Die Geschichte der Dienerin

Die Geschichte der Dienerin
Die Geschichte der Dienerin - Originaltitel: The Handmaid's Tale - Regie: Volker Schlöndorff - Drehbuch: Harold Pinter, nach dem Roman "Die Geschichte der Dienerin" von Margaret Atwood - Kamera: Igor Luther - Schnitt: David Ray - Musik: Ryuichi Sakamoto - Darsteller: Natasha Richardson, Faye Dunaway, Aidan Quinn, Elizabeth McGovern, Victoria Tennant, Robert Duvall, Blanche Baker, Traci Lind, Zoey Wilson, Kathryn Doby, Reiner Schöne, Lucia Hartpeng, Karma Ibsen Riley, Lucile McIntyre u.a. - 1990; 105 Minuten

Inhaltsangabe

Die USA sind in "jüngst vergangener Zukunft" zu einem religiös verbrämten totalitären Überwachungsstaat mutiert, in dem fast alle Menschen unfruchtbar sind. Die wenigen Frauen, die noch in der Lage sind, Kinder zu bekommen, werden in einem Umerziehungslager einer Gehirnwäsche unterzogen und kinderlosen Ehepaaren der Elite als "Dienerinnen" zur Verfügung gestellt, wobei der zeremoniell vollzogene Akt ausschließlich der Fortpflanzung zu dienen hat.
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Kritik

Volker Schlöndorff verfilmte den Roman "Die Geschichte der Dienerin" von Margaret Atwood. Es handelt sich um eine sorgfältige, sachliche, fesselnde und sehr beunruhigende Inszenierung.
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In einer „jüngst vergangenen Zukunft“ (Vorspann) versucht die ehemalige Bibliothekarin Kate (Natasha Richardson), mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter aus dem Staat Gilead, vormals USA, zu fliehen. Aber die Grenzpolizei ertappt sie in den Bergen, erschießt ihren Mann und nimmt sie fest. Das Mädchen kann zunächst weglaufen und irrt allein herum, wird aber später ebenfalls aufgegriffen.

Alle gefangenen Frauen werden in ein riesiges Lager gebracht und schließlich selektiert: Soldaten pferchen die nicht gebärfähigen Frauen in die Laderäume von Lastwagen: Man schiebt sie in die von Giftmüll verseuchten Kolonien ab, wo nur wenige länger als vier Wochen überleben. Die gebärfähigen Gefangenen kommen in ein Umerziehungslager, wo sie von der Ausbilderin „Tante Lydia“ (Victoria Tennant) als „Kinder“ begrüßt werden. Die jungen Frauen, die weiße Einheitskleider tragen müssen, sind völlig entmündigt, dürfen sich nicht zurückziehen, aber auch nicht miteinander sprechen und werden rund um die Uhr von Aufseherinnen und Kameras überwacht. Neuzugängen schweißt man ein Armband um, das ihre Daten enthält und von elektronischen Geräten gelesen werden kann. Man unterzieht die Schülerinnen einer Gehirnwäsche. Aufgrund schlimmer Verfehlungen der Menschheit – darunter Gentechnik und künstliche Befruchtung, Empfängnisverhütung und Promiskuität – hat Gott die Strafe der Unfruchtbarkeit über sie verhängt: Nur noch jede hundertste Frau ist in der Lage, ein Kind zu bekommen. Die hier versammelten jungen Frauen gehören zu den Auserwählten. Ihre Pflicht ist es deshalb, diese überaus wertvolle Gabe in den Dienst des Staates zu stellen und sich zu „Dienerinnen“ ausbilden zu lassen.

Die eine oder andere Elevin wird gezwungen, öffentlich Selbstkritik zu üben. So muss Janine (Traci Lind) berichten, wie sie nach der Vergewaltigung durch sechs Mitschüler schwanger geworden war und ihre Mutter sie zu einer Abtreibung gezwungen hatte. Statt Janine zu bedauern, schreien die Zuhörerinnen sie an, bis sie sich sich wegen der Abtreibung schuldig bekennt.

Kate verhilft ihrer Leidensgenossin Moira (Elizabeth McGovern) zur Flucht, indem sie mit ihr zusammen Tante Lydia in der Toilette von hinten überfällt und bis auf die Unterwäsche entkleidet, damit Moira das Kostüm anziehen und auf diese Weise an den Wachen vorbeikommen kann. Da Tante Lydia die zweite Angreiferin nicht sehen konnte, bleibt Kate unbehelligt.

