Herzen in Aufruhr

Herzen in Aufruhr

Herzen in Aufruhr

Herzen in Aufruhr - Originaltitel: Jude - Regie: Michael Winterbottom - Drehbuch: Hossein Amini, nach dem Roman "Jude the Obscure" von Thomas Hardy - Kamera: Eduardo Serra - Schnitt: Trevor Waite - Musik: Adrian Johnston - Darsteller: Christopher Eccleston, Kate Winslet, Liam Cunningham, Rachel Griffiths, June Whitfield, Ross Colvin Turnbull, James Daley, Berwick Kaler u.a. - 1996; 120 Minuten

Inhaltsangabe

Jude Fawley wächst auf dem Land auf, wird Steinmetz und träumt von einem Universitätsstudium. Nachdem ihn die Tochter eines Schweinezüchters verführt hat, heiratet er sie. Die Ehe geht nach kurzer Zeit in die Brüche. Einige Zeit später verliebt Jude sich in seine Cousine Sue, die schließlich ihren Mann verlässt und mit Jude zusammen wohnt. Als jedoch ruchbar wird, dass sie nicht verheiratet sind, werden sie gesellschaftlich geächtet ...
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Kritik

Michael Winterbottom verfilmte den düsteren Roman "Jude the Obscure" von Thomas Hardy und setzte dabei vor allem auf die Atmosphäre. Ungeachtet des missglückten deutschen Titels ist "Herzen in Aufruhr" eine kongeniale, erschütternde Literaturverfilmung in ruhigen, realistischen Bildern.
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Jude Fawley (James Daley) wächst auf dem Land in Wessex auf. Eines Tages nimmt ihn ein junger Mann namens Richard Phillotson (Liam Cunningham) ein Stück auf seinem Fuhrwerk mit und schwärmt davon, dass er nach Christminster (Oxford) fahre, um dort an der Universität zu studieren. „Man muss studieren, dann steht einem die Welt offen!“

Jahre vergehen. Jude (ab jetzt von Christopher Eccleston gespielt) wird Steinmetz. In seiner Freizeit lernt er Latein und Griechisch, denn die höheren Schulen bleiben ihm verschlossen, und er muss sich autodidaktisch auf die Aufnahmeprüfung der Universität vorbereiten. Als er einmal in einer Pause mit einem Buch unter einem Baum sitzt, wirft Arabella (Rachel Griffiths), die hübsche Tochter eines Schweinezüchters, mit einem Stück Fleisch nach ihm, um auf sich aufmerksam zu machen. Jude lässt sich von der lebensgierigen jungen Frau verführen, und als sie behauptet, schwanger zu sein, heiratet er sie gegen den Rat seiner Mutter.

Sie leben zusammen auf dem Bauernhof von Arabellas Vater. Der hängt lieber in der Wirtschaft herum und überlässt die Arbeit auf dem Hof seiner Tochter. Jude hilft ihr zwar beim Schlachten eines Schweins, aber während sie es abbrüht, ausnimmt und zerteilt, sitzt er wieder über seinen Büchern. Als er von einem Besuch bei seiner Mutter zurückkehrt, findet er einen Zettel vor, auf dem Arabella ihm mitteilt, sie habe ihn nicht belogen, sondern wirklich geglaubt, schwanger zu sein. Jetzt sei sie unterwegs nach Australien.

Daraufhin zieht Jude nach Christminster, arbeitet dort als Steinmetz, bereitet sich weiter auf die Aufnahmeprüfung vor – und verliebt sich in seine kluge und attraktive Cousine Sue Bridehead (Kate Winslet), die zufällig ebenfalls in Christminister lebt. Er sucht mit ihr Richard Phillotson auf, der inzwischen eine Schule in Christminister leitet, und verhilft ihr zu einer Anstellung als Lehrerin.

Das bereut er bald, denn er beobachtet eifersüchtig, wie Sue und Phillotson sich näher kommen.

Als Sue und Phillotson nach Melchester ziehen, reist Jude ihnen nach. In einer Regennacht läuft Sue zu Jude und übernachtet in seinem Zimmer. Wegen des Skandals wird Sue von der Schule verwiesen. Jude versichert Phillotson, dass sie die Nacht nur wie Cousin und Cousine verbrachten. In dem Gespräch wird Jude klar, dass Phillotson nicht auf ein Abenteuer aus ist, sondern Sue wirklich liebt. Deshalb unternimmt er auch nichts, als Sue ihm einige Zeit später ihre Eheschließung mit Phillotson ankündigt und ihn bittet, sie ihrem Bräutigam in der Kirche zuzuführen.

Bei der Hochzeitsfeier trifft Jude zufällig Arabella wieder, die inzwischen aus Australien zurückgekehrt ist und in Melchester als Bedienung arbeitet. Noch in derselben Nacht gehen sie wieder miteinander ins Bett.

Auf dem Sterbebett meint Tante Drusilla (June Whitfield), Sue werde ihre Heirat ebenso bedauern wie Jude die seine.

