Das Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli 1944

Widerstand im Offizierskorps

Im August 1938 reichte Generaloberst Ludwig Beck, der Chef des Generalstabs der Wehrmacht, seinen Abschied ein. Er hatte vergeblich versucht, die militärische Führung zum Widerstand gegen die kriegerischen Absichten Hitlers zu gewinnen.

Als kurz darauf wegen der Sudetenkrise ein Krieg gegen die Tschechoslowakei drohte, bereiteten Offiziere wie Erwin von Witzleben, Franz Halder und Hans Oster einen Staatsstreich vor. Aber die Appeasement-Politik des britischen Premierministers Neville Chamberlain durchkreuzte die Pläne: Als Hitler das Sudentenland durch das Münchner Abkommen vom 30. September 1938 ohne Krieg bekam und die Deutschen ihren erfolgreichen „Führer“ bejubelten, wagte kein Offizier mehr einen Umsturz, denn die Verschwörer hätten nicht auf Unterstützung durch die Bevölkerung rechnen können.

Angesichts der Begeisterung der Deutschen nach dem siegreichen Blitzkrieg gegen Polen (1939) und den Erfolgen an der Westfront (1940) erschien ein Umsturz völlig undenkbar.

Erst als der Russlandfeldzug die Siegesgewissheit der Deutschen verunsicherte und die Landung anglo-amerikanischer Truppen in Nordafrika am 8. November 1942 sowie die Vernichtung der 6. Armee im Winter 1942/43 Zweifel daran aufkommen ließen, ob der Krieg noch zu gewinnen sei, hielten Offiziere eine Beseitigung Hitlers für erforderlich, um mit den Alliierten Frieden schließen zu können.

Oberst (ab 1. Juni 1944: Generalmajor) Henning von Tresckow und sein Adjutant Fabian von Schlabrendorff schmuggelten während eines Frontbesuchs Hitlers in Smolensk am 13. März 1943 eine als Cognac-Flasche in einem Kistchen getarnte Bombe in die Ju 52 des „Führers“. Sie sollte während des Rückflugs explodieren. Aber der Zündmechanismus versagte in der eisigen Luft des Frachtraums.

Daraufhin erklärte sich einer der Mitverschwörer, Generalstabsoffizier Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff, zu einem Selbstmordanschlag bereit. Durchführen wollte er ihn am 21. März, als er Hitler, Göring und Himmler bei der Eröffnung einer Ausstellung erbeuteter sowjetischer Waffen im Berliner Zeughaus begleitete. Er hatte die Säurezünder der beiden Haftminen in seinen Manteltaschen bereits aktiviert, als sich herausstellte, dass Hitler kein Interesse an der Ausstellung hatte und das Gebäude nach zwei Minuten verließ. Nach dem missglückten Attentat gelang es Gersdorff, die Sprengkörper in der Toilette unbemerkt zu entschärfen, bevor sie explodierten. (Die Zünddauer betrug etwa zehn Minuten.)

Claus Graf Schenk von Stauffenberg

Zu den Verschwörern zählte auch Claus Graf Schenk von Stauffenberg, der sich aufgrund der Kriegsverbrechen in Osteuropa und angesichts der Aussichtslosigkeit des Krieges vom Bewunderer Hitlers zu einem seiner schärfsten Gegner gewandelt hatte. Am 7. April 1943 war er bei einem Tieffliegerangriff auf seinen Konvoi in Tunesien schwer verwundet worden. Der Zweiunddreißigjährige verlor das linke Auge, die rechte Hand und zwei Finger der linken Hand.

Im Herbst 1943 gewann Oberstleutnant Stauffenberg Major Axel von dem Bussche für ein weiteres Attentat gegen Hitler. Bussche bastelte eine Bombe und beabsichtigte, sich bei einer Vorführung neuer Winteruniformen im ostpreußischen Führerhauptquartier Wolfsschanze mit Hitler in die Luft zu sprengen. Aber der Waggon, mit dem die Uniformen nach Rastenburg gebracht werden sollten, wurde am 16. November durch einen britischen Luftangriff zerstört.

