Clara Immerwahr

Clara Immerwahr

Clara Immerwahr

Originaltitel: Clara Immerwahr – Regie: Harald Sicheritz – Drehbuch: Susanne Freund – Kamera: Helmut Pirnat – Schnitt: Paul Michael Sedlacek – Musik: Lothar Scherpe – Darsteller: Katharina Schüttler, Maximilian Brückner, August Zirner, Stefanie Dvorak, Peter Simonischek, Philip Hochmair, Simon Schwarz, Lucas Gregorowicz, Elisabeth Orth, Martina Ebm, Bernd Stegemann, Wolf Bachofner, Nikolaus Paryla u.a. – 2014; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Den ersten Heiratsantrag von Fritz Haber lehnt Clara Immerwahr ab, weil sie gerade als außerordentliche Hörerin an der Universität Breslau zugelassen wurde. Jahre später erneuert Fritz, der inzwischen Chemieprofessor in Karlsruhe ist, seinen Antrag, und diesmal nimmt Clara ihn an. Die seit 1900 promovierte Chemikerin arbeitet mit ihrem Mann daran, Ammoniak – letztlich Kunstdünger – aus der Luft zu gewinnen. Aber als sie 1902 ein Kind bekommt, zerplatzt ihr Traum von einem Leben als Forscherin ...
mehr erfahren

Kritik

In dem von Harald Sicheritz inszenierten historischen Fernseh­drama "Clara Immerwahr" wird eine außerordentliche Frau facettenreich porträtiert. Katharina Schüttler verkörpert Clara Immerwahr eindrucksvoll und überzeugend.
mehr erfahren

Clara Immerwahr (Katharina Schüttler), die Tochter des früheren Chemiefabrikanten Philipp Immerwahr (August Zirner) in Breslau, hält sich am liebsten im Labor ihres Vaters auf. Sie würde gern Chemie studieren, aber Frauen sind in den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts nicht einmal an höheren Schulen zugelassen. Als Externe bereitet sie sich aufs Abitur vor.

1887 stürzt die 17-Jährige vor einem scheuenden Pferd mit dem Fahrrad, das ihr Bruder Paul von der Großmutter (Elisabeth Orth) geschenkt bekam. Ein Student kümmert sich um sie. Der Sohn eines Breslauer Kaufmanns (Wolf Bachofner) heißt Fritz Haber (Maximilian Brückner), studiert in Berlin Chemie und ist zu Besuch in seiner Heimatstadt. Seine Mutter starb bei seiner Geburt. Siegfried Haber will, dass sein Sohn eine kaufmännische Lehre in Budapest macht, aber Fritz weigert sich und ist entschlossen, das Studium in Berlin fortzusetzen.

Bevor er abreist, macht er Clara einen Heiratsantrag und bittet sie, mit nach Berlin zu kommen. Aber sie hat gerade die erbetene Ausnahmegenehmigung der Universität Breslau bekommen, Chemievorlesungen hören zu dürfen und lehnt seinen Antrag deshalb ab.

Obwohl Clara von Studenten und Professoren angefeindet wird, promoviert sie 1900 als erste Chemikerin in Breslau und wird die Assistentin ihres Doktorvaters Richard Abegg (Lucas Gregorowicz).

Unerwartet taucht Fritz Haber nach Jahren in ihrem Labor auf. Der Chemiker, der sich 1896 an der Technischen Hochschule in Karlsruhe habilitierte, erneuert seinen Heiratsantrag, und diesmal nimmt Clara ihn an. Fritz war bereits 1893 vom Judentum zum Christentum konvertiert; Clara folgt seinem Beispiel vor der Hochzeit. Sie zieht zu ihm nach Karlsruhe und arbeitet gegen den Willen des Rektors Carl Engler (Peter Simonischek) mit ihm im Labor. Die Kollegen grenzen sie aus; nur Fritz‘ Assistent Otto Sackur (Simon Schwarz) unterstützt Clara, die sich für das Forschungsprojekt ihres Mannes begeistert. Es geht darum, aus Stickstoff und Wasserstoff Ammoniak – und letztlich Kunstdünger – herzustellen. Clara und Fritz bringen es auf die Formel „Brot aus Luft“.