Das Ehepaar Phillotson zieht nach Shaston. Dort überrascht Jude sie nach einer Weile mit seinem Besuch. Phillotson liebt Sue, aber er weiß inzwischen, dass Sue nicht ihn, sondern Jude liebt und will den beiden nicht im Weg stehen. Er bringt sie zum Zug, als sie ihn verlassen und nach Albrickham fahren.

Sue und Jude teilen sich in Albrickham zwar eine Wohnung, aber sie schlafen auf Sues Wunsch nicht miteinander. Eines Tages taucht Arabella an ihrer Tür auf und bittet Jude, zu ihr ins Hotel zu kommen, sie benötige seine Hilfe. Aus Angst, Jude zu verlieren, gibt Sue sich ihm erstmals hin, und er versäumt darüber die Verabredung mit Arabella. Am anderen Morgen findet er einen Brief von ihr, in dem sie ihm mitteilt, dass sie acht Monate nach der Trennung seinen Sohn geboren habe.

Kurz nachdem Jude seinen gleichnamigen Sohn (Ross Colvin Turnbull) aus Australien kommen ließ, wird auch Sue von einem Kind entbunden.

Als ruchbar wird, dass Sue und Jude gar nicht verheiratet sind, verliert Jude seine Arbeit als Steinmetz in einer Kirche. Sue wird erneut schwanger und bringt noch ein Kind zur Welt. Um zu überleben, bieten Sue und Jude Gemüse auf dem Markt an. Arabella kommt einmal zu ihrem Stand und verhöhnt Jude, indem sie ihn an seine ehrgeizigen Pläne erinnert. Sie selbst ist inzwischen gut versorgt, denn ihr verstorbener Mann hat ihr ein gutes Erbe hinterlassen.

Sue und Jude fahren mit ihren drei Kindern nach Christminster. Dort fällt es ihnen schwer, auch nur ein Quartier für die Nacht zu bekommen. Der kleine Jude fragt, warum die Leute sie nicht aufnehmen wollen, und Sue antwortet ihm: „Weil wir zu viele sind.“ Stunden später finden Sue und Jude die beiden jüngsten Kinder tot in ihren Betten, und der kleine Jude hat sich erhängt.

Arabella, die an der Beerdigung der drei Kinder teilnimmt, meint bedauernd: „Wenn ich ihn bei mir behalten hätte, wäre das nicht passiert.“

Der Tod der Kinder überzeugt Sue davon, dass die Liebe zwischen ihr und Jude Unrecht ist. „Wir haben IHN herausgefordert.“ Sie verlässt Jude, sucht Zuflucht in der bisher von ihr verschmähten Religion und kniet jeden Tag betend in der Kirche. Es sei ihre Pflicht, zu ihrem Ehemann zurückzukehren, meint sie.

Einige Jahre später sieht Jude sie am Grab der Kinder wieder. Sue verrät ihm nicht, wo sie inzwischen lebt, und als er ankündigt, er werde ihr folgen, lässt sie es nicht zu.

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Auch in seinem 1895 veröffentlichten Roman „Jude the Obscure“ – deutsch: „Im Dunkeln“ – verbarg Thomas Hardy (1840 – 1928) nicht seine Abneigung gegen die viktorianische Moral. Der Religion der anglikanischen Kirche setzte er ein Weltbild entgegen, in dem das Universum von einem irrationalen Willen beherrscht wird, dem die Menschen hilflos ausgeliefert sind. Wie in „Tess of the d’Urbervilles“ (1891) manifestiert sich das in dem gesellschaftlichen Druck, der die Hauptfiguren ins Unglück stürzt. Der Autor blieb davon nicht verschont: Die Kritik an der von Thomas Hardy in „Jude the Obscure“ verteidigten „wilden Ehe“ war so heftig, dass er danach nur noch Gedichte zu veröffentlichen wagte.

Michael Winterbottom verfilmte den düsteren Roman von Thomas Hardy und setzte dabei vor allem auf die Atmosphäre. Die Szenen über Judes Kindheit sind schwarz-weiß. Aber auch wenn die Bilder dann farbig sind, sehen wir aufgeweichte, morastige Wege, armselige Häuser und realistische Darstellungen des Leids. Ruhig und unspektakulär entwickelt sich die tragische Handlung. Die spielt zwar im viktorianischen Zeitalter, aber ihre Bedeutung ist allgemeingültig, und die Inszenierung wirkt in keiner Weise altmodisch. Ungeachtet des dummen deutschen Titels ist „Herzen in Aufruhr“ eine geglückte Literaturverfilmung auf hohem Niveau.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

Thomas Hardy: „Tess of the d’Urbervilles“ (Verfilmung durch Roman Polanski)

Michael Winterbottom: Code 46
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Thomas Bernhard - Holzfällen
Thomas Bernhard schmäht die Gesellschaft, indem er seine Selbstverachtung auf die anderen projiziert. Dabei wiederholt und variiert er seine Themen unaufhörlich, wie in einem Musikstück, etwa dem "Bolero". Trotz der Hoffnungslosigkeit wirkt der kunstvolle Roman "Holzfällen" nicht düster, sondern eher tragikomisch.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.