Auch einige andere Attentatspläne scheiterten. Beispielsweise wollte der Ordonnanzoffizier Rittmeister Eberhard von Breitenbuch Hitler während einer Lagebesprechung am 11. März 1944 auf dem Obersalzberg erschießen. An diesem Tag schloss Hitler die Ordonnanzoffiziere jedoch aus irgendeinem Grund von der Besprechung aus.

Mitte Juni 1944 wurde Claus Graf Schenk von Stauffenberg Chef des Stabes bei Generaloberst Friedrich Fromm, und am 1. Juli beförderte man ihn zum Oberst im Generalstab. Nun hatte er regelmäßig Zugang zu Hitlers Lagebesprechungen. In Absprache mit dem als neuen Reichskanzler vorgesehenen ehemaligen Leipziger Bürgermeister Carl Friedrich Goerdeler erweiterte Stauffenberg sein Netzwerk des Widerstands, zu dem vor allem Offiziere gehörten, aber auch Zivilisten beispielsweise aus dem Kreisauer Kreis. Sein Vorgesetzter General Friedrich Olbricht billigte dies. Friedrich Fromm wusste ebenfalls von den Attentatsplänen, wollte sich den Verschwörern jedoch erst nach Hitlers Tod anschließen.

Stauffenberg beabsichtigte, Hitler zusammen mit Göring und Himmler zu töten. Am 11. Juli auf dem Obersalzberg und am 15. Juli im Führerhauptquartier Wolfsschanze setzte er die Zünder der mitgebrachten Sprengkörper nicht in Gang, weil nicht alle drei Zielpersonen anwesend waren.

Das Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli 1944

Beim dritten Mal nahm er sich vor, die Bombe auch dann zu zünden, wenn er Göring und Himmler nicht damit treffen konnte.

Frühmorgens am 20. Juli 1944 flog Claus Graf Schenk von Stauffenberg mit seinem Adjutanten Werner von Haeften von Rangsdorf bei Berlin nach Rastenburg. In einer Aktentasche hatten sie zwei von Oberst Wessel Freiherr von Freytag-Loringhoven beschaffte Sprengkörper dabei.

Nach der Ankunft im Führerhauptquartier zog Stauffenberg sich unter dem Vorwand, sein Hemd wechseln zu müssen und dabei die Hilfe seines Adjutanten zu benötigen, mit Haeften in einen Nebenraum zurück. Unbemerkt aktivierten sie einen der beiden Säurezünder. Für den zweiten blieb nicht genügend Zeit, weil die Lagebesprechung wegen des bevorstehenden Besuchs von Benito Mussolini um eine halbe Stunde vorgezogen wurde. Statt beide Bomben mitzunehmen und die Sprengmasse zu verdoppeln, überließ Stauffenberg Haeften die unscharfe Bombe.

Nachdem er die Aktentasche mit dem scharfen Sprengkörper in Hitlers Nähe unter dem Konferenztisch deponiert hatte, verließ er wegen eines angeblichen Anrufs aus Berlin den Raum. So konnte er nicht verhindern, dass einer der Teilnehmer die störende Aktentasche hinter einen der massiven Füße des Eichentisches schob. Als die Bombe um 12.42 Uhr explodierte, beugte Hitler sich gerade weit über die dicke Tischplatte. Hätte die Lagebesprechung im Bunker stattgefunden, wären vermutlich alle Teilnehmer getötet worden. Aber in der Baracke mit geöffneten Fenstern verpuffte ein Großteil der Sprengkraft. So kam es, dass zwar vier Personen tödliche Verletzungen erlitten, Hitler selbst jedoch ohne ernste Blessuren davonkam. Das deutete er als Zeichen der Vorsehung.

