Wall Street. Geld schläft nicht

Wall Street. Geld schläft nicht

Wall Street. Geld schläft nicht

Wall Street. Geld schläft nicht – Originaltitel: Wall Street. Money Never Sleeps – Regie: Oliver Stone – Drehbuch: Allan Loeb und Stephen Schiff, nach Charakteren von Stanley Weiser und Oliver Stone – Kamera: Rodrigo Prieto – Schnitt: David Brenner, Julie Monroe – Musik: Craig Armstrong – Darsteller: Michael Douglas, Carey Mulligan, Shia LaBeouf, Josh Brolin, Eli Wallach, Susan Sarandon, Frank Langella u.a. – 2010; 130 Minuten

Inhaltsangabe

Durch Gerüchte wird die New Yorker Investmentbank Keller Zabel 2008 in den Ruin getrieben und für ein Spottgeld vom Konkurrenten Churchill Schwartz übernommen. Louis Zabel wirft sich vor eine U-Bahn. Jake Moore, der dadurch nicht nur seinen Job, sondern auch einen väterlichen Freund verliert, sinnt auf Rache und verbündet sich zu diesem Zweck hinter dem Rücken seiner Lebensgefährtin Winnie mit deren Vater Gordon Gekko, der wegen Insiderhandels 7 Jahre im Gefängnis saß und alle Tricks beherrscht ...
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Kritik

Oliver Stone kann sich nicht entscheiden, ob sein Thema die Wall Street oder die melodramatische Beziehung zwischen den drei Hauptfiguren ist. Für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus ist "Wall Street. Geld schläft nicht" jedenfalls zu oberflächlich.
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New York, 2008. Jake Moore (Shia LaBeouf) arbeitet als Trader für die Investmentbank Keller Zabel an der Wall Street. Unter dem Einfluss des Firmenchefs Louis Zabel (Frank Langella), seines Mentors, versucht der junge Börsianer zwar reich zu werden, aber im Gegensatz zu den meisten Kollegen lehnt er Leerverkäufe ebenso wie Kursmanipulationen ab und engagiert sich für Investitionen in erneuerbare Energien. Dass seine Mutter (Susan Sarandon) ihre Tätigkeit als Krankenschwester beendete und ihr Geld seither durch spekulative Immobiliengeschäfte verdient, ist ihm ein Gräuel.

Als ihm Louis Zabel außer der Reihe einen Bonus in Höhe von 1 Million Dollar zuteilt, investiert Jake das Geld in Aktien des Unternehmens, obwohl ihm sein Kollege Robby (John Buffalo Mailer) davon abrät. Noch am selben Tag stürzt die Aktie ab, und weil Jake sich von Robby nicht dazu überreden lässt, noch zu retten, was zu retten ist, verliert er die Million. Ursache für den Kurssturz sind bloße Gerüchte, aber die Investmentbank steht dadurch vor dem Ruin.

Um den Bankrott zu verhindern, der zum Verlust von 15 000 Arbeitsplätzen führen würde, bleibt Zabel nichts anderes übrig, als die Firma vom Konkurrenzunternehmen Churchill Schwartz aufkaufen zu lassen. Bretton James (Josh Brolin), der aalglatte CEO von Churchill Schwartz, bietet gerade einmal 2 Dollar pro Aktie und pokert so lange, bis er den Zuschlag bei 3 Dollar bekommt, obwohl Julie Steinhardt (Eli Wallach), der greise Eigentümer des Unternehmens, bereit gewesen wäre, mehr zu bezahlen. Anschließend wirft Louis Zabel sich in einer U-Bahnstation vor den einfahrenden Zug [Suizid]. Er ist sofort tot.

Jake trauert um seinen väterlichen Freund und ist einer der Angestellten, die von der neuen Unternehmensleitung entlassen werden. Er sinnt auf Rache.

Zu diesem Zweck wendet er sich an Gordon Gekko (Michael Douglas). Der berüchtigte Börsianer verbüßte von 1993 bis 2001 eine Haftstrafe wegen Insiderhandels und anderer Wirtschaftsvergehen. Inzwischen hat er kritische Bücher über die Börse veröffentlicht und hält viel beachtete Vorträge. Gordon vergleicht die Börsenspekulation mit einer Massenvernichtungswaffe und prophezeit, dass sich das „Steroid Banking“ wie ein Krebsgeschwür weiter ausbreiten werde. Zu den vorwiegend jungen Zuhörerinnen und Zuhörern sagt er: „You’re all pretty much fucked. You’re the Ninja generation: no income, no jobs, no assets.“

Gordon ist der Vater von Jakes Lebensgefährtin Winnie Gekko (Carey Mulligan), aber die junge Frau, die mit anderen zusammen die linksgerichtete Website „Frozen Blog“ betreibt, brach den Kontakt mit ihrem Vater vor einigen Jahren ab. Sie glaubt nämlich, dass ihr an einer Überdosis Drogen gestorbener Bruder Rudy noch leben würde, wenn der Vater für ihn dagewesen wäre. – Hinter Winnies Rücken spricht Jake den Mittsechziger nach einem Vortrag an, gibt sich als Lebenspartner seiner Tochter zu erkennen und fragt ihn, wer die Gerüchte gestreut haben könnte, die den Untergang von Keller Zabel herbeiführten.

