skurrilen Händler, der seltene Wörter gegen Lebensmittel tauscht. Die junge Kasachin Ulzhan, der er ein Pferd abkauft, reitet ihm nach, weil sie ahnt, was er vorhat ...
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Kritik

"Ulzhan. Das vergessene Licht" ist ein meditatives und poetisches, surreales und metaphorisch aufgeladenes Roadmovie von Volker Schlöndorff, das nicht von Dialogen, sondern von Bildern getragen wird.
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Der Franzose Charles (Philippe Torreton) fährt mit einem Leihwagen über die Grenze von Russland nach Kasachstan. Als ihm der Sprit ausgeht, packt er ein paar Sachen in seine Reisetasche, wirft aber das Handy und die Autoschlüssel verächtlich ins Handschuhfach und lässt das Fahrzeug am Straßenrand stehen. Zu Fuß geht er weiter nach Osten. Lastwagenfahrer halten und bieten ihm an, ihn mitzunehmen, aber er zieht es vor, allein zu sein.

In einem nachts geöffneten Lokal macht sich die Russin Elena (Olga Landina) an ihn heran. Als sie vor seinen Augen lasziv ihren Slip auszieht, folgt er ihr in die Toilette und nimmt sie rasch von hinten. Den Männern, die Wodka mit ihm trinken, lässt er seinen Pass und sein Visum da.

Als er ein Ölfeld überquert, fällt er drei Polizisten auf. Sie nehmen ihn fest, weil sie ihn für einen Industriespion halten, und sperren ihn über Nacht in einen Wohncontainer. Charles hat keinen Ausweis bei sich, nur eine Blechdose mit einer Postkarte und ein Foto, auf dem eine Frau mit zwei Kindern abgebildet ist. Ob er den Pass verloren habe oder ob er ihm gestohlen worden sei, fragt der Beamte, der ihn vernimmt, aber Charles hat keine Lust, sich zu erklären und schweigt. Am nächsten Tag bringt ihn ein Polizeioffizier im Hubschrauber nach Astana, in die am Reißbrett entworfene, neu gebaute Hauptstadt Kasachstans mit ihren futuristischen Bauwerken. Dort will ihm Eric (Maximilien Muller), ein freundlicher Mitarbeiter des französischen Konsulats, neue Papiere ausstellen, aber Charles behauptet, keine zu benötigen.

Das Konsulat besorgt ihm ungefragt ein Hotelzimmer. Am Abend holt Eric ihn ab und geht mit ihm zu einer Dessous Modenschau. Aber die halb nackten Models interessieren Charles nicht. Nach wenigen Minuten verlässt er den Saal.

Weiter im Osten richtet er sich in einer leer stehenden Baracke für die Nacht ein. Da taucht ein Motorradfahrer auf, der vorhat, hier ebenfalls zu schlafen. Er heißt Shakuni (David Bennent) und kann sich mit Charles auf Französisch verständigen. An diesem Abend ist er froh, dass Charles etwas zu essen dabei hat, denn sonst müsste er hungern. Shakuni, der Sohn einer Deutschen und eines unbekannten Vaters, ist fliegender Händler; er tauscht seltene Wörter gegen Lebensmittel. Im Gegensatz zu dem wortkargen Franzosen plaudert Shakuni unentwegt, erzählt Geschichten und geht der Bedeutung von Wörtern nach. Von ihm erfährt Charles, dass die Baracke zu Zeiten der Sowjetunion Teil eines Straflagers war.

Am Griff der ledernen Reisetasche scheuert Charles sich die Hand auf, aber er geht weiter nach Osten. Als er zu einer kleinen Nomadensiedlung kommt und Pferde auf einer Koppel sieht, fragt er eine Greisin (Turakhan Sadykova), die den Boden vor ihrer Jurte fegt, ob er ein Pferd kaufen könne. Sie verweist ihn an ihre Enkelin Ulzhan (Ayanat Ksenbai), die in der Schule Französisch unterrichtet.

Eigentlich würden die Tiere ihrem Vater gehören, meint Ulzhan, doch weil dieser todkrank sei, könne sie Charles ein Pferd verkaufen. Den allein in einer Koppel grasenden Schimmel, den er sich aussucht, überlässt sie ihm allerdings nur widerstrebend, denn es ist ihr eigenes Pferd. Immerhin gibt sie sich nicht mit dem Betrag zufrieden, den Charles ihr dafür bietet, sondern verlangt etwas mehr.