Nach Abschluss der Indoktrination vertauschen die Mädchen das weiße mit einem roten Nonnenkleid. In einer feierlichen Zeremonie weiht ein Priester sie zu Dienerinnen.

Kate wird von Serena Joy (Faye Dunaway), der kinderlosen Ehefrau des Kommandanten (Robert Duvall), ausgesucht und in deren Haus aufgenommen. Serena gibt ihr den Namen Offred. Ihre Aufgabe ist es, so rasch wie möglich ein Kind des Kommandanten zu empfangen. Der Akt findet in einer peinlich genau geregelten Zeremonie statt: Die blau gekleidete und verschleierte Ehefrau legt sich mit dem Rücken auf ein hohes Bett. Zwischen ihren gespreizten Beinen platziert sich die ebenfalls verschleierte Dienerin im roten Kleid, damit der Ehemann den Akt am unteren Bettrand stehend ausführen kann. Dabei darf er die Frauen auf keinen Fall anfassen, und es wird streng darauf geachtet, dass sie Atmosphäre unerotisch und unpersönlich bleibt, denn die Zeremonie dient einzig und allein der Besamung.

Jeden Monat muss Kate alias Offred sich einer gynäkologischen Untersuchung unterziehen. Als sie nach sieben Zeremonien in drei Monaten noch immer nicht schwanger geworden ist, macht der Arzt sie darauf aufmerksam, dass der Kommandant unfruchtbar sein könnte. Zumindest weiß man es nicht, denn Männer werden nicht auf ihre Fortpflanzungsfähigkeit getestet. Er weist sie darauf hin, dass man sie im Fall ihres Versagens in die Kolonien schicken werde und rät ihr, sich von ihm heimlich schwängern zu lassen. Angewidert lehnt Kate das „Angebot“ ab, obwohl sie inzwischen erfahren hat, dass ihre Vorgängerin sich nach vier Monaten aus Verzweiflung erhängte.

Auch Serena macht sich Sorgen über Offreds ausbleibende Schwangerschaft. Sie drängt die Dienerin, es mit Nick (Aidan Quinn), dem Chauffeur ihres Mannes, zu versuchen. Serena ahnt nicht, dass Nick und Kate sich längst verliebt haben und nur auf eine Gelegenheit warten, zusammen sein zu können. Mit dem Segen Serenas huscht Kate im weißen Nachthemd über den Hof zu dem Zimmer, das Nick über der Garage bewohnt. Sie fallen sich in die Arme, küssen sich zärtlich, ziehen sich aus und lieben sich. Aber sie müssen sich beeilen, damit Serena keinen Verdacht schöpft. Kate kommt so lange wieder, bis sie schwanger ist.

Als Gegenleistung für den Gefallen, den die Dienerin ihr vermeintlich tut, forscht Serena nach Kates Tochter und zeigt ihr eines Tages ein Polaroid des Kindes: Es lebt, wurde von einer guten Familie adoptiert, und es geht ihm gut. Wo sich das Kind befindet, verrät Serena allerdings nicht.

Bei einer der schwangeren Dienerinnen setzen die Wehen ein. Die allesamt blau gekleideten Ehefrauen der gesellschaftlichen Elite versammeln sich zu einem großen Fest, und sobald das Kind geboren ist, wird es der Dienerin weggenommen und von der entsprechenden Ehefrau stolz herumgezeigt. Neidisch zischt Serena ihre Dienerin an: „Wann sind wir endlich so weit?“

In einer großen öffentlichen Veranstaltung wird eine Dienerin gehängt, die man bei der „Hurerei“ mit einem Gynäkologen ertappt hatte. Dann lynchen die Dienerinnen auf Kommando einen offensichtlich gefolterten Mann, der eine Frau vergewaltigt haben soll. Eine andere Dienerin flüstert Kate zu, der Verurteilte habe niemanden vergewaltigt, sondern sei ein politischer Häftling gewesen.

Terroristen verüben einen Bombenanschlag auf Mitglieder der Militärherrschaft.

Kate wird von den Terroristen heimlich aufgefordert, den Kommandanten auszuhorchen. Sie versucht es, und er erzählt ihr, man habe einen Untergang des Landes im Chaos verhindern und den nach oben gespülten Abschaum beseitigen müssen. Die Menschen hätten keine Ideale mehr gehabt, sondern seien nur noch von ihrer Gier nach Sex und Macht getrieben worden. Unter der neuen Herrschaft, für deren Sicherheit er als Kommandant verantwortlich sei, gebe es wieder anerkannte Werte wie Respekt, Würde und Anstand.

