Herz

Herz

Herz

Originaltitel: Herz – Regie: Horst Sczerba – Drehbuch: Horst Sczerba - Kamera: Carl Friedrich Koschnick - Schnitt: Marcel Peragine – Musik: Dirk Raulf - Darsteller: Florian Fitz, Michael Roll, Mehmet Kurtulus, Pamela Knaack, Uwe Bohm, Laura Tonke, Werner Wölbern, Camilla Renschke, Johanna Gastdorf u.a. - 2001; 100 Minuten

Inhaltsangabe

In einer kleinen Tauchschule in Köln kreuzen sich die Wege der Filmfiguren: Der Tauchlehrer Marcel hat ein Verhältnis mit der Ehefrau eines Werkzeugvertreters. Der Dolmetscher Cem verliebt sich in eine Delinquentin. Der Kriminalkommissar Georg wird von seiner Frau verlassen. Dora betreibt ein Sonnenstudio und lebt gerade in Scheidung. Der Krankenhausarzt Martin kann einer jungen Selbstmörderin nicht helfen, aber er und seine Frau freuen sich auf ihr drittes Kind.
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Kritik

"Herz" ist ein gelungenes, ebenso unspektakuläres wie realistisches und sehr menschliches Episoden-Drama.



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Marcel Brandner (Uwe Bohm) betreibt eine kleine Tauchschule in Köln: „Tropical Dive“. Heimlich hat er ein Verhältnis mit Marlies (Johanna Gastdorf), der Ehefrau des Reisenden Günther Bode (Werner Wölbern).

Günther ist oft mehrere Tage nacheinander im Auto unterwegs, zeigt Kfz-Meistern seine Musterkoffer mit Werkzeug und muss sich damit abfinden, dass die meisten von ihnen lediglich an geschenkten Kugelschreibern interessiert sind. Der Zweiundvierzigjährige hat auch ein Gewehr mit Zielfernrohr dabei und hält zwischendurch schon mal in einem Waldstück, um kurz auf einen Hirsch anzulegen. Er ahnt nicht, dass Marlies es in seiner Abwesenheit und während ihre sechsjährige Tochter Marie (Pia Amendt) schläft, mit Marcel treibt.

Auf einer seiner Fahrten erfährt Günther durch einen Anruf seines Chefs, dass man vorhat, ihm zu kündigen. Frustriert bricht er seine Tour ab, fährt vorzeitig nach Hause und trifft dort im Dunkeln ein. Er wundert sich, dass Marie allein ist und statt zu schlafen am Fenster sitzt. In einer Wohnung auf der anderen Straßenseite sieht er Marlies mit Marcel beim Liebesspiel. Nachdem er Marie ins Bett gebracht hat, holt er sein Gewehr aus dem Auto und legt auf Marlies an. Übers eingeschaltete Babyphon sagt er: „Wir haben uns gegenseitige Treue geschworen, bis dass er Tod uns scheidet.“ Einige Minuten später kommt Marlies schuldbewusst herüber und behauptet, ihn nur dieses eine Mal betrogen zu haben.

Trotz des Seitensprungs versuchen Günther und Marlies einen Neuanfang. Bei seinen telefonischen Bewerbungen um eine neue Stelle erhält er zunächst nur Absagen, aber seine Frau ermutigt ihn, weiterzumachen.

Der Dolmetscher Cem Rüya (Mehmet Kurtulus), der zu den Hobbytauchern im „Tropical Dive“ gehört, wird zu einer Gerichtsverhandlung gegen die junge Türkin Lale Turgut (Ilknur Boyraz) hinzugezogen. Sie und ihr deutscher Freund Marius (Lucas Gregorowicz) waren beim Schwarzfahren in der U-Bahn erwischt worden. Während Lale ihre Adresse aufschrieb, versuchte Marius, zu entkommen, wurde aber von den Kontrolleuren zu Boden gerissen. Um ihrem Freund zu helfen, stürzte Lale sich auf einen der Männer und kratzte ihn mit dem Kugelschreiber, den sie noch in der Hand hatte, am Hals. Der Staatsanwalt sieht darin einen Angriff mit einer Waffe, und Lale wird zu einer Haftstrafe verurteilt.

Weil Marius sich kein einziges Mal bei ihr meldet, schreibt Cem ihr aus Mitleid in dessen Namen einen Liebesbrief, über den Lale sich sehr freut. Als sie entlassen wird, holt Cem sie ab und sie wundert sich, wo Marius ist. Sie sucht ihn auf. Er behauptet, wenn sie in der U-Bahn nicht an seinem Hals gehangen hätte, wäre er rechtzeitig auf die Kontrolleure aufmerksam geworden und ihnen entkommen. Er gibt ihr die Schuld, dass er bei der Rangelei am Bein verletzt wurde und nie mehr richtig laufen kann. Von einem Brief weiß er nichts.

Lale begreift, dass Cem sie liebt, und als er sie von der Straße aus anruft, geht sie zu ihm hinunter. Einige Zeit später bestellen sie das Aufgebot. Mit Cems Sportkameraden als Trauzeugen und Hochzeitsgästen gehen sie zum Standesamt, aber im letzten Augenblick überlegt Lale es sich anders: Sie möchte zwar mit Cem befreundet sein, ihn jedoch nicht heiraten.