Dann überredet sie ihn, bei ihr und ihrer Großmutter zu übernachten.

Obwohl Charles allein sein will, reitet Ulzhan ihm nach, denn ihre Großmutter sah den Tod in seinem Gesicht. Mehrmals versucht er, sie zurückzuschicken, aber sie bleibt in seiner Nähe, und als ihm in einem Sandsturm das Pferd mit dem Gepäck durchgeht, rettet sie ihm das Leben, indem sie es wieder einfängt und zurückbringt.

Dann taucht auch Shakuni wieder auf. Er hat sein Motorrad gerade verkauft und schließt sich Charles und Ulzhan zu Fuß an.

Vor dem Zaun eines atomar verseuchten Sperrgebietes stoßen sie auf einen Künstler (Vladimir Aryskin), der gerade an einem Landschaftsgemälde mit einem Atompilz arbeitet. Ein Geländewagen kommt angerast. Ein Mann und eine Frau (Zhaksybek Kurmanbekov, Shamshagui Mendiyarova) steigen aus und fragen nach neuen Bildern. Der Künstler führt sie zu seinem Auto und verkauft ihnen, was er zuletzt gemalt hat.

Währenddessen galoppiert Charles unvermittelt durch eine Lücke im Zaun auf das Sperrgebiet. Shakuni ruft ihm erschrocken nach, das Gelände sei verseucht. Ungeachtet der Gefahr folgt Ulzhan dem lebensmüden Franzosen und bringt ihn zurück.

Während eines epileptischen Anfalls sieht Shakuni, dass sein Vater im Sterben liegt. Sie finden ihn in einer Berghütte. Als Shakuni an sein Lager tritt, stirbt der alte Mann. Sein Vater habe Frauen immer mehr geliebt als Wodka, meint Shakuni. Tatsächlich gibt es auch hier eine Lebensgefährtin, die um den Verstorbenen trauert.

Plötzlich tauchen zwei junge Männer auf und behaupten, Shakunis Wörter hätten Unglück gebracht. Einer von ihnen zieht ein Messer. Furchtlos tritt Charles ihm entgegen und packt das Messer an der Klinge, obwohl sie ihm in die Hand schneidet.

Nachdem sie die Angreifer vertrieben haben, verabschiedet Shakuni sich von Charles und Ulzhan, die weiter nach Osten reiten, während er bei dem Toten und der alten Frau zurückbleibt.

Charles Ziel ist der 7000 Meter hohe heilige Berg Khan Tengri im Tian-Schan-Gebirge. Dorthin sollen sich früher die Schamanen zurückgezogen haben, um zu sterben.

Sie überqueren die Schneegrenze. Als der Gipfel in Sicht kommt, wirft Charles seine Reisetasche in hohem Bogen fort, bedankt sich bei Ulzhan und versichert ihr, ohne Wasser und Nahrung hier bleiben zu wollen. Während Charles das Foto von seiner Frau und seinen Kindern, die vermutlich bei einem Unfall ums Leben kamen, unter einen Felsbrocken legt, verlässt Ulzhan ihn mit den beiden Pferden.

Nach einer Weile kehrt sie um. Charles sieht, wie sie in der Nähe den Halfter des Schimmels mit einem Felsbrocken beschwert, das Pferd stehen lässt und wortlos wieder losreitet.

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„Ulzhan. Das vergessene Licht“ ist ein meditatives und poetisches, surreales und metaphorisch aufgeladenes Roadmovie.

In ruhigen Einstellungen entwickelt Volker Schlöndorff die melancholische Geschichte eines Franzosen, der seine Familie verloren hat und nach Osten zieht, um einsam zu sterben. Philippe Torreton spielt diesen Mann nicht als einen klagenden Verzweifelten, sondern als einen schweigsamen Einzelgänger, der mit stoischer Gelassenheit Schwierigkeiten meistert und seinem Ziel zustrebt. Das Ende bleibt offen.

Jean-Claude Carrière (Drehbuch) und Volker Schlöndorff vermeiden jede Psychologisierung; sie erklären nichts und deuten vieles nur an. „Ulzhan. Das vergessene Licht“ kommt ohne große Worte aus. Umso intensiver wirken die Landschaftsaufnahmen, Bilder unendlich weiter Steppengebiete, aber auch von Auswüchsen der Zivilisation: eine am Reißbrett entworfene Großstadt mit spektakulären Bauwerken, ein Ölfeld, ein aufgegebenes Atomtestgelände.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.