Rosenholz-Dateien


Die Karteien des Ministeriums für Staatssicherheit wurden mehrmals auf Mikrofilme kopiert, so 1973/1974, Anfang der Achtzigerjahre und ab Januar 1988. Diese in Stahlbehältern aufbewahrten Mikrofilme sollen sich beim Fall der Berliner Mauer im Keller des HVA-Gebäudes in der Normannenstraße 52 in Berlin befunden haben.

Als sich Ende 1989 der Zusammenbruch der DDR abzeichnete, soll ein Oberstleutnant der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) den Auftrag erhalten haben, dem KGB-Verbindungsoffizier Alexander („Sascha“) Prinzipalow (1949 – 1997) in der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) in Berlin-Karlshorst Mikrofilme in einem Koffer zu überbringen. Von Alexander Prinzipalow wurde erwartet, dass er das brisante Material mit den Klar- und Decknamen von Stasi-Agenten – für das im „Focus“ vom 6. April 1998 die Bezeichnung „Rosenholz-Dateien“ aufkam – zur weiteren Aufbewahrung nach Moskau schicken würde. In Deutschland vernichtete die HVA, die sich bis Juni 1990 selbst abwickelte, nahezu ihr gesamtes Archiv und entfernte auch die entsprechenden Karteikarten aus der Zentralen Personenkartei des MfS.

Milton Bearden (* 1940), der damals für die CIA in Moskau tätig war, behauptet, dass die Rosenholz-Dateien bei der Erstürmung des Ministeriums für Staatssicherheit am 15. Januar 1990 nicht mehr da waren.

Gerüchten zufolge kopierten die KGB-Offiziere Alexander Prinzipalow und Alexander Sjubenko die Mikrofilme mit den vom HVA übergebenen 350 000 Rosenholz-Datensätzen. Nachdem sich der KGB Ende 1991 aufgelöst hatte und seine Aufgaben von den Nachfolgeorganisationen FSB bzw. SWR übernommen worden waren, erwarb angeblich der CIA-Agent James („Jimmy“) Atwood, der sich als Militärhistoriker ausgab, die Mikrofilme im Auftrag von Edward Pechous, des Leiters der CIA-Außenstelle in Bonn. Es wird kolportiert, dass die im Sommer 1992 durchgeführte Aktion den Codenamen „Rosewood“ trug. Was an dieser Theorie der Wahrheit entspricht, wissen wir nicht.

Anhand der Rosenholz-Dateien wurde der unter dem Decknamen „Topas“ bekannte, vom HVA geführte Spion Rainer Rupp (* 1945) enttarnt und am 31. Juli 1993 in Saarburg festgenommen.

Alexander Sjubenko kam 1995 bei einem angeblichen Verkehrsunfall ums Leben, und Alexander Prinzipalow starb zwei Jahre später unter mysteriösen Umständen in seinem Auto.

Wie auch immer die Rosenholz-Dateien in den Besitz der CIA gekommen waren, ausgewertet wurden sie jedenfalls zunächst in den USA. Erst nach langwierigen

deutsch-amerikanischen Verhandlungen, die auf deutscher Seite unter der Tarnbezeichnung „Rosenholz“ geführt wurden, erhielt die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) bis März 2003 insgesamt 381 CD-ROMs. Die Rosenholz-Dateien wurden am 26. Juni 2003 deklassifiziert. Seit März 2004 können sie in der Behörde eingesehen werden.

Sie enthalten Kopien von etwa 293 000 Karteikarten aus der Personenkartei des HVA. Es handelt sich also nicht um Akten, sondern um Findhilfsmittel. Erfasst sind schätzungsweise 150 000 Personen aus der Bundesrepublik, 107 000 aus der ehemaligen DDR und einige andere. Etwa 6000 Bundesbürger und mehr als 20 000 DDR-Bürger spionierten wohl tatsächlich für die Stasi. Bei 90 Prozent der in den Rosenholz-Dateien erfassten Personen handelte es sich dagegen nicht um Informelle Mitarbeiter des MfS.

Elisabeth Herrmann schrieb über die Rosenholz-Dateien den allerdings völlig fiktiven Spionagethriller „Zeugin der Toten“.

Eine fundierte Darstellung stammt von dem Politologen Helmut Müller-Enbergs: „Rosenholz“. Eine Quellenkritik (Unter Mitarbeit von Sabine Fiebig, Günter Finck, Georg Herbstritt und Stephan Konopatzky, Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Abteilung Bildung und Forschung, Berlin 2007, 245 Seiten).

© Dieter Wunderlich 2012

Elisabeth Herrmann: Zeugin der Toten

Bärbel Reetz - Die russische Patientin
"Die russische Patientin" ist eine Komposition aus sehr verschiedenen Elementen. Deutlich wird, wie mühsam und schwierig es ist, sich einer Grenzgängerin wie Sabina Spielrein zu nähern, einer außergewöhnlichen Frau im Spannungsfeld zwischen Ost und West, Marxismus und Psychoanalyse, Juden und Nichtjuden.
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