Nach einem Tauchgang gibt es für jeden ein Glas Sekt, denn die Sportkameraden haben erfahren, dass Georg Kenter (Florian Fitz) heute Hochzeitstag hat. Georg vergaß ihn, aber jetzt kauft er rasch eine Perlenkette und überrascht damit seine Frau Gisela (Laura Tonke). Zur Feier des Tages führt er sie aus. Nach einigen Stunden klingelt das Handy: Georg, der als Kommissar bei der Mordkommission tätig ist, wird zu einem Tatort gerufen. Gisela wirft ihrem Mann vor, er hätte sich für diesen Abend vertreten lassen können, lässt sich dann jedoch überreden, ihn zu begleiten. Vor dem Haus, in dem der Mord geschah, will sie im Auto warten. Weil es ihr zu kalt wird, geht sie nach einigen Minuten hinein. Die Wand ist voller Blut. Am Boden liegt ein Toter in Strapsen aber ohne Unterhose. Georg zieht ihm gerade ein Thermometer aus dem After und erklärt Gisela, dass man auf diese Weise schätzen könne, wann der Tod eintrat. An den Fingern der Leiche prüft er die Totenstarre. Angewidert reißt Gisela sich die Perlenkette vom Hals und stürzt hinaus.

Am nächsten Tag bringt Georg ihr einen Rosenstrauß aus einem Blumenladen mit, dessen siebzig Jahre alte Besitzerin tot am Boden hinter der Kasse aufgefunden wurde, aber Gisela ekelt sich vor seinen „Leichenfingern“, weicht vor jeder Berührung zurück und bittet ihn schließlich, sie in der Wohnung allein zu lassen, bis sie ausgezogen ist. Sie trennt sich von ihm.

Verzweifelt betrinkt Georg sich im „Tropical Dive“. Gisela und er stammen aus verschiedenen Verhältnissen, erklärt er den Kameraden. In ihrem Elternhaus standen zwei weiße Flügel, obwohl weder sie noch ihre Eltern Klavier spielen konnten. Außerdem kam Gisela nicht darüber hinweg, dass sie zu früh von ihm schwanger geworden war und das Kind hatte abtreiben lassen.

Die Sportkameradin Dora Michaelis (Pamela Knaack), die gegenüber der Tauchschule ein Sonnenstudio betreibt und gerade die Scheidungspapiere vom Anwalt ihres Mannes Bruno bekommen hat, bietet Georg einen Schlafplatz in ihrer Wohnung an, damit er sich die Kosten für ein Hotelzimmer sparen kann. Sie reden miteinander – und dann schläft Georg doch nicht auf der Couch, sondern bei Dora im Bett.

Zu der Tauchergruppe gehört auch der Krankenhausarzt Martin Kullmann (Michael Roll). Er und seine Frau Gudrun (Solveig Arnarsdottir) freuen sich gerade auf ihr drittes Kind.

Zu Martins Patientinnen gehört Natalie Mertens (Camilla Renschke), ein Mädchen, das drei Flaschen Gefrierschutzmittel getrunken hatte, um sich das Leben zu nehmen [Suizid]. Mit einem Defibrillator konnte er sie reanimieren, aber sie spricht kein Wort, er versucht vergeblich, Zugang zu ihr zu finden.

Nach ein paar Tagen reißt Nathalie sich die Schläuche und Kabel ab, zieht eine Jacke übers Hemd, stiehlt sie sich unbemerkt aus dem Krankenhaus und sucht ihre verwahrloste Mutter Wanja Mertens (Karin Neuhäuser) auf, die nicht merkt, wie verzweifelt ihre Tochter ist, sondern sich nur darüber beklagt, dass sie ihr weder Schnaps noch Zigaretten mitgebracht hat. Für eine Plastiktüte voll Schnaps und Zigaretten gibt sich das Mädchen einem Ladenbesitzer hin. Dann trinkt sie eine Flasche Reinigungsmittel aus, wankt mit Magenkrämpfen zum Rheinufer und bricht dort zusammen.

Martin und Georg werden gerufen. Natalie ist tot.

Kurz darauf setzen bei Gudrun Kullmann die Wehen ein. Martin bringt sie ins Krankenhaus, aber das Kind kommt bereits im Taxi zur Welt.

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Bei „Herz“ denkt man unwillkürlich an „Short Cuts“. Horst Sczerba erzählt fünf locker verknüpfte Geschichten, und zwar nicht nacheinander, sondern parallel in zahlreichen Puzzleteilen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Episoden sind sehr geschickt gestaltet. Außerdem hat Horst Sczerba die Figuren so prägnant charakterisiert und besetzt, dass man sich als Zuschauer leicht zurechtfindet. „Herz“ ist ein gelungenes, ebenso unspektakuläres wie realistisches und sehr menschliches Episoden-Drama.

Herz symbolisiert Liebe, Leben, aber auch Angst und Tod […]
Dabei beschreibe ich nur Menschen, die versuchen, aus ihrem Leben was zu machen. Das ist zum Lachen und zum Weinen. Ich glaube, dass Herz etwas Ermutigendes hat. Trotz aller Härte zeigt der Film, dass es sich lohnt, seinen Weg zu gehen. Jeder muss seine eigenen Entscheidungen treffen, um möglichst würdevoll, ehrlich und manchmal auch glücklich durchs Leben zu kommen.
(Horst Sczerba in einem Interview)

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

Horst Sczerba: Die Unschuld der Krähen

Michel Houellebecq - Ausweitung der Kampfzone
Michel Houellebecq entwirft ein hoffnungsloses Bild unserer Gesellschaft. Dabei geht es ihm nicht um "feinsinnige psychologische Darstellungen" oder "Raffinesse und Humor". Zur Veranschaulichung seines nihilistischen Weltbildes skizziert er lediglich einige wenige Episoden.
Ausweitung der Kampfzone