Obwohl sofort Alarm ausgelöst wurde, gelang es Stauffenberg und Haeften, das Führerhauptquartier zu verlassen. Nachdem sie die Detonation gehört hatten, waren sie überzeugt, Hitler getötet zu haben. Den nicht aktivierten Sprengkörper warf Haeften während der Fahrt zum Flugplatz aus dem Wagen. Gegen 15.45 Uhr trafen sie wieder in Rangsdorf ein.

Dass Stauffenberg das Attentat auf Hitler selbst durchführte und zugleich der zentrale Kopf des Umsturzes war, erwies sich als schwerer Fehler, denn wegen des Fluges von Ostpreußen nach Berlin war er stundenlang weder erreichbar noch handlungsfähig.

Umsturzversuch in Berlin

Unmittelbar nach der Landung rief Stauffenberg General Friedrich Olbricht in Berlin an. Stauffenberg wunderte sich darüber, dass die „Operation Walküre“

noch nicht angelaufen war. Dabei handelte es sich um einen von Stauffenberg, Treschkow und Oberstleutnant Robert Bernardis für die Zwecke des Umsturzes unauffällig modifizierten Plan der Wehrmacht zur Niederschlagung eines Aufstandes oder innerer Unruhen. Vorgesehen war unter anderem die Besetzung aller SS- und NSDAP-Dienststellen sowie die Übernahme der militärischen und vollziehenden Gewalt in ganz Deutschland durch das Ersatzheer.

Aber zu diesem Zeitpunkt war auch in Berlin längst bekannt, dass Hitler das Attentat überlebt hatte.

General Erich Fellgiebel hatte zwar nach der Explosion im Führerhauptquartier Wolfsschanze die Telefonanlage abschalten lassen, wie mit Stauffenberg vereinbart, aber davon waren nicht alle Leitungen getroffen. Und als er hörte, dass Hitler lebte, unterrichtete er Generalleutnant Fritz Thiele und andere Offiziere im Bendlerblock in Berlin telefonisch. Die dort wartenden Verschwörer zögerten deshalb, ob sie die „Operation Walküre“ auslösen sollten oder nicht. Und Friedrich Olbricht vergewisserte sich in einem Telefongespräch mit Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, dass Hitler nicht ernsthaft verletzt war.

Erst gegen 16 Uhr wurde die „Operation Walküre“ teilweise in Gang gesetzt. Zu Verzögerungen kam es auch, weil eines der Fernschreiben als geheim eingestuft wurde und man es deshalb erst einmal verschlüsseln musste. In Berlin unterblieben die für den Erfolg des Umsturzes entscheidende Besetzung des Rundfunks und der Fernmeldezentralen, die Verhaftung der SS-Führung und die Besetzung der Gestapozentrale. Nur General Carl-Heinrich Rudolf Wilhelm von Stülpnagel in Paris und Oberst Heinrich Kodré in Wien setzten die vorgesehenen Maßnahmen in groß angelegten Aktionen um.

Stauffenberg traf gegen 16.30 Uhr im Bendlerblock ein. Der Umsturz war so gut wie gescheitert. Als Fromm Stauffenberg damit konfrontierte, dass Keitel versichert hatte, Hitler sei kaum verletzt, log der Attentäter, er habe selbst gesehen, wie Hitler weggetragen wurde. Weil Fromms Haltung unklar blieb, setzten ihn die Putschisten in einem der Räume fest.

Am Abend wurde die Bevölkerung durch Sondermeldungen des Rundfunks darüber informiert, dass Hitler bei einem Attentat geringfügige Verletzungen erlitten habe.

Als Major Otto Ernst Remer vom Wachbataillon „Großdeutschland“ gegen 19 Uhr Joseph Goebbels festnehmen wollte, ließ dieser sich telefonisch mit Hitler im Führerhauptquartier Wolfsschanze verbinden und übergab dem nationalsozialistischen Offizier den Hörer, damit er sich davon überzeugen konnte, dass Hitler lebte. Daraufhin übertrug Goebbels als Gauleiter von Berlin dem Major das Kommando für die Reichshauptstadt.