Kurze Zeit später bringt der Kommandant seiner Dienerin ein schwarzes Abendkleid. Nachdem sie es angezogen hat, besucht er mit ihr einen offiziell verbotenen Nachtklub, in dem GoGo-Tänzerinnen auftreten und Animierdamen zur Verfügung stehen. Unter den Prostituierten ist auch Moira: Sie war verraten und an der Grenze aufgegriffen worden.

Durch einen Kassiber fordern die Terroristen Kate dazu auf, den Kommandanten zu töten. Genau zu der vorgegebenen Zeit zerschneidet ihm Kate die Halsschlagader. Im nächsten Augenblick wird sie von zwei Polizisten festgenommen. Aber das ist nur ein Täuschungsmanöver: Der Kassiber stammte von Nick, der zu den Terroristen gehört. Durch die fingierte Verhaftung lässt er seine Geliebte retten. Sie wird in ein Versteck in den Bergen gebracht und dort von den Terroristen versorgt.

Während es zu blutigen Straßenkämpfen zwischen den Terroristen und der Staatsmacht kommt, wartet Kate, die inzwischen sichtbar schwanger ist, auf Nick. Sie ist zuversichtlich, auch ihre Tochter wiederzufinden.

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Volker Schlöndorff verfilmte den 1985 von Margaret Atwood veröffentlichten Roman „Der Report der Magd“. Das Drehbuch schrieb der englische Dramatiker Harold Pinter, der 2005 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde.

Unter Berufung auf Gott und die Bibel haben Fanatiker auf dem Boden der USA den faschistischen Staat Gilead gegründet, in dem die entmündigten Untertanen auf eine mythische Bewusstseinsstufe zurückgeführt werden sollen. Erzählt wird wie im Roman aus der Sicht der „Dienerin“ Kate alias Offred, die sich trotz der Umerziehung einen Rest Gedankenfreiheit bewahrt hat. Der totalitäre Staat Gilead wirkt besonders beunruhigend, weil er viele aus der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit bekannte Merkmale aufweist: Ein elektronisch lesbares angeschweißes Armband ersetzt die von den Nationalsozialisten in den Arm tätowierte KZ-Nummer. Unter der neuen, religiös verbrämten Militärherrschaft wird die Bevölkerung durch Straßensperren, elektronische Kontrollen und Kameras auf Schritt und Tritt überwacht. Das diktatorische Regime beruft sich auf hehre Ziele und Ideale, und die Menschen werden in Umerziehungslagern wie die Mitglieder fanatischer Sekten einer Gehirnwäsche unterzogen. Je nach ihrer Gruppenzugehörigkeit tragen die Frauen blaue, rote oder weiße Kleidung, und bei den Männern handelt es sich fast ausschließlich um uniformierte Soldaten. „Die Geschichte der Dienerin“ ist ein anspruchsvoll inszenierter, fesselnder und beunruhigender Film.

Poul Ruders (Musik) und Paul Bentley (Libretto) ließen sich von Margaret Atwoods Roman zu einer Oper inspirieren: „The Handmaid’s Tale“ („Die Geschichte der Dienerin“). Sie wurde am 6. März 2000 im Opernhaus von Kopenhagen uraufgeführt.

Außer der Filmmusik von Ryuichi Sakamoto sind folgende Musikstücke in „Die Geschichte einer Dienerin“ zu hören:

  • Alice Hawthorne: Whispering Hope
  • Robert Lowry: Shall We Gather at the River
  • Louis Bourgeois: Old Hundredith
  • Jimmie Hodges: Someday
  • Pegge Lee und Dave Barbour: I Don’t Know enough about You
  • Richard Rodgers und Lorenz Hart: Little Girl Blues
  • Richard Rodgers und Lorenz Hart: The most Beautiful Girl in the World
  • David Steele und Roland Gift: Johnny Come Home
  • Les Rita Mitsouko: Tongue Dance
  • Willie Nelson: Crazy
  • Henry Priestman: Save a Soul in every Town
  • Otto Sieben: Bereavement
  • John Newton: Amazing Grace
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

Margaret Atwood: Der Report der Magd

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.