Als Clara schwanger ist, freut sich ihr Mann im Gegensatz zu ihr darüber. 1902 bringt sie Hermann zur Welt. Eines Tages trifft der Rektor sie mit dem schreienden Säugling im Labor an und erteilt ihr daraufhin Hausverbot. Clara fehlt die Arbeit im Labor, aber als sie versucht, mit Carl Engler zu reden, lässt dieser sie gegen ihren Willen in die Psychiatrie bringen, wo sie mit Eisbädern „therapiert“ wird.

Fritz holt sie aus der Heilanstalt und stellt das Dienstmädchen Rosa (Martina Ebm) ein, aber er erwartet von seiner Frau, dass sie zu Hause bleibt und seiner akademischen Karriere nicht durch Unangepasstheit schadet.

1906 erhält er den Lehrstuhl für Physikalische und Elektrochemie in Karlsruhe. Zwei Jahre später beantragt er Patentschutz für ein „Verfahren zur synthetischen Darstellung von Ammoniak aus den Elementen“. 1909 erzeugt er mit der von ihm entwickelten Methode die ersten Tropfen Ammoniak. Mit Carl Bosch von der BASF zusammen entwickelt er das nach ihnen beide benannte Verfahren zur industriellen Herstellung von Ammoniak.

Clara hält im Rahmen der Volksbildung Vorträge und entfernt sich immer weiter von ihrem aufstrebenden Ehemann, der inzwischen ein Netzwerk von Kontakten geknüpft hat. Von dem österreichischen Chemiker David Sachs (Philip Hochmair), der sie umwirbt, lässt sie sich zu einer Ballonfahrt überreden. Dabei werden die beiden beobachtet, und Fritz Haber erfährt davon. Nach kurzer Zeit beendet Clara die Beziehung mit David Sachs und nimmt sich vor, eine gute Mutter und Ehefrau zu sein.

Geheimrat Leopold Koppel (Bernd Stegemann), der 1911 zu den Gründern der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin gehört, gewinnt Fritz Haber als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem und vermittelt ihm eine Professur an der Universität. Die Familie Haber zieht also nach Berlin.

1914 bricht der Erste Weltkrieg aus. Nach einigen Monaten wird aus dem deutschen Vormarsch im Westen ein zermürbender Stellungskrieg. Clara, der nicht entgeht, dass ihr Mann in engem Kontakt mit Offizieren der Reichswehr steht, fragt Otto Sackur nach dem Grund, aber er beruft sich auf seine Verpflichtung zur Geheimhaltung.

1915 fährt Clara ihren Mann zum Institut. Kurz nachdem er das Gebäude betreten hat, kommt es zu einer Explosion. Clara lässt den Wagen stehen und rennt voller Sorge ins Labor. Fritz hat die Detonation überlebt, aber Otto Sackur liegt im Sterben, und als Clara nach einem Erste-Hilfe-Kasten sucht, stößt sie nicht nur auf Gasmasken, sondern auch auf Käfige mit Versuchstieren. Clara findet heraus, dass ihr Mann dabei ist, aus Chlorgas und Phosgen ein tödliches Kampfgas zu entwickeln. Als die Pazifistin ihn aufgebracht zur Rede stellt, erklärt Fritz, er sei ebenso wie sie für den Frieden, wolle ihn aber durch einen raschen deutschen Sieg erreichen. Clara akzeptiert das nicht und meint, die Entwicklung eines Giftgases sei alles andere als „Brot aus Luft“.

Das von Fritz Haber entwickelte Giftgas wird zunächst an Tieren erprobt. Clara protestiert dagegen und bringt ihren mit Offizieren zusammenstehenden Mann in Verlegenheit.

Am 22. April 1915 wird erstmals in einem Krieg ein tödliches Giftgas eingesetzt. Im Beisein von Fritz Haber lässt General Berthold Deimling in Ypern 150 Tonnen Chlorgas abblasen. Die sechs Kilometer breite Gaswolke treibt auf die französischen Stellungen zu und tötet mehrere tausend Soldaten.