General Wolfgang Thomale begann gegen 20 Uhr mit der Niederschlagung des Umsturzversuches. Drei Stunden später wurde der Bendlerblock gestürmt. Fromm kam frei. Dafür nahm man die Verschwörer fest. Generaloberst Ludwig Beck erhielt die Gelegenheit, sich mit seiner Dienstwaffe zu erschießen. Als zwei Kopfschüsse nicht zum Tod führten, befahl Fromm einem Feldwebel, den Schwerverletzten zu erlösen.

Kurz nach Mitternacht wurden Stauffenberg, Olbricht, Haeften und Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim auf Befehl von Generaloberst Friedrich Fromm im Hof des Bendlerblocks im Scheinwerferlicht eines Lastwagens füsiliert. (Fromm ließ die fünf Toten auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof begraben, aber Heinrich Himmler ordnete am nächsten Tag an, sie zu exhumieren, zu verbrennen und die Asche über einer Kläranlage zu verstreuen.)

Gegen 1 Uhr traf ein Übertragungswagen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft aus Königsberg im Führerhauptquartier Wolfschanze ein, und Hitler wandte sich persönlich an die Öffentlichkeit: „Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmachtsführung auszurotten.“

Sonderkommission 20. Juli

Generalmajor Henning von Tresckow sprengte sich noch am selben Tag in die Luft.

Als General Karl-Heinrich von Stülpnagel aufgefordert wurde, sich in Berlin zu melden, versuchte er sich zu erschießen, aber er überlebte die Schussverletzung und wurde am 30. August 1944 in der Berliner Strafanstalt Plötzensee hingerichtet.

Hans-Günther von Kluge wurde am 17. August 1944 als Oberbefehlshaber West von Walter Model abgelöst. Zwei Tage später zerbiss er eine Zyankalikapsel.

Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt und Generaloberst Heinz Guderian bildeten ein „Ehrengericht“, das verdächtige Offiziere aus der Wehrmacht entließ, worauf diese nicht mehr der Militärgerichtsbarkeit unterstanden, sondern vom Volksgerichtshof abgeurteilt werden konnten.

Als die Gestapo herausfand, dass auch Generalfeldmarschall Erwin Rommel zu den Mitwissern des Attentats vom 20. Juli 1944 gehört haben könnte, wurde ihm nahegelegt, sich selbst das Leben zu nehmen. Am 14. Oktober 1944 vergiftete Rommel sich. Hitler ordnete ein Staatsbegräbnis für ihn an, um die Verwicklung des Volkshelden in die Verschwörung geheim zu halten.

Zur Fahndung nach den Putschisten wurde in der Schlüterstraße in Berlin eine aus vierhundert Beamten bestehende „Sonderkommission 20. Juli“ eingerichtet. Für die Familien der Hauptbeteiligten ordnete Hitler die Sippenhaftung an. Die Ermittlungen gegen die am Aufstand vom 20. Juli 1944 beteiligten und andere Widerstandskämpfer zogen sich bis Kriegsende hin. Es wird geschätzt, dass etwa siebenhundert Menschen verhaftet und mehr als hundert hingerichtet wurden. Die zum Tod Verurteilten wurden in Berlin-Plötzensee mit Stahldrähten an Fleischerhaken aufgehängt, und man filmte ihren Todeskampf.

Sylvia Richard-Färber - Tagebuch einer Närrin
Mit ihrer geschulten Stimme wechselt "die Färberin" nicht nur zwischen laut und leise, schnell und langsam, sondern artikuliert auch überdeutlich. Unterhaltsam ist "Tagebuch einer Närrin" v. a. aufgrund ihrer Selbstironie.
Tagebuch einer Närrin