Die fetten Jahre sind vorbei

Die fetten Jahre sind vorbei

Die fetten Jahre sind vorbei

Originaltitel: Die fetten Jahre sind vorbei - Regie: Hans Weingartner - Drehbuch: Katharina Held und Hans Weingartner - Kamera: Daniela Knapp und Matthias Schellenberg - Schnitt: Dirk Oetelshoven und Andreas Wodraschke - Musik: Andreas Wodraschke - Darsteller: Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg, Burghart Klaußner, Peer Martiny, Petra Zieser, Laura Schmidt, Sebastian Butz, Oliver Bröcker, Knut Berger, Hanns Zischler u.a. - 2004; 130 Minuten

Inhaltsangabe

Jule ist mit den Prämien ihrer Kfz-Versicherung in Verzug, als sie durch eine Unaufmerksamkeit die Luxuslimousine eines Villenbesitzers zu Schrott fährt. Wegen der immensen Schulden kann sie ihre Miete nicht mehr bezahlen und zieht zu ihrem Freund Peter und dessen Mitbewohner Jan, zwei jungen Männern, die nachts in Villen einsteigen, zwar nichts mitnehmen, aber Botschaften hinterlassen wie "Die fetten Jahre sind vorbei" ...
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Kritik

In "Die fetten Jahre sind vorbei" porträtiert Hans Weingartner die Achtundsechziger und die Linken der nachfolgenden Generation. Trotz einiger Längen und Dialoge mit plakativen Argumenten handelt es sich nicht um einen kopflastigen, sondern um einen unterhaltsamen Film.
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Jule (Julia Jentsch) suchte gerade etwas im Handschuhfach ihres alten VW-Golf, bemerkte deshalb das Stauende vor ihr nicht rechtzeitig und prallte auf einen Mercedes der S-Klasse. Und weil sie mit den Prämien ihrer Kfz-Versicherung drei Monate im Rückstand war, muss sie für den Schaden selbst aufkommen. 6000 Euro hat sie bereits von ihrem Lohn als Kellnerin abgestottert; jetzt fehlen bloß noch 94 000 Euro. Aufgrund ihrer immensen Schulden gerät Jule mit der Miete für ihre Wohnung in Berlin in Verzug und erhält von ihrem Vermieter (Hanns Zischler) eine Räumungsklage. Glücklicherweise kann sie zu ihrem Freund Peter (Stipe Erceg) und dessen Mitbewohner Jan (Daniel Brühl) ziehen.

Die beiden jungen Männer sind fast jede Nacht unterwegs. Sie kleben Plakate, glaubt Jule. Sie ahnt nicht, dass Jan und Peter in Villen einbrechen, deren Bewohner verreist sind und ihre Alarmanlage von der Firma installieren ließen, bei der Peter einmal arbeitete. Aber statt etwas zu stehlen, bilden die Einbrecher Pyramiden aus Stühlen und Sesseln, verstecken die Stereoanlage im Kühlschrank, gruppieren Nippesfiguren in der Toilettenschüssel und hinterlassen Reibebuchstaben-Botschaften wie „Die fetten Jahre sind vorbei“ oder „Sie haben zu viel Geld. Die Erziehungsberechtigten“. Sie möchten die Reichen erschrecken, damit sie nicht mehr so gedankenlos im Luxus schwelgen können, sondern sich kontrolliert fühlen und Angst haben.

Während Peter für ein paar Tage verreist ist, hilft Jan Jule beim Renovieren der alten Wohnung. Abends kocht er etwas für sie beide, und dabei kommen sie sich näher. Sie erzählt ihm von ihren Schulden und Jan entrüstet sich über die Ungerechtigkeit: Während Jule sich voraussichtlich sieben oder acht Jahre lang von ihrem Chef und den Gästen schikanieren lassen muss, um den kaputten Mercedes abzubezahlen, lebt der Besitzer in einer Villa und spürt den finanziellen Verlust gar nicht. Jule weist darauf hin, dass sie den Schaden verursachte und deshalb dafür gerade stehen müsse, aber das hält Jan für eine verquere Moralvorstellung.

Er fährt mit ihr in eine Villengegend, erzählt ihr, was er und Peter tatsächlich machen und zeigt ihr auf einem Plan, wo sie bereits eingestiegen sind.

Zufällig sind sie ganz in der Nähe der Adresse von Jules Unfallgegner Hardenberg (Burghart Klaußner). Sie fahren hin und sehen sich das ausgedehnte Seegrundstück mit Park und pompöser Villa an. Es scheint niemand da zu sein. Aufgeregt redet Jule auf Jan ein, mit ihr einzubrechen: Sie will unbedingt einmal sehen, wie der Mann wohnt, für den sie jahrelang arbeiten muss. Vergeblich versucht Jan, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Dann gibt er widerstrebend nach, steigt durch ein Kellerfenster ein, und es gelingt ihm, die Alarmanlage rechtzeitig auszuschalten. In der Garage der luxuriös eingerichteten Villa stehen noch drei Edellimousinen. Jan und Jule gruppieren die Möbel um, werfen die Couch in den Pool, hinterlassen ein Blatt Papier mit dem Spruch „Die fetten Jahre sind vorbei“ und fahren wieder los.

Am nächsten Morgen gesteht Jule, dass sie ihr Handy vermisst und es vermutlich in der Villa verloren hat. Jan beschwört sie, ihrem gerade zurückgekehrten Freund nichts davon zu sagen, und am Abend steigt er noch einmal mit ihr in die Villa ein, um das Handy zu suchen. Plötzlich steht Jule Hardenberg gegenüber. Der erkennt sie und hält sie fest. Jan schlägt ihn zu Boden. Was sollen sie jetzt tun? Verzweifelt rufen sie Peter an.