An der von Fritz in seiner Privatvilla ausgerichteten Feier des Gaseinsatzes beteiligt Clara sich nicht. Der zum Hauptmann beförderte und gefeierte Forscher desavouiert sie vor den Gästen und tanzt weiter mit Charlotte Nathan.

Am nächsten Morgen lobt Fritz das Aussehen seines eine Uniform tragenden Sohnes. Clara fordert das Kind allerdings auf, die Uniform sofort auszuziehen.

Nachts schreibt sie einen Abschiedsbrief, holt sich den Revolver ihres schlafenden Ehemanns und erschießt sich im Garten.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

In dem historischen Fernsehdrama „Clara Immerwahr“ porträtieren Susanne Freund (Drehbuch) und Harald Sicheritz (Regie) eine außerordentliche Frau, die lieber im Labor forschte als den Haushalt zu führen, der es schwer fiel, Mutter und Ehefrau zu sein. Clara Immerwahr lehnte sich gegen die Rollenerwartungen der Gesellschaft auf und promovierte 1900 als erste Chemikerin an der Universität in Breslau. In den ersten Jahren ihrer Ehe mit Fritz Haber arbeitete sie mit ihm zusammen begeistert an der Herstellung von Kunstdünger (Ammoniak) aus Stickstoff und Wasserstoff. „Brot aus Luft“ war ihr Motto. Als Fritz Haber im Ersten Weltkrieg dann aber aus Chlorgas und Phosgen ein Kampfmittel entwickelte, protestierte die überzeugte Pazifistin dagegen – vergeblich: Das Giftgas wurde am 22. April 1915 in Ypern erstmals eingesetzt und tötete tausende von Soldaten. Kurz nach der Feier des Ereignisses erschoss sich Clara Immerwahr. Was sie letztlich dazu brachte, wissen wir nicht: das Scheitern ihres Traums von einem Forscherleben als Chemikerin, die Verzweiflung über das Zerbrechen der Ehe, das Entsetzen über den von ihrem Mann ermöglichten Giftgaseinsatz.

„Clara Immerwahr“ fängt mit einer Szene im April 1915 an: Clara bringt ihren Mann mit dem Auto zum Kaiser-Wilhelm-Institut und hört kurz darauf eine Explosion im Gebäude. Dann springt die Zeit um 28 Jahre zurück, und Harald Sicheritz beginnt, die Handlung chronologisch zu entwickeln. Dabei erleben wir das Geschehen fast ausschließlich aus Claras Perspektive.

Katharina Schüttler spielt Clara Immerwahr eindrucksvoll und überzeugend. Vor allem mit Mimik und Gestik bringt sie jugendlichen Überschwang ebenso wie spätere Resignation, Protest und Verzweiflung, Rebellion und Enttäuschung zum Ausdruck.

Fritz Haber wird in diesem differenzierten Doppelporträt als Wissenschaftler dargestellt, dem es wegen seiner Herkunft an einem ausgeprägten Selbstwertgefühl fehlt, der deshalb nach Anerkennung von anderen giert und sich in der Hoffnung auf Bewunderung verführen lässt, sein Wissen für militärische Zwecke einzusetzen. Dabei rechtfertigt er sich gegenüber Clara damit, dass er durch die Entwicklung eines tödlichen Giftgases für den Kriegseinsatz den deutschen Sieg – und damit Frieden – herbeiführen wolle.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

Clara Immerwahr (kurze Biografie)
Fritz Haber (kurze Biografie)

Harald Sicheritz: Hinterholz 8
Harald Sicheritz: Trautmann. Wer heikel ist, bleibt übrig

Monica Lierhaus - Immer noch ich
"Immer noch ich" ist ein Mutmacher. Den Autorinnen ist es gelungen, Monica Lierhaus' "Weg zurück ins Leben" anschaulich und nach­denk­lich, ohne Verbitterung und Larmoyanz darzustellen.
Immer noch ich

 

(Startseite)

 

Nobelpreis für Literatur

 

Literaturagenturen

 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.