Gordon, der noch eine Rechnung mit Bretton James offen hat, weil dieser vor 15 Jahren mit der Staatsanwaltschaft gegen ihn zusammengearbeitet hatte, nennt Churchill Schwartz. Die Investmentbank war im Jahr 2000 selbst in Schwierigkeiten geraten und von neun anderen Banken aufgefangen worden. Keller Zabel hatte sich geweigert, bei der Rettungsaktion mitzumachen. Als Gegenleistung für seine Kooperation verlangt Gordon von Jake, dass dieser versucht, seine Tochter mit ihm zu versöhnen.

Durch geschickt lancierte Gerüchte über eine geplante Verstaatlichung des Offshore Ölunternehmens Hydra fügt Jake Churchill Schwartz einen Schaden in Höhe von 120 Millionen zu. Aber er nutzt die Kursmanipulation nicht dazu, um sich selbst zu bereichern. Durch den Coup wird Bretton James auf Jake aufmerksam. Aber statt den gewitzten jungen Banker anzuzeigen, bietet er ihm einen Job an. In der Absicht, Churchill Schwartz noch weiter zu schaden, sagt Jake zu.

Als Jakes Kollegin Carol (Natalie Morales) bei einer Verhandlung mit einer chinesischen Delegation versagt – nicht zuletzt, weil sie die ihr fremden Umgangsformen ignoriert –, bemüht Bretton James sich um eine Vertagung, aber Jake rettet die Situation, indem er die Chinesen für das Projekt „Fusion“ des Forschers Dr. Masters (Austin Pendleton) begeistert und ihnen erklärt, wie sich die Kernfusion zur Energieerzeugung einsetzen lässt.

Nach einem gescheiterten Versuch, sich bei einem Restaurantessen mit seiner Tochter zu versöhnen, gelingt Gordon dies erst bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung.

Winnie ist inzwischen schwanger.

Als Bretton James die 100 Millionen der Chinesen statt in das Projekt „Fusion“ in ein anderes steckt, verlässt Jake das Unternehmen.

Daraufhin erzählt Gordon, dass er für seine damals 14-jährige Tochter 100 Millionen Dollar in der Schweiz angelegt habe. Winnie hat das Vermögen nie erwähnt. Jetzt lässt sie sich dazu überreden, mit Jake nach Zürich zu fliegen und das Geld freizugeben, damit es in „Fusion“ investiert werden kann. Aber als die beiden jungen Leute nach New York zurückkommen, ist Gordon mit dem in die USA überwiesenen Geld verschwunden. Sein Apartment steht leer.

Erst jetzt gesteht Jake seiner Lebensgefährtin, dass er schon seit einiger Zeit ohne ihr Wissen mit ihrem Vater kooperiert habe. Entrüstet über den Vertrauensbruch trennt Winnie sich von Jake.


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Gordon hat sich mit den 100 Millionen Dollar nach London abgesetzt und verwendet das Vermögen seiner Tochter für neue Börsenspekulationen. Innerhalb von kurzer Zeit verzehnfacht er den Betrag.

Schließlich macht Jake ihn ausfindig, fliegt nach London und verlangt die Rückgabe der 100 Millionen. Er gibt Gordon eine DVD mit einem Video von Ultraschallaufnahmen des ungeborenen Kindes. Der Spekulant gibt sich unbeeindruckt und lehnt es ab, das gestohlene Geld zurückzuerstatten.

Trotz der Trennung verschafft Jake Winnie Material, das beweist, dass Bretton James den Aktienkurs der Investmentbank Keller Zabel durch unwahre Gerüchte und Leerverkäufe manipulierte, um sie günstig übernehmen zu können. Winnie nutzt die Informationen für eine Enthüllungsstory im Blog. Daraufhin leitet die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Börsenspekulanten ein.

Eines Tages begleitet Jake Winnie bis vor ihre Haustüre. Als sie sich verabschieden, taucht unerwartet Gordon auf. Inzwischen hat er die 100 Millionen Dollar für das Projekt „Fusion“ hinterlegt. Er hofft darauf, dass Jake und Winnie eine Familie gründen und er mit seinem Enkel spielen darf.

Jake und Winnie versöhnen sich mit einem Kuss.

Jakes Mutter, die wegen der Immobilienkrise Konkurs anmelden musste, arbeitet jetzt wieder als Krankenschwester.

Ein Jahr später feiern sie alle zusammen auf einer Gartenparty den ersten Geburtstag des Kindes.

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Die internationale Finanzkrise veranlasste Oliver Stone dazu, ein Sequel seines Films „Wall Street“ aus dem Jahr 1987 zu drehen. Der wieder von Michael Douglas gespielte skrupellose Börsenspekulant Gordon Gekko ist in „Wall Street. Geld schläft nicht“ allerdings nicht mehr die Hauptfigur. Im Zentrum der Handlung steht der idealistische junge Broker Jake Moore (Shia LaBeouf), der zwar an der Wall Street arbeitet, aber integer bleiben möchte und es nicht gern sieht, dass seine Mutter ihre Tätigkeit als Krankenschwester aufgab, um mit Immobilien zu spekulieren. Liiert ist er mit Gordons Tochter Winnie, die den Turbokapitalismus in einem linksgerichteten Blog anprangert. Nachdem Jake seinen Mentor Louis Zabel verloren hat, sucht er in Gordon einen weiteren Vaterersatz. Der Mittsechziger lässt sich darauf ein und bemüht sich um Versöhnung mit seiner Tochter, aber die Familienbande sind ihm keineswegs sakrosankt. Alt steht hier gegen Jung – wie in Francisco de Goyas Gemälde „Saturn, einen seiner Söhne verschlingend“, das Bretton James in seiner Sammlung hat.

„Wall Street. Geld schläft nicht“ wechselt zwischen der melodramatischen Beziehung zwischen Gordon, Winnie und Jake auf der einen und den Manipulationen an der Wall Street auf der anderen Seite hin und her. Oliver Stone kann sich auch nicht entscheiden, ob er die Börsenspekulanten satirisch aufs Korn nehmen oder ernsthaft als unmoralisch kritisieren soll. Das Happy End passt zu keiner der beiden Alternativen. Für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus ist „Wall Street. Geld schläft nicht“ zu oberflächlich und unkompliziert. Dass es bedenklich ist, mit Leerverkäufen auf fallende Kurse zu wetten („we make the money with the losses“) und dass bloße Gerüchte, die sich im Internet-Zeitalter innerhalb kürzester Zeit um die ganze Erde verbreiten, Kursstürze auslösen können, wüssten wir auch, ohne „Wall Street. Geld schläft nicht“ gesehen zu haben. Christian Buß bezeichnet den Film im „Spiegel“ denn auch als „Wirtschaftsschmonzette“.

Retten die Jungen die Alten? Lassen sich die Geldströme vom Finanzzentrum aus tatsächlich für die gute Sache umleiten? […] Bei Oliver Stones Finanzthriller-Neuauflage scheint alles möglich, richtig spannend aber wird es trotzdem nicht. Unterkomplex ist vielleicht noch das höflichste Wort, um die Langeweile der 133 Filmminuten zu beschreiben: Zwar lärmen ständig auf Computer-Wänden irgendwelche Zahlenkolonnen runter, aber eigentlich interessiert sich Stone nur dafür, wie es zwischen den unterschiedlichen Familienmitgliedern lärmt.
Mama soll das Makeln lassen und Papa darf kein Powerbroker mehr sein; da ist Knatsch programmiert. Und so legen sich das Wall-Street-Sensibelchen Jake und die traumatisierte Broker-Tochter Winnie bei der Umerziehung ihrer Eltern gleich mit dem ganzen, sowieso am Abgrund stehenden System an. (Christian Buß, „Der Spiegel“, 19. Oktober 2010)

Die Spannung hält sich in Grenzen, zumal die Handlung vorhersehbar ist. Für einen erfolgreichen Broker an der Wall Street wirkt Shia LaBeouf zu naiv. Und Michael Douglas gelingt es nicht, den inneren Konflikt zwischen seiner Freude über den Enkel und seiner Spekulanten-Natur glaubwürdig darzustellen. Wo „Wall Street“ mit pointierten Sottisen glänzte („Need a friend, get a dog!“), reicht es beim Sequel „Wall Street. Geld schläft nicht“ gerade mal zum Vergleich von Geld mit einer Hure und zu Sprüchen wie: „Bulls make money, bears make money, pigs get slaughtered.“

Bei Keller Zabel dachte Oliver Stone möglicherweise an die New Yorker Investmentbank Bear Stearns, die im Zuge der Bankenkrise am 30. Mai 2008 vom Konkurrenten JPMorgan Chase & Co. übernommen wurde und andernfalls wohl bankrott gegangen wäre. Das erste Angebot lag wie im Film bei 2 Dollar pro Aktie. (Der Abschluss erfolgte allerdings nicht bei 3, sondern bei 10 Dollar.) Und der Nachname des CEO, Alan D. Schwartz, taucht bei Oliver Stone im Firmennamen Churchill Schwartz wieder auf.

Jake Moores Handyton stammt übrigens aus dem Western „Zwei glorreiche Halunken“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

Oliver Stone (kurze Biografie / Filmografie)

Oliver Stone: Wall Street
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Gabriele Tergit zeigt uns in dieser Satire die deutsche Gesellschaft der Nachkriegszeit aus der Sicht einer naiven 19-jährigen New Yorkerin. Diese Perspektive ist geschickt gewählt. "Der erste Zug nach Berlin" ist kein gründlich ausgearbeiteter Roman, sondern ein rasanter Entwurf, eine Folge von Miniaturen und pointierten Dialogen.
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