Zu dritt zerren sie Hardenberg in ihren Campingbus und fahren mit ihm nach Achenkirch in Tirol, wo ein Onkel Jules eine Berghütte hat. Dort halten sie den Entführten fest und überlegen, was sie machen können, aber es fällt ihnen nichts Überzeugendes ein.

Im Verlauf der Tage kommen das Opfer und die Entführer sich näher. Jovial bekundet Hardenberg Respekt vor dem Idealismus der drei Jugendlichen. Er erklärt Jule, dass er nicht ahnte, wie er sie durch die Schadenersatzklage nach dem Verkehrsunfall in Schwierigkeiten brachte. Er habe die Angelegenheit seinem Anwalt übergeben und sich nicht weiter darum gekümmert. Jan, der in der Zeitung las, dass Hardenberg 3,5 Millionen Euro im Jahr verdient, wirft ihm vor, das sei unsittlich, aber Hardenberg lässt das nicht gelten: Es liege in der menschlichen Natur, besser sein zu wollen als die anderen, und in jeder Gruppe gebe es einen Führer. Er treffe die richtigen Entscheidungen, um Erfolg zu haben und arbeite dafür auch vierzehn Stunden am Tag. Er sei nicht immer so reich gewesen, erzählt er. 1968 habe er mit drei Frauen und zwei anderen Männern in einer Kommune gelebt, sei im SDS aktiv und mit Rudi Dutschke befreundet gewesen. Damals hätte er gern mal so einen Bonzen in seiner Gewalt gehabt. Aber dann heiratete er eine der Frauen aus der Kommune und gründete mit ihr eine Familie. Also musste er arbeiten und Geld verdienen. Und im Lauf der Zeit vergaß er seine revolutionären Ideale.

Von Tag zu Tag fühlt Hardenberg sich sicherer. Während Jan, Jule und Peter ratlos sind, brüht er Kaffee auf oder bereitet das Abendessen zu. Unmerklich übernimmt er die Führung. Nachdem er beobachtet hat, dass Peters Freundin sich heimlich auch von Jan in den Arm nehmen lässt, wartet er, bis er mit Peter allein ist und tut dann scheinheilig so, als finde er es toll, dass sie drei nach dem Prinzip der freien Liebe leben. Peter, der in Jans Jacke zufällig ein Foto von Jule entdeckt und ohnehin Verdacht geschöpft hatte, stellt die beiden zur Rede. Sie geben zerknirscht zu, ihn hintergangen zu haben, und es kommt zu einer heftigen Auseinandersetzung.

Schließlich versöhnen sich Jan, Jule und Peter. Sie beschließen, die Entführung zu beenden und bringen Hardenberg zurück nach Berlin. Beim Abschied vor seiner Villa versichert er ihnen noch einmal, er werde sie nicht anzeigen und auf das Geld für den verschrotteten Mercedes verzichten.

Am nächsten Tag sitzt er in einem Streifenwagen, während eine schwer bewaffnete Polizeieinheit Jules frühere Wohnung stürmt. An einer Wand hängt ein Zettel: „Manche ändern sich nie“.

Jan, Jule und Peter reisen zu einer kleinen Mittelmeerinsel, wo sie Hardenbergs Yacht rauben und damit zu einer Stelle fahren, von der aus sie den Fernsehempfang in ganz Europa ausschalten können.

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Die Nachricht von einem französischen Arzt, der zwei Jahrzehnte lang in Villen in Paris einbrach und die Beute in seinem Keller hortete, ohne etwas davon zu Geld zu machen, regte Hans Weingartner zu dem Kinofilm „Die fetten Jahre sind vorbei“ an. Ohne erhobenen Zeigefinger versucht er, die Achtundsechziger und die Linken der nächsten Generation zu porträtieren. Hans Weingartner stellt es so dar, als habe es sich bei den Achtundsechzigern um Egozentriker gehandelt, die das große Wort führten und bei den endlosen Debatten die Manipulationsinstrumente erprobten, die ihnen später halfen, erfolgreiche Karrieren in Politik und Wirtschaft zu machen. Die Linken der nächsten Generation sehen in „Die fetten Jahre sind vorbei“ konfus und idealistisch aus; sie bleiben Träumer, aber ihre unrealistischen Vorstellungen sind zumindest ehrlich. Ob dieses Bild der Wirklichkeit entspricht?

Trotz einiger Längen und Dialoge mit „uninformiert-uniformiertem Gedankenschrott“ (Gustav Seibt in: Süddeutsche Zeitung, 12. Februar 2005) ist „Die fetten Jahre sind vorbei“ insgesamt kein kopflastiger, sondern ein unterhaltsamer Film. Das liegt nicht nur an den vielen Wendungen, sondern vor allem an den vier ausgezeichneten Hauptdarstellern Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg und Burghart Klaußner. Daniela Knapp und Matthias Schellenberg drehten mit einer lichtempfindlichen Digitalkamera und beschränkten künstliche Ausleuchtungen auf ein Minimum. Das und der Eindruck, dass einige Szenen improvisiert wurden, lässt den Film authentisch wirken. Dabei wird die Geschichte gerade nicht objektiv, sondern ganz aus der Sicht der Jungen erzählt.

„Die fetten Jahre sind vorbei“ erhielt bei den Filmfestspielen in Cannes viel Applaus.

Das war schon absurd. Interviews bei Hummerbuffet und Champagner, die Premiere vor aufgebrezeltem Publikum. (Daniel Brühl in einem Interview)

Am 8. Juli 2005 gab es für „Die fetten Jahre sind vorbei“ einen Deutschen Filmpreis („LOLA“) in Silber. Außerdem wurde Burghart Klaußner in der Kategorie „Bester männlicher Nebendarsteller“ mit einer goldenen „LOLA